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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Mann bei Göttingen, dem südlichsten Hauptort seines Staates versammelt und
suchte durch Verhandlungen der preußischen Action auszuweichen oder mindestens
Zeit zur Mobilmachung zu gewinnen.

General v. Manteuffel war nach Ablauf der zur Entscheidung gegebnen
Frist von Holstein her. General v. Goben aus Minden mit je einer Division
am 16. Juni in das Königreich eingerückt und dirigirten sich nach Hannover.
Diesem Stoß beschloß der König sich zu entziehen und nach Bayern zu gehen.
Am 20. Juni waren die hannoverschen Truppen einigermaßen marschbereit und
am 21. drangen sie. General Beyer in Kassel vermeidend, in preußisches Gebiet
ein, besetzten Heiligenstadt, am 22. Mühlhausen, am 23. Langensalza. Von hier
aus .wollte man nach Eisenach Vordringen, stieß aber an der Werra überall
auf Preußen und gab nach kurzem Kampf diese Absicht auf. Am 24. unter¬
nahm man darauf einen Marsch ins Gothaische, begegnete aber auch hier dem
Gegner, dem Regiment des Herzogs von Koburg. An ein wirkliches Erzwingen
des Durchmarsches dachte man nicht, obgleich der Gegner allenthalben nur
schwach war. Der König von Hannover entsandte nun einen Abgeordneten an
das bayerische Hauptquartier in Bamberg, Unterstützung suchend, erhielt aber
den sehr richtigen Bescheid: mit 19,000 Mann könne man sich allein durch¬
schlagen. Der 25. und 26. vergingen in Unterhandlungen mit Preußen, am 27.
wollte man wieder zurückgehen, aber die Preußen hatten unterdessen auch mehr
Truppen herangebracht und General v. Fließ erhielt den Befehl, mit seinen
Truppen, dem 11. Linien-, 20. Landwchrregimcnt und zwei Bataillonen des
25. Regiments, der Landwehr aus den Festungen der Provinz Sachsen, der
Linie von der Division Manteuffel, beide mir der Eisenbahn nach Gotha ge¬
führt, außerdem zwei Schwadronen Landwehr und einer Ausfailbatterie aus
Erfurt und endlich dem Regiment Gotha, den Gegner durch einen Angriff fest¬
zuhalten, um den zur Einschließung der Hannoveraner heranrückenden anderen
Regimentern Zeit zum Anmarsch zu geben.

Am 27. Juni wichen die Hannoveraner dem Anmarsch aus Langensalza
hinter die Unstrut bei Merxleben aus und stellten sich hier sehr vortheilhaft auf.
Die Truppe des General v. Fließ, die circa 8.000 Mann zählte, griff den
Gegner kühn an, wurde jedoch mit blutigen Köpfen abgewiesen. Die Hanno¬
veraner folgten aber nicht, sondern blieben stehen. Dadurch wurde der Zweck
des Angriffs erreicht. General v. Falkenstein brachte seine Truppen heran, schloß
die Hannoveraner von allen Seiten ein und am 29. capitulirte der König.
Nur vollster Mangel an Energie in der hannoverischen Leitung und die Un-
thätigkeit der Bayern von der andern Seite machten es möglich, daß General
v. Falkenstein mit den wenigen Verlusten bei Langensalza s4---800 Mann) die
19.000 Hannoveraner aus der Zahl seiner Feinde streichen konnte. Wenn die
letzteren am 20. Juni statt nach Heiligenstadt u. s. w. auszuweichen, von Got-


Mann bei Göttingen, dem südlichsten Hauptort seines Staates versammelt und
suchte durch Verhandlungen der preußischen Action auszuweichen oder mindestens
Zeit zur Mobilmachung zu gewinnen.

General v. Manteuffel war nach Ablauf der zur Entscheidung gegebnen
Frist von Holstein her. General v. Goben aus Minden mit je einer Division
am 16. Juni in das Königreich eingerückt und dirigirten sich nach Hannover.
Diesem Stoß beschloß der König sich zu entziehen und nach Bayern zu gehen.
Am 20. Juni waren die hannoverschen Truppen einigermaßen marschbereit und
am 21. drangen sie. General Beyer in Kassel vermeidend, in preußisches Gebiet
ein, besetzten Heiligenstadt, am 22. Mühlhausen, am 23. Langensalza. Von hier
aus .wollte man nach Eisenach Vordringen, stieß aber an der Werra überall
auf Preußen und gab nach kurzem Kampf diese Absicht auf. Am 24. unter¬
nahm man darauf einen Marsch ins Gothaische, begegnete aber auch hier dem
Gegner, dem Regiment des Herzogs von Koburg. An ein wirkliches Erzwingen
des Durchmarsches dachte man nicht, obgleich der Gegner allenthalben nur
schwach war. Der König von Hannover entsandte nun einen Abgeordneten an
das bayerische Hauptquartier in Bamberg, Unterstützung suchend, erhielt aber
den sehr richtigen Bescheid: mit 19,000 Mann könne man sich allein durch¬
schlagen. Der 25. und 26. vergingen in Unterhandlungen mit Preußen, am 27.
wollte man wieder zurückgehen, aber die Preußen hatten unterdessen auch mehr
Truppen herangebracht und General v. Fließ erhielt den Befehl, mit seinen
Truppen, dem 11. Linien-, 20. Landwchrregimcnt und zwei Bataillonen des
25. Regiments, der Landwehr aus den Festungen der Provinz Sachsen, der
Linie von der Division Manteuffel, beide mir der Eisenbahn nach Gotha ge¬
führt, außerdem zwei Schwadronen Landwehr und einer Ausfailbatterie aus
Erfurt und endlich dem Regiment Gotha, den Gegner durch einen Angriff fest¬
zuhalten, um den zur Einschließung der Hannoveraner heranrückenden anderen
Regimentern Zeit zum Anmarsch zu geben.

Am 27. Juni wichen die Hannoveraner dem Anmarsch aus Langensalza
hinter die Unstrut bei Merxleben aus und stellten sich hier sehr vortheilhaft auf.
Die Truppe des General v. Fließ, die circa 8.000 Mann zählte, griff den
Gegner kühn an, wurde jedoch mit blutigen Köpfen abgewiesen. Die Hanno¬
veraner folgten aber nicht, sondern blieben stehen. Dadurch wurde der Zweck
des Angriffs erreicht. General v. Falkenstein brachte seine Truppen heran, schloß
die Hannoveraner von allen Seiten ein und am 29. capitulirte der König.
Nur vollster Mangel an Energie in der hannoverischen Leitung und die Un-
thätigkeit der Bayern von der andern Seite machten es möglich, daß General
v. Falkenstein mit den wenigen Verlusten bei Langensalza s4—-800 Mann) die
19.000 Hannoveraner aus der Zahl seiner Feinde streichen konnte. Wenn die
letzteren am 20. Juni statt nach Heiligenstadt u. s. w. auszuweichen, von Got-


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[0414] Mann bei Göttingen, dem südlichsten Hauptort seines Staates versammelt und suchte durch Verhandlungen der preußischen Action auszuweichen oder mindestens Zeit zur Mobilmachung zu gewinnen. General v. Manteuffel war nach Ablauf der zur Entscheidung gegebnen Frist von Holstein her. General v. Goben aus Minden mit je einer Division am 16. Juni in das Königreich eingerückt und dirigirten sich nach Hannover. Diesem Stoß beschloß der König sich zu entziehen und nach Bayern zu gehen. Am 20. Juni waren die hannoverschen Truppen einigermaßen marschbereit und am 21. drangen sie. General Beyer in Kassel vermeidend, in preußisches Gebiet ein, besetzten Heiligenstadt, am 22. Mühlhausen, am 23. Langensalza. Von hier aus .wollte man nach Eisenach Vordringen, stieß aber an der Werra überall auf Preußen und gab nach kurzem Kampf diese Absicht auf. Am 24. unter¬ nahm man darauf einen Marsch ins Gothaische, begegnete aber auch hier dem Gegner, dem Regiment des Herzogs von Koburg. An ein wirkliches Erzwingen des Durchmarsches dachte man nicht, obgleich der Gegner allenthalben nur schwach war. Der König von Hannover entsandte nun einen Abgeordneten an das bayerische Hauptquartier in Bamberg, Unterstützung suchend, erhielt aber den sehr richtigen Bescheid: mit 19,000 Mann könne man sich allein durch¬ schlagen. Der 25. und 26. vergingen in Unterhandlungen mit Preußen, am 27. wollte man wieder zurückgehen, aber die Preußen hatten unterdessen auch mehr Truppen herangebracht und General v. Fließ erhielt den Befehl, mit seinen Truppen, dem 11. Linien-, 20. Landwchrregimcnt und zwei Bataillonen des 25. Regiments, der Landwehr aus den Festungen der Provinz Sachsen, der Linie von der Division Manteuffel, beide mir der Eisenbahn nach Gotha ge¬ führt, außerdem zwei Schwadronen Landwehr und einer Ausfailbatterie aus Erfurt und endlich dem Regiment Gotha, den Gegner durch einen Angriff fest¬ zuhalten, um den zur Einschließung der Hannoveraner heranrückenden anderen Regimentern Zeit zum Anmarsch zu geben. Am 27. Juni wichen die Hannoveraner dem Anmarsch aus Langensalza hinter die Unstrut bei Merxleben aus und stellten sich hier sehr vortheilhaft auf. Die Truppe des General v. Fließ, die circa 8.000 Mann zählte, griff den Gegner kühn an, wurde jedoch mit blutigen Köpfen abgewiesen. Die Hanno¬ veraner folgten aber nicht, sondern blieben stehen. Dadurch wurde der Zweck des Angriffs erreicht. General v. Falkenstein brachte seine Truppen heran, schloß die Hannoveraner von allen Seiten ein und am 29. capitulirte der König. Nur vollster Mangel an Energie in der hannoverischen Leitung und die Un- thätigkeit der Bayern von der andern Seite machten es möglich, daß General v. Falkenstein mit den wenigen Verlusten bei Langensalza s4—-800 Mann) die 19.000 Hannoveraner aus der Zahl seiner Feinde streichen konnte. Wenn die letzteren am 20. Juni statt nach Heiligenstadt u. s. w. auszuweichen, von Got-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/414>, abgerufen am 30.06.2024.