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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Eindruck machte, ist ihm symbolisch geworden: er fühlte sich nicht heimischen
seinem Hause. Das alte Stadtpalais an der Leine, das in der That unwohn¬
lich eingerichtet sein soll und dem ein Flügel fehlt, wurde mit einem Hause am
Friedrichswall vertauscht, in das nachmals der Magistrat der Stadt zog; dann
wechselte die Residenz zwischen der Stadt und dem monotonen Herrenhausen.
Der König, baute gern und beschloß, sich ein stattliches Schloß herzurichten, das
allen Anforderungen seines Monarchenstolzes entsprechen sollte. Ein weitschwei¬
figer kolossaler Bau erwuchs, wo früher das kleine Schloß Mon Brillant stand;
wer die stolze Fa^abe betrachtete, dem mußte auffallen, daß man aus den Fen¬
stern derselben so gut wie gar keine Aussicht hat, wenn nicht ein schönes Stück
der herrlichen nach Herrenhäuser" führenden Allee gefällt würde; in der Wahl
dieses Lokales schien sich der Blinde zu verrathen, und die Lage außerhalb der
Stadt am Wege mahnte an Auszüglergedanken. Die weiten Mauern wuchsen
herauf, aber immer wechselte die Bezeichnung des zukünftigen Schlosses: Mon
Brillant schien zu gering für den Hcrrscherpalast. "Königssitz" sollte er heißen;
aber auch dies wurde aufgegeben, -- man neigte sich dem Titel " Welfenschloß" zu.
Die Kritik des Publikums hatte längst einen bezeichnenderen, wenn auch min¬
der stolzen Namen gesunden: Die "Platt-Menage"; denn wirklich erinnert das
architektonische Arrangement, eine Mischung von romanischen und gothischen
Reminiscenzen, wie sie der König besonders liebte, an jenes bekannte Tischge-
räth, das Pfeffer-, Salz-, Essig- und Oelflasche vereinigt; die schmächtigen
Thürme gaben die Parodie an die Hand. Und wie aus den weiten Sälen,
den endlosen Corridoren, den Höfen und Hallen, welche dem Nitterspiel und
Minnesang und königlichem Prunke jeder Art die Stätte bereiteten, das Heer
der Maurer und Zimmerleute endlich abzog, da zog der König auch von dannen.
Kurz vor dem Kriege ist der Palast vollendet worden, den sein Bauherr nie
bewohnen sollte.

Trotz der barocken apokalyptischen Formen, in welchen König Georg dachte
und sich äußerte, trotz der halsstarrigen Unfehlbarkeit, bei welcher er fortwährend
auf das skandalöseste betrogen wurde, war sein Gemüth edler Regungen fähig;
warme Theilnahme, ja Verständniß für die Künste, die ihm zugänglich waren,
besonders für Musik, ist ihm nicht abzusprechen; -- Züge. die. zusammengehalten
mit der Borsteilung von seiner Königsmission und dem daraus erwachsenen
herausfordernden Hochmuthe seines Regiments, dein Schicksal, das ihm geworden
ist. in der That etwas Tragisches geben.

Beiden königlichen Hoheiten von ehedem, sowohl ihm als dem Kurfürsten
von Hessen, der überdies den Vorzug hatte, seine Rechnung glatt abschließen zu
müssen, dient der dritte im Bund, auf dessen Ausgang wir im Obigen zurück¬
geblickt haben, zur vortheilhafter Folie. Alle menschliche Theilnahme entnimmt
ihr Maß instinctiv von der Energie der guten oder schlechten Kräfte, die einem


Eindruck machte, ist ihm symbolisch geworden: er fühlte sich nicht heimischen
seinem Hause. Das alte Stadtpalais an der Leine, das in der That unwohn¬
lich eingerichtet sein soll und dem ein Flügel fehlt, wurde mit einem Hause am
Friedrichswall vertauscht, in das nachmals der Magistrat der Stadt zog; dann
wechselte die Residenz zwischen der Stadt und dem monotonen Herrenhausen.
Der König, baute gern und beschloß, sich ein stattliches Schloß herzurichten, das
allen Anforderungen seines Monarchenstolzes entsprechen sollte. Ein weitschwei¬
figer kolossaler Bau erwuchs, wo früher das kleine Schloß Mon Brillant stand;
wer die stolze Fa^abe betrachtete, dem mußte auffallen, daß man aus den Fen¬
stern derselben so gut wie gar keine Aussicht hat, wenn nicht ein schönes Stück
der herrlichen nach Herrenhäuser« führenden Allee gefällt würde; in der Wahl
dieses Lokales schien sich der Blinde zu verrathen, und die Lage außerhalb der
Stadt am Wege mahnte an Auszüglergedanken. Die weiten Mauern wuchsen
herauf, aber immer wechselte die Bezeichnung des zukünftigen Schlosses: Mon
Brillant schien zu gering für den Hcrrscherpalast. »Königssitz" sollte er heißen;
aber auch dies wurde aufgegeben, — man neigte sich dem Titel „ Welfenschloß" zu.
Die Kritik des Publikums hatte längst einen bezeichnenderen, wenn auch min¬
der stolzen Namen gesunden: Die „Platt-Menage"; denn wirklich erinnert das
architektonische Arrangement, eine Mischung von romanischen und gothischen
Reminiscenzen, wie sie der König besonders liebte, an jenes bekannte Tischge-
räth, das Pfeffer-, Salz-, Essig- und Oelflasche vereinigt; die schmächtigen
Thürme gaben die Parodie an die Hand. Und wie aus den weiten Sälen,
den endlosen Corridoren, den Höfen und Hallen, welche dem Nitterspiel und
Minnesang und königlichem Prunke jeder Art die Stätte bereiteten, das Heer
der Maurer und Zimmerleute endlich abzog, da zog der König auch von dannen.
Kurz vor dem Kriege ist der Palast vollendet worden, den sein Bauherr nie
bewohnen sollte.

Trotz der barocken apokalyptischen Formen, in welchen König Georg dachte
und sich äußerte, trotz der halsstarrigen Unfehlbarkeit, bei welcher er fortwährend
auf das skandalöseste betrogen wurde, war sein Gemüth edler Regungen fähig;
warme Theilnahme, ja Verständniß für die Künste, die ihm zugänglich waren,
besonders für Musik, ist ihm nicht abzusprechen; — Züge. die. zusammengehalten
mit der Borsteilung von seiner Königsmission und dem daraus erwachsenen
herausfordernden Hochmuthe seines Regiments, dein Schicksal, das ihm geworden
ist. in der That etwas Tragisches geben.

Beiden königlichen Hoheiten von ehedem, sowohl ihm als dem Kurfürsten
von Hessen, der überdies den Vorzug hatte, seine Rechnung glatt abschließen zu
müssen, dient der dritte im Bund, auf dessen Ausgang wir im Obigen zurück¬
geblickt haben, zur vortheilhafter Folie. Alle menschliche Theilnahme entnimmt
ihr Maß instinctiv von der Energie der guten oder schlechten Kräfte, die einem


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[0412] Eindruck machte, ist ihm symbolisch geworden: er fühlte sich nicht heimischen seinem Hause. Das alte Stadtpalais an der Leine, das in der That unwohn¬ lich eingerichtet sein soll und dem ein Flügel fehlt, wurde mit einem Hause am Friedrichswall vertauscht, in das nachmals der Magistrat der Stadt zog; dann wechselte die Residenz zwischen der Stadt und dem monotonen Herrenhausen. Der König, baute gern und beschloß, sich ein stattliches Schloß herzurichten, das allen Anforderungen seines Monarchenstolzes entsprechen sollte. Ein weitschwei¬ figer kolossaler Bau erwuchs, wo früher das kleine Schloß Mon Brillant stand; wer die stolze Fa^abe betrachtete, dem mußte auffallen, daß man aus den Fen¬ stern derselben so gut wie gar keine Aussicht hat, wenn nicht ein schönes Stück der herrlichen nach Herrenhäuser« führenden Allee gefällt würde; in der Wahl dieses Lokales schien sich der Blinde zu verrathen, und die Lage außerhalb der Stadt am Wege mahnte an Auszüglergedanken. Die weiten Mauern wuchsen herauf, aber immer wechselte die Bezeichnung des zukünftigen Schlosses: Mon Brillant schien zu gering für den Hcrrscherpalast. »Königssitz" sollte er heißen; aber auch dies wurde aufgegeben, — man neigte sich dem Titel „ Welfenschloß" zu. Die Kritik des Publikums hatte längst einen bezeichnenderen, wenn auch min¬ der stolzen Namen gesunden: Die „Platt-Menage"; denn wirklich erinnert das architektonische Arrangement, eine Mischung von romanischen und gothischen Reminiscenzen, wie sie der König besonders liebte, an jenes bekannte Tischge- räth, das Pfeffer-, Salz-, Essig- und Oelflasche vereinigt; die schmächtigen Thürme gaben die Parodie an die Hand. Und wie aus den weiten Sälen, den endlosen Corridoren, den Höfen und Hallen, welche dem Nitterspiel und Minnesang und königlichem Prunke jeder Art die Stätte bereiteten, das Heer der Maurer und Zimmerleute endlich abzog, da zog der König auch von dannen. Kurz vor dem Kriege ist der Palast vollendet worden, den sein Bauherr nie bewohnen sollte. Trotz der barocken apokalyptischen Formen, in welchen König Georg dachte und sich äußerte, trotz der halsstarrigen Unfehlbarkeit, bei welcher er fortwährend auf das skandalöseste betrogen wurde, war sein Gemüth edler Regungen fähig; warme Theilnahme, ja Verständniß für die Künste, die ihm zugänglich waren, besonders für Musik, ist ihm nicht abzusprechen; — Züge. die. zusammengehalten mit der Borsteilung von seiner Königsmission und dem daraus erwachsenen herausfordernden Hochmuthe seines Regiments, dein Schicksal, das ihm geworden ist. in der That etwas Tragisches geben. Beiden königlichen Hoheiten von ehedem, sowohl ihm als dem Kurfürsten von Hessen, der überdies den Vorzug hatte, seine Rechnung glatt abschließen zu müssen, dient der dritte im Bund, auf dessen Ausgang wir im Obigen zurück¬ geblickt haben, zur vortheilhafter Folie. Alle menschliche Theilnahme entnimmt ihr Maß instinctiv von der Energie der guten oder schlechten Kräfte, die einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/412>, abgerufen am 30.06.2024.