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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Nachmittags die Auflösung. Am 14. Juli siegten die Preußen bei Aschaffenburg.
Am 18. Juli entfloh der Herzog.

Von allen den im vorigen Aussatz aufgezählten neun, oder wenn man
den Herzog hinzurechnet zehn Generalen--von welchen allerdings einige durch
Alter oder Krankheit verhindert waren, wie z. B. Hergenhahn, der schon die
Kriege von 1810 bis 1815 mitgefochten --, war nur einer im Feld, der
weiland carliflische General Roth. Und ihn traf das Unglück, mitten im Feld-
zug vom Herzog auf Urlaub in die Schweiz geschickt zu werden. Sogar dieses
Muster altcastilischer Ritterschaft und correcter legitimistischer Gesinnung -- zu¬
dem ein Schwabe von Geburt! -- galt plötzlich als verdächtig. Gewiß mit
Unrecht. Er machte ohne Zweifel die Sache so gut als er konnte; und daß
man ihn an eine Stelle gestellt hatte, wohin er nicht gehörte, daran war er
nicht schuld, sondern die Leute, welche glaubten, daß wirklicher oder simulirter
Parteifanatismus im Stande sei, für den Mangel technischer Erfordernisse aus¬
zukommen.

Ueber den Verlauf des "Feldzugs" will ich schweigen. Als er zu Ende
und das nassauische Contingent gezwungen war, von Günzburg am südlichen
Ufer der Donau, wo es cantonnirte, in die mittlerweile preußisch gewordene
Heimath zurückzukehren, entband der Herzog die Offiziere des Fahneneids. Er
hoffte indeß und sprach auch, wie wir hören, diese Hoffnung aus, es werde
trotzdem keiner seiner Getreuen unter dem König von Preußen fortdienen; denn es
war den Offizieren freigestellt, Pension zu verlangen nach dem bisherigen nassaui¬
schen Pensionsgesetz, das ebenso wie das Besoldungsgesetz sehr freigebig ist,
namentlich für die unteren Chargen. Der Herzog irrte sich; die meisten dienten
fort. Der weiland Kriegsherr stiftete für Offiziere und Mannschaft, für alle, die
mitretinrt waren, eine Erinnerungsmedaille, welche an einem gelben Bande auf
der Brust getragen wird; und da ein erfahrener Offizier versicherte, daß plan¬
lose Bewegungen und forcirte Nückzugsmärsche die Truppen noch weit mehr
strapaziren als ein wirklicher Feldzug mit Bataillen. so war dieses Symbol, das
er mit dem unschönen Namen "Lauf-Orden" belegte, insofern wohlverdient und
mag für manchen braven Burschen in der That ein Ehrenzeichen sein.

Gegenwärtig verweilt der Herzog nebst Gemahlin und Prinzen in dem
schon mehrfach erwähnten Schlößchen Rumpenheim. Am 4. November 1866
verabschiedete er sich dort, wie Eingangs gemeldet, von seinen "treu gebliebenen"
Offizieren, d. h. von denjenigen, welche um die -- nach nassauischem Gesetz nahe
an den Activgehalt reichende -- Pension nachgesucht haben, weil sie aus Rück¬
sichten auf ihr Alter oder sonstige Umstände sich in die neuen Dienstverhältnisse
nicht schicken können oder wollen. Diese Offiziere, dreizehn an der Zahl, geführt
von dem vormaligen Kriegsminister General v. Holbach, welcher während des
Feldzugs mit dem Depot in der Festung Mainz lag und von dem Tour de


Nachmittags die Auflösung. Am 14. Juli siegten die Preußen bei Aschaffenburg.
Am 18. Juli entfloh der Herzog.

Von allen den im vorigen Aussatz aufgezählten neun, oder wenn man
den Herzog hinzurechnet zehn Generalen—von welchen allerdings einige durch
Alter oder Krankheit verhindert waren, wie z. B. Hergenhahn, der schon die
Kriege von 1810 bis 1815 mitgefochten —, war nur einer im Feld, der
weiland carliflische General Roth. Und ihn traf das Unglück, mitten im Feld-
zug vom Herzog auf Urlaub in die Schweiz geschickt zu werden. Sogar dieses
Muster altcastilischer Ritterschaft und correcter legitimistischer Gesinnung — zu¬
dem ein Schwabe von Geburt! — galt plötzlich als verdächtig. Gewiß mit
Unrecht. Er machte ohne Zweifel die Sache so gut als er konnte; und daß
man ihn an eine Stelle gestellt hatte, wohin er nicht gehörte, daran war er
nicht schuld, sondern die Leute, welche glaubten, daß wirklicher oder simulirter
Parteifanatismus im Stande sei, für den Mangel technischer Erfordernisse aus¬
zukommen.

Ueber den Verlauf des „Feldzugs" will ich schweigen. Als er zu Ende
und das nassauische Contingent gezwungen war, von Günzburg am südlichen
Ufer der Donau, wo es cantonnirte, in die mittlerweile preußisch gewordene
Heimath zurückzukehren, entband der Herzog die Offiziere des Fahneneids. Er
hoffte indeß und sprach auch, wie wir hören, diese Hoffnung aus, es werde
trotzdem keiner seiner Getreuen unter dem König von Preußen fortdienen; denn es
war den Offizieren freigestellt, Pension zu verlangen nach dem bisherigen nassaui¬
schen Pensionsgesetz, das ebenso wie das Besoldungsgesetz sehr freigebig ist,
namentlich für die unteren Chargen. Der Herzog irrte sich; die meisten dienten
fort. Der weiland Kriegsherr stiftete für Offiziere und Mannschaft, für alle, die
mitretinrt waren, eine Erinnerungsmedaille, welche an einem gelben Bande auf
der Brust getragen wird; und da ein erfahrener Offizier versicherte, daß plan¬
lose Bewegungen und forcirte Nückzugsmärsche die Truppen noch weit mehr
strapaziren als ein wirklicher Feldzug mit Bataillen. so war dieses Symbol, das
er mit dem unschönen Namen „Lauf-Orden" belegte, insofern wohlverdient und
mag für manchen braven Burschen in der That ein Ehrenzeichen sein.

Gegenwärtig verweilt der Herzog nebst Gemahlin und Prinzen in dem
schon mehrfach erwähnten Schlößchen Rumpenheim. Am 4. November 1866
verabschiedete er sich dort, wie Eingangs gemeldet, von seinen „treu gebliebenen"
Offizieren, d. h. von denjenigen, welche um die — nach nassauischem Gesetz nahe
an den Activgehalt reichende — Pension nachgesucht haben, weil sie aus Rück¬
sichten auf ihr Alter oder sonstige Umstände sich in die neuen Dienstverhältnisse
nicht schicken können oder wollen. Diese Offiziere, dreizehn an der Zahl, geführt
von dem vormaligen Kriegsminister General v. Holbach, welcher während des
Feldzugs mit dem Depot in der Festung Mainz lag und von dem Tour de


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[0408] Nachmittags die Auflösung. Am 14. Juli siegten die Preußen bei Aschaffenburg. Am 18. Juli entfloh der Herzog. Von allen den im vorigen Aussatz aufgezählten neun, oder wenn man den Herzog hinzurechnet zehn Generalen—von welchen allerdings einige durch Alter oder Krankheit verhindert waren, wie z. B. Hergenhahn, der schon die Kriege von 1810 bis 1815 mitgefochten —, war nur einer im Feld, der weiland carliflische General Roth. Und ihn traf das Unglück, mitten im Feld- zug vom Herzog auf Urlaub in die Schweiz geschickt zu werden. Sogar dieses Muster altcastilischer Ritterschaft und correcter legitimistischer Gesinnung — zu¬ dem ein Schwabe von Geburt! — galt plötzlich als verdächtig. Gewiß mit Unrecht. Er machte ohne Zweifel die Sache so gut als er konnte; und daß man ihn an eine Stelle gestellt hatte, wohin er nicht gehörte, daran war er nicht schuld, sondern die Leute, welche glaubten, daß wirklicher oder simulirter Parteifanatismus im Stande sei, für den Mangel technischer Erfordernisse aus¬ zukommen. Ueber den Verlauf des „Feldzugs" will ich schweigen. Als er zu Ende und das nassauische Contingent gezwungen war, von Günzburg am südlichen Ufer der Donau, wo es cantonnirte, in die mittlerweile preußisch gewordene Heimath zurückzukehren, entband der Herzog die Offiziere des Fahneneids. Er hoffte indeß und sprach auch, wie wir hören, diese Hoffnung aus, es werde trotzdem keiner seiner Getreuen unter dem König von Preußen fortdienen; denn es war den Offizieren freigestellt, Pension zu verlangen nach dem bisherigen nassaui¬ schen Pensionsgesetz, das ebenso wie das Besoldungsgesetz sehr freigebig ist, namentlich für die unteren Chargen. Der Herzog irrte sich; die meisten dienten fort. Der weiland Kriegsherr stiftete für Offiziere und Mannschaft, für alle, die mitretinrt waren, eine Erinnerungsmedaille, welche an einem gelben Bande auf der Brust getragen wird; und da ein erfahrener Offizier versicherte, daß plan¬ lose Bewegungen und forcirte Nückzugsmärsche die Truppen noch weit mehr strapaziren als ein wirklicher Feldzug mit Bataillen. so war dieses Symbol, das er mit dem unschönen Namen „Lauf-Orden" belegte, insofern wohlverdient und mag für manchen braven Burschen in der That ein Ehrenzeichen sein. Gegenwärtig verweilt der Herzog nebst Gemahlin und Prinzen in dem schon mehrfach erwähnten Schlößchen Rumpenheim. Am 4. November 1866 verabschiedete er sich dort, wie Eingangs gemeldet, von seinen „treu gebliebenen" Offizieren, d. h. von denjenigen, welche um die — nach nassauischem Gesetz nahe an den Activgehalt reichende — Pension nachgesucht haben, weil sie aus Rück¬ sichten auf ihr Alter oder sonstige Umstände sich in die neuen Dienstverhältnisse nicht schicken können oder wollen. Diese Offiziere, dreizehn an der Zahl, geführt von dem vormaligen Kriegsminister General v. Holbach, welcher während des Feldzugs mit dem Depot in der Festung Mainz lag und von dem Tour de

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/408>, abgerufen am 04.07.2024.