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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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ihm (Adolph) in den Jahren 1848 und 1849. Nun ist dem Prinzen die
Herzogswürde allerdings leicht gemacht, und das Wort vom 23. April 1852
hat vierzehn Jahre spater eine verhängnißvolle Bedeutung gewonnen. Die
Krone wurde verscherzt ganz allein durch die Mittel, durch welche man sie zu
befestigen trachtete. Weil man Preußen fürchtete und haßte, beleidigte man es
so, daß es moralisch und politisch gezwungen war, zu annectiren. Weil man
das Mediatisirtwerden vor Augen sah, suchte man möglichst viel heimzubringen,
besonders indem man die Staatsdomänen in Privateigenthum zu verwandeln
trachtete; aber bevor dies gelungen war, führte man die Annectirung her¬
bei und zwar grade dadurch, daß sich die Dynastie mit dem Lande in einen
funfzigjährigen erbitterten Streit über Mein und Dein verwickelte und durch
den bösen Geist des Fiscal-, Monopol- und Privilegienwesens in der Domäne¬
verwaltung die wirthschaftlichen Interessen der Bevölkerung fortwährend so ver¬
letzte, daß man meinen konnte, die Negierung habe es darauf abgesehen, dem
Lande einzupredigen, daß sein Wohl und das der Dynastie nicht identisch
seien. Trost im häuslichen Hader wurde bei einem aus der Fremde herbei¬
eilenden fahrenden Adel gesucht, der nur den unseligen Riß zu erweitern wußte
und Stütze hoffte man, indem man alles, was von Besitz und Intelligenz im
Lande war, geflissentlich vor den Kopf stieß, von der bewaffneten Macht, die,
an sich schon vermöge ihrer geringen Zahl unerheblich, im entscheidenden Augen¬
blicke nicht wie ein thönerner Riese, wohl aber wie ein thönerner Zwerg zu¬
sammenbrach. So modern auch sonst das Gebahren war. das Verhängniß
desselben war exemplarisch antik: durch solches Entrinnen eilte man dem Fatum
mit Hast entgegen.

Als der Stich der Kriegstarantel seine Wirkungen zu äußern begann, ließen
die Landstände, welche der irregeleitete Herzog für seine Feinde hielt, ihre war¬
nende Stimme erschallen. Vergebens!" "Die kleinen Regierungen in Deutschland
können sich nicht dadurch erhalten, daß sie der Bevölkerung Ruhmesglanz und
Sicgeslvrbeeren in Aussicht stellen. Militärstaaten oder kriegsfähige Großmächte
werden diese kleinen Länder niemals. Darum sollten sie. statt durch Kriegsruhm
glänzen zu wollen, es vorziehen. Begründer der bürgerlichen und wirthschaft¬
lichen Freiheit. Pfleger der Cultur, der Wohlfahrt, des Friedens zu sein. Wenn
sie dies thun, werden sich die kleinen Regierungen erhalten. Wenn nicht --
nicht!" ......

Während Braun dies im Ständesaal aussprach, saß der Herzog in dem
an denselben anstoßenden Zimmer seines Ministers, des Prinzen Wittgenstein.
Er konnte hören, was dort geredet wurde. Seine Antwort war, daß er noch
an demselben Tage die Ständeversammlung auflöste. Er warf seine Krone mit
eigener Hand in des Krieges gähnenden Schlund, und sie ist verschwunden.
Das Verhältniß der Regierung Seiner Hoheit zu den Landständen charakterisut


ihm (Adolph) in den Jahren 1848 und 1849. Nun ist dem Prinzen die
Herzogswürde allerdings leicht gemacht, und das Wort vom 23. April 1852
hat vierzehn Jahre spater eine verhängnißvolle Bedeutung gewonnen. Die
Krone wurde verscherzt ganz allein durch die Mittel, durch welche man sie zu
befestigen trachtete. Weil man Preußen fürchtete und haßte, beleidigte man es
so, daß es moralisch und politisch gezwungen war, zu annectiren. Weil man
das Mediatisirtwerden vor Augen sah, suchte man möglichst viel heimzubringen,
besonders indem man die Staatsdomänen in Privateigenthum zu verwandeln
trachtete; aber bevor dies gelungen war, führte man die Annectirung her¬
bei und zwar grade dadurch, daß sich die Dynastie mit dem Lande in einen
funfzigjährigen erbitterten Streit über Mein und Dein verwickelte und durch
den bösen Geist des Fiscal-, Monopol- und Privilegienwesens in der Domäne¬
verwaltung die wirthschaftlichen Interessen der Bevölkerung fortwährend so ver¬
letzte, daß man meinen konnte, die Negierung habe es darauf abgesehen, dem
Lande einzupredigen, daß sein Wohl und das der Dynastie nicht identisch
seien. Trost im häuslichen Hader wurde bei einem aus der Fremde herbei¬
eilenden fahrenden Adel gesucht, der nur den unseligen Riß zu erweitern wußte
und Stütze hoffte man, indem man alles, was von Besitz und Intelligenz im
Lande war, geflissentlich vor den Kopf stieß, von der bewaffneten Macht, die,
an sich schon vermöge ihrer geringen Zahl unerheblich, im entscheidenden Augen¬
blicke nicht wie ein thönerner Riese, wohl aber wie ein thönerner Zwerg zu¬
sammenbrach. So modern auch sonst das Gebahren war. das Verhängniß
desselben war exemplarisch antik: durch solches Entrinnen eilte man dem Fatum
mit Hast entgegen.

Als der Stich der Kriegstarantel seine Wirkungen zu äußern begann, ließen
die Landstände, welche der irregeleitete Herzog für seine Feinde hielt, ihre war¬
nende Stimme erschallen. Vergebens!" „Die kleinen Regierungen in Deutschland
können sich nicht dadurch erhalten, daß sie der Bevölkerung Ruhmesglanz und
Sicgeslvrbeeren in Aussicht stellen. Militärstaaten oder kriegsfähige Großmächte
werden diese kleinen Länder niemals. Darum sollten sie. statt durch Kriegsruhm
glänzen zu wollen, es vorziehen. Begründer der bürgerlichen und wirthschaft¬
lichen Freiheit. Pfleger der Cultur, der Wohlfahrt, des Friedens zu sein. Wenn
sie dies thun, werden sich die kleinen Regierungen erhalten. Wenn nicht —
nicht!" ......

Während Braun dies im Ständesaal aussprach, saß der Herzog in dem
an denselben anstoßenden Zimmer seines Ministers, des Prinzen Wittgenstein.
Er konnte hören, was dort geredet wurde. Seine Antwort war, daß er noch
an demselben Tage die Ständeversammlung auflöste. Er warf seine Krone mit
eigener Hand in des Krieges gähnenden Schlund, und sie ist verschwunden.
Das Verhältniß der Regierung Seiner Hoheit zu den Landständen charakterisut


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/404>, abgerufen am 02.07.2024.