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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Korporationen zu gründen sowie Erbschaften und Grundeigenthum für die
todte Hand zu erwerben, Schulen und Besserungsanstalten ohne Staatsaufsicht
zu stiften und zu leiten u. f. w. Das Verlangen der Protestanten nach einer
repräsentativen Verfassung wies der Landesherr, welcher die an ihn entsandte
Deputation -- die dampfende Cigarre im Mund und von einigen Jagdhunden
umgeben -- empfing, unter schärfster Betonung seiner Rechte als summus
oxiseoxus ab.

Niemals hat ein Fürst so sehr die Ueberzeugung gehabt, daß er selbst, daß
er allein, und daß er alles regiere; und schwerlich ist einer in einem höheren Grade
und in einem weiteren Umfange von seiner nächsten Umgebung abhängig ge¬
wesen. Herzog Adolph kümmerte sich um alle Personale bis auf die Anstellung
jedes Polizeidieners und Weichenstellers an der Staatsbahn. Selbst auf den
unwirthlichen Höfen des Westerwaldes dürfte ein Wegknccht, welcher im Winter
die Landstraßen durch Schneeschöpfen possirbar zu halten hatte, nicht ohne aller¬
höchste Sanction des Landesherrn angestellt werden. Insofern konnte der Herzog
allerdings sagen: "I/6we, o'est moi!"

Um das, was die Landstände sprachen, kümmerte er sich wenig, und von
allen den Wünschen und Anträgen, welche sie stellten, geschah während der
letzten Jahre nichts, zuweilen auch das Gegentheil. Pflichteifrige Chefs und
Mitglieder der Ccntralstellcn waren der Gegenstand des Gespöttes der Hofbe¬
diensteten. Um mit jenen pflichttreuen Staatsbeamten, jenen sogenannten
"Pedanten des Rechts und der Ordnung" oder "schweinsledernen Corpus Juris"
möglichst wenig in Berührung zu kommen, hatte man gleich einem Puffer, dem
Sicherheitspolster, welches den Zusammenstoß der Eisenbahnwaggons mildert --
einen alten Cavalier zwischen den Hof und den Staatsdienst geschoben. Der mehr
als siebenzigjährige Hessen-darmstädtische Cavaleriegeneral Prinz August von
Wittgenstein war zum alleinigen dirigirenden Staatsminister gemacht und da¬
durch die bisherigen Departementsvorstände zu einfachen Schreibstubenchefs
heruntergedrückt. Der genannte Cavaleriegeneral dirigirte nicht nur die Militari",
sondern auch die Justiz, die geistlichen, landwirthschaftlichen und Medicinal¬
angelegenheiten, das Innere, den Handel, die Industrie, die Finanzen -- kurz
alles. Es darf indeß nicht unbemerkt bleiben, daß dieser Chef der Gesammt-
Verwaltung Nassaus auch längere Zeit in einer diplomatischen Mission an dem
russischen Hofe verweilte und auch unter dem Erzherzog-Reichsverweser in Ge¬
meinschaft mit dem preußischen Appellationsgerichtsrath Grävell und dem tür¬
kischen Pascha Jochmus Reichsminister gewesen ist. Seine Laufbahn schloß er
als nassauischer Gesandter an dem Numpfbundestag zu Augsburg in den "drei
Mohren", also daß er der letzte Minister des Reichs, der letzte Minister des
Heizoglhums und der letzte Gesandte des Bundes in einer Person war.

Uebrigens stand der Prinz auf einer etwas höheren Stufe als die Durch-


Korporationen zu gründen sowie Erbschaften und Grundeigenthum für die
todte Hand zu erwerben, Schulen und Besserungsanstalten ohne Staatsaufsicht
zu stiften und zu leiten u. f. w. Das Verlangen der Protestanten nach einer
repräsentativen Verfassung wies der Landesherr, welcher die an ihn entsandte
Deputation — die dampfende Cigarre im Mund und von einigen Jagdhunden
umgeben — empfing, unter schärfster Betonung seiner Rechte als summus
oxiseoxus ab.

Niemals hat ein Fürst so sehr die Ueberzeugung gehabt, daß er selbst, daß
er allein, und daß er alles regiere; und schwerlich ist einer in einem höheren Grade
und in einem weiteren Umfange von seiner nächsten Umgebung abhängig ge¬
wesen. Herzog Adolph kümmerte sich um alle Personale bis auf die Anstellung
jedes Polizeidieners und Weichenstellers an der Staatsbahn. Selbst auf den
unwirthlichen Höfen des Westerwaldes dürfte ein Wegknccht, welcher im Winter
die Landstraßen durch Schneeschöpfen possirbar zu halten hatte, nicht ohne aller¬
höchste Sanction des Landesherrn angestellt werden. Insofern konnte der Herzog
allerdings sagen: „I/6we, o'est moi!"

Um das, was die Landstände sprachen, kümmerte er sich wenig, und von
allen den Wünschen und Anträgen, welche sie stellten, geschah während der
letzten Jahre nichts, zuweilen auch das Gegentheil. Pflichteifrige Chefs und
Mitglieder der Ccntralstellcn waren der Gegenstand des Gespöttes der Hofbe¬
diensteten. Um mit jenen pflichttreuen Staatsbeamten, jenen sogenannten
„Pedanten des Rechts und der Ordnung" oder „schweinsledernen Corpus Juris"
möglichst wenig in Berührung zu kommen, hatte man gleich einem Puffer, dem
Sicherheitspolster, welches den Zusammenstoß der Eisenbahnwaggons mildert —
einen alten Cavalier zwischen den Hof und den Staatsdienst geschoben. Der mehr
als siebenzigjährige Hessen-darmstädtische Cavaleriegeneral Prinz August von
Wittgenstein war zum alleinigen dirigirenden Staatsminister gemacht und da¬
durch die bisherigen Departementsvorstände zu einfachen Schreibstubenchefs
heruntergedrückt. Der genannte Cavaleriegeneral dirigirte nicht nur die Militari«,
sondern auch die Justiz, die geistlichen, landwirthschaftlichen und Medicinal¬
angelegenheiten, das Innere, den Handel, die Industrie, die Finanzen — kurz
alles. Es darf indeß nicht unbemerkt bleiben, daß dieser Chef der Gesammt-
Verwaltung Nassaus auch längere Zeit in einer diplomatischen Mission an dem
russischen Hofe verweilte und auch unter dem Erzherzog-Reichsverweser in Ge¬
meinschaft mit dem preußischen Appellationsgerichtsrath Grävell und dem tür¬
kischen Pascha Jochmus Reichsminister gewesen ist. Seine Laufbahn schloß er
als nassauischer Gesandter an dem Numpfbundestag zu Augsburg in den „drei
Mohren", also daß er der letzte Minister des Reichs, der letzte Minister des
Heizoglhums und der letzte Gesandte des Bundes in einer Person war.

Uebrigens stand der Prinz auf einer etwas höheren Stufe als die Durch-


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[0352] Korporationen zu gründen sowie Erbschaften und Grundeigenthum für die todte Hand zu erwerben, Schulen und Besserungsanstalten ohne Staatsaufsicht zu stiften und zu leiten u. f. w. Das Verlangen der Protestanten nach einer repräsentativen Verfassung wies der Landesherr, welcher die an ihn entsandte Deputation — die dampfende Cigarre im Mund und von einigen Jagdhunden umgeben — empfing, unter schärfster Betonung seiner Rechte als summus oxiseoxus ab. Niemals hat ein Fürst so sehr die Ueberzeugung gehabt, daß er selbst, daß er allein, und daß er alles regiere; und schwerlich ist einer in einem höheren Grade und in einem weiteren Umfange von seiner nächsten Umgebung abhängig ge¬ wesen. Herzog Adolph kümmerte sich um alle Personale bis auf die Anstellung jedes Polizeidieners und Weichenstellers an der Staatsbahn. Selbst auf den unwirthlichen Höfen des Westerwaldes dürfte ein Wegknccht, welcher im Winter die Landstraßen durch Schneeschöpfen possirbar zu halten hatte, nicht ohne aller¬ höchste Sanction des Landesherrn angestellt werden. Insofern konnte der Herzog allerdings sagen: „I/6we, o'est moi!" Um das, was die Landstände sprachen, kümmerte er sich wenig, und von allen den Wünschen und Anträgen, welche sie stellten, geschah während der letzten Jahre nichts, zuweilen auch das Gegentheil. Pflichteifrige Chefs und Mitglieder der Ccntralstellcn waren der Gegenstand des Gespöttes der Hofbe¬ diensteten. Um mit jenen pflichttreuen Staatsbeamten, jenen sogenannten „Pedanten des Rechts und der Ordnung" oder „schweinsledernen Corpus Juris" möglichst wenig in Berührung zu kommen, hatte man gleich einem Puffer, dem Sicherheitspolster, welches den Zusammenstoß der Eisenbahnwaggons mildert — einen alten Cavalier zwischen den Hof und den Staatsdienst geschoben. Der mehr als siebenzigjährige Hessen-darmstädtische Cavaleriegeneral Prinz August von Wittgenstein war zum alleinigen dirigirenden Staatsminister gemacht und da¬ durch die bisherigen Departementsvorstände zu einfachen Schreibstubenchefs heruntergedrückt. Der genannte Cavaleriegeneral dirigirte nicht nur die Militari«, sondern auch die Justiz, die geistlichen, landwirthschaftlichen und Medicinal¬ angelegenheiten, das Innere, den Handel, die Industrie, die Finanzen — kurz alles. Es darf indeß nicht unbemerkt bleiben, daß dieser Chef der Gesammt- Verwaltung Nassaus auch längere Zeit in einer diplomatischen Mission an dem russischen Hofe verweilte und auch unter dem Erzherzog-Reichsverweser in Ge¬ meinschaft mit dem preußischen Appellationsgerichtsrath Grävell und dem tür¬ kischen Pascha Jochmus Reichsminister gewesen ist. Seine Laufbahn schloß er als nassauischer Gesandter an dem Numpfbundestag zu Augsburg in den „drei Mohren", also daß er der letzte Minister des Reichs, der letzte Minister des Heizoglhums und der letzte Gesandte des Bundes in einer Person war. Uebrigens stand der Prinz auf einer etwas höheren Stufe als die Durch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/352>, abgerufen am 04.07.2024.