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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Wild zuvor einmal bis auf den Stumpf abgefressen habe. Herzog Adolph
glaubte seinem Leibliteraten, den ihm der k. k. Ministerialrath Max v. Gagern
von Wien geschickt hatte, mehr als seinem Land und seinen Landständen --
und dank der Fürsorge des Oberjägermeisters konnte man auf einer Treibjagd
700 Stück Wild erlegen in Gegenden, welche 7,000 Menschen per Quadrat¬
meile durch Landwirthschaft ernähren mußten.

Gleiche Nachtheile wie die Acmtercumulation, namentlich die Vereinigung
von widerstrebenden Hof- und Staatsämtern in einer Person, hatte die Cumu-
lation von Staats- und von Civillistegehalten. Die verhältnißmäßig sehr hohe
Civilliste -- sie betrug per Kopf der Bevölkerung mehr als einen Gulden --,
welche, obgleich der Herzog Adolph für seine Person, außer einer feinen Cigarre,
fast kein Luxusbedürfniß hatte, stets in Finanznöthen war infolge der un¬
gemessenen Ansprüche der "Getreuen"*), fühlte das Bedürfniß, auf die Staats¬
kasse abzuwälzen; und so kam es, daß die Negierung immer höhere Gehalte und
immer neue Stellen und Sinecuren bei dem Landtag verlangte, damit sie Leute,
die der Civilliste zur Last sielen, mit ihrem Gehalt von deren Etat ganz oder
theilweise auf denjenigen der Landessteuerkasse transferiren und statt Leute für
Stellen, Stellen für Leute acquiriren könne. Die Landstände aber fingen end¬
lich an, das Manöver zu durchschauen und- setzten solchen Anforderungen den
hartnäckigsten Widerstand entgegen; das machte natürlich sehr böses Blut und
jede derartige Weigerung wurde von den Stellen- und Besoldungsjägern, wel¬
chen dadurch die schon im Sichern geglaubte Beute entging, dem Herzog Adolph
als eine übermüthige Renitenz rebellirender Landstände dargestellt und von ihm
als eine persönliche Beleidigung aufgenommen. Daß infolge dessen Dinge und
Personen auf dem engen Raume eines Ländchens von achtzig Quadratmeilen
hart widereinanderstießen, ist begreiflich. Nirgends sind so zahlreiche und so
kleinliche Mißhandlungen aller derer vorgekommen, welche nicht mit der regie¬
renden Hofdienerschaft in ein Horn bliesen und nicht als Treiber dienen wollten,
um derselben fette Hasen in die Küche zu jagen.

Und doch hatte der Herzog Adolph von Haus aus ein gutes Herz und
einen ritterlichen Charakter. Allein die regierende Hofdienerschaft wußte seines
Herzens Güte, um sie für sich und nur für sich auszubeuten, dem Lande zu
entfremden und dem Herzog einzureden, es sei "ritterlich", wenn man sich mit
den unabänderlichen göttlichen Gesetzen des Fortschrittes der menschlichen Cultur
in einen hartnäckigen und erbitterten Widerspruch setze und es stets bis zum
Biegen oder Brechen treibe.



") Allein der von Herrn v. Breidboch verwaltete Stall, der nie schöne Pferde aufzuweisen
hatte und oft die Unterstützung der Post ansprechen mußte, kostete jährlich 120,000 Gulden,
und das von Herrn v. Bose verwaltete Theater, obgleich klein und mittelmäßig, bezog an
100,000 Gulden virecte und indirecte Subvention.
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Wild zuvor einmal bis auf den Stumpf abgefressen habe. Herzog Adolph
glaubte seinem Leibliteraten, den ihm der k. k. Ministerialrath Max v. Gagern
von Wien geschickt hatte, mehr als seinem Land und seinen Landständen —
und dank der Fürsorge des Oberjägermeisters konnte man auf einer Treibjagd
700 Stück Wild erlegen in Gegenden, welche 7,000 Menschen per Quadrat¬
meile durch Landwirthschaft ernähren mußten.

Gleiche Nachtheile wie die Acmtercumulation, namentlich die Vereinigung
von widerstrebenden Hof- und Staatsämtern in einer Person, hatte die Cumu-
lation von Staats- und von Civillistegehalten. Die verhältnißmäßig sehr hohe
Civilliste — sie betrug per Kopf der Bevölkerung mehr als einen Gulden —,
welche, obgleich der Herzog Adolph für seine Person, außer einer feinen Cigarre,
fast kein Luxusbedürfniß hatte, stets in Finanznöthen war infolge der un¬
gemessenen Ansprüche der „Getreuen"*), fühlte das Bedürfniß, auf die Staats¬
kasse abzuwälzen; und so kam es, daß die Negierung immer höhere Gehalte und
immer neue Stellen und Sinecuren bei dem Landtag verlangte, damit sie Leute,
die der Civilliste zur Last sielen, mit ihrem Gehalt von deren Etat ganz oder
theilweise auf denjenigen der Landessteuerkasse transferiren und statt Leute für
Stellen, Stellen für Leute acquiriren könne. Die Landstände aber fingen end¬
lich an, das Manöver zu durchschauen und- setzten solchen Anforderungen den
hartnäckigsten Widerstand entgegen; das machte natürlich sehr böses Blut und
jede derartige Weigerung wurde von den Stellen- und Besoldungsjägern, wel¬
chen dadurch die schon im Sichern geglaubte Beute entging, dem Herzog Adolph
als eine übermüthige Renitenz rebellirender Landstände dargestellt und von ihm
als eine persönliche Beleidigung aufgenommen. Daß infolge dessen Dinge und
Personen auf dem engen Raume eines Ländchens von achtzig Quadratmeilen
hart widereinanderstießen, ist begreiflich. Nirgends sind so zahlreiche und so
kleinliche Mißhandlungen aller derer vorgekommen, welche nicht mit der regie¬
renden Hofdienerschaft in ein Horn bliesen und nicht als Treiber dienen wollten,
um derselben fette Hasen in die Küche zu jagen.

Und doch hatte der Herzog Adolph von Haus aus ein gutes Herz und
einen ritterlichen Charakter. Allein die regierende Hofdienerschaft wußte seines
Herzens Güte, um sie für sich und nur für sich auszubeuten, dem Lande zu
entfremden und dem Herzog einzureden, es sei „ritterlich", wenn man sich mit
den unabänderlichen göttlichen Gesetzen des Fortschrittes der menschlichen Cultur
in einen hartnäckigen und erbitterten Widerspruch setze und es stets bis zum
Biegen oder Brechen treibe.



") Allein der von Herrn v. Breidboch verwaltete Stall, der nie schöne Pferde aufzuweisen
hatte und oft die Unterstützung der Post ansprechen mußte, kostete jährlich 120,000 Gulden,
und das von Herrn v. Bose verwaltete Theater, obgleich klein und mittelmäßig, bezog an
100,000 Gulden virecte und indirecte Subvention.
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[0349] Wild zuvor einmal bis auf den Stumpf abgefressen habe. Herzog Adolph glaubte seinem Leibliteraten, den ihm der k. k. Ministerialrath Max v. Gagern von Wien geschickt hatte, mehr als seinem Land und seinen Landständen — und dank der Fürsorge des Oberjägermeisters konnte man auf einer Treibjagd 700 Stück Wild erlegen in Gegenden, welche 7,000 Menschen per Quadrat¬ meile durch Landwirthschaft ernähren mußten. Gleiche Nachtheile wie die Acmtercumulation, namentlich die Vereinigung von widerstrebenden Hof- und Staatsämtern in einer Person, hatte die Cumu- lation von Staats- und von Civillistegehalten. Die verhältnißmäßig sehr hohe Civilliste — sie betrug per Kopf der Bevölkerung mehr als einen Gulden —, welche, obgleich der Herzog Adolph für seine Person, außer einer feinen Cigarre, fast kein Luxusbedürfniß hatte, stets in Finanznöthen war infolge der un¬ gemessenen Ansprüche der „Getreuen"*), fühlte das Bedürfniß, auf die Staats¬ kasse abzuwälzen; und so kam es, daß die Negierung immer höhere Gehalte und immer neue Stellen und Sinecuren bei dem Landtag verlangte, damit sie Leute, die der Civilliste zur Last sielen, mit ihrem Gehalt von deren Etat ganz oder theilweise auf denjenigen der Landessteuerkasse transferiren und statt Leute für Stellen, Stellen für Leute acquiriren könne. Die Landstände aber fingen end¬ lich an, das Manöver zu durchschauen und- setzten solchen Anforderungen den hartnäckigsten Widerstand entgegen; das machte natürlich sehr böses Blut und jede derartige Weigerung wurde von den Stellen- und Besoldungsjägern, wel¬ chen dadurch die schon im Sichern geglaubte Beute entging, dem Herzog Adolph als eine übermüthige Renitenz rebellirender Landstände dargestellt und von ihm als eine persönliche Beleidigung aufgenommen. Daß infolge dessen Dinge und Personen auf dem engen Raume eines Ländchens von achtzig Quadratmeilen hart widereinanderstießen, ist begreiflich. Nirgends sind so zahlreiche und so kleinliche Mißhandlungen aller derer vorgekommen, welche nicht mit der regie¬ renden Hofdienerschaft in ein Horn bliesen und nicht als Treiber dienen wollten, um derselben fette Hasen in die Küche zu jagen. Und doch hatte der Herzog Adolph von Haus aus ein gutes Herz und einen ritterlichen Charakter. Allein die regierende Hofdienerschaft wußte seines Herzens Güte, um sie für sich und nur für sich auszubeuten, dem Lande zu entfremden und dem Herzog einzureden, es sei „ritterlich", wenn man sich mit den unabänderlichen göttlichen Gesetzen des Fortschrittes der menschlichen Cultur in einen hartnäckigen und erbitterten Widerspruch setze und es stets bis zum Biegen oder Brechen treibe. ") Allein der von Herrn v. Breidboch verwaltete Stall, der nie schöne Pferde aufzuweisen hatte und oft die Unterstützung der Post ansprechen mußte, kostete jährlich 120,000 Gulden, und das von Herrn v. Bose verwaltete Theater, obgleich klein und mittelmäßig, bezog an 100,000 Gulden virecte und indirecte Subvention. 41»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/349>, abgerufen am 02.07.2024.