Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.wenigstens für manche Punkte -- der Gedanke einer illo in xartes nahe ge¬ Grade dies wäre aber nicht erwünscht. Freilich hätte sichs -- rein äußer¬ Fragt man nun nach den Ansichten und Stimmungen, welche in der Be¬ wenigstens für manche Punkte — der Gedanke einer illo in xartes nahe ge¬ Grade dies wäre aber nicht erwünscht. Freilich hätte sichs — rein äußer¬ Fragt man nun nach den Ansichten und Stimmungen, welche in der Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0330" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286478"/> <p xml:id="ID_956" prev="#ID_955"> wenigstens für manche Punkte — der Gedanke einer illo in xartes nahe ge¬<lb/> rückt; und obgleich des für alle drei Provinzen Gemeinsamen noch genug übrig<lb/> bliebe, ist doch jener Gedanke seinen Weg weiter gewandelt und hat — wenn<lb/> auch keine förmliche Personalunion Oberhessens mit dem übrigen Lande — doch<lb/> eine so selbständige Constituirung jener Provinz in Aussicht genommen, daß<lb/> der dadurch geschaffene Zustand nicht allzu weit entfernt sein würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_957"> Grade dies wäre aber nicht erwünscht. Freilich hätte sichs — rein äußer¬<lb/> lich genommen — gar sauber und nett gemacht, wenn durch die Annexion ganz<lb/> Oberhessens bei Frankfurt die correcte Mainlinie hergestellt worden wäre; und<lb/> in Ermangelung dessen, wenn Oberhessen wenigstens zum übrigen Lande in einen<lb/> Zustand gewisser staatlicher Selbständigkeit käme. Allein das nette und Saubere<lb/> ist nicht immer das politisch Wünschenswerthe. Uebergangszustände, die blos<lb/> als solche Berechtigung haben, sollen sich nicht klar hinstellen und consoli-<lb/> diren; sie sollen vielmehr in ihrer Unklarheit und, wie sich vielleicht bald zeigen<lb/> wird, Unerträglichkeit einen steten Stachel besitzen, der zum Besseren vorwärts<lb/> treibt und die Schwierigkeiten überwinden hilft, an denen der erste Anlauf<lb/> innehielt.</p><lb/> <p xml:id="ID_958" next="#ID_959"> Fragt man nun nach den Ansichten und Stimmungen, welche in der Be¬<lb/> völkerung leben und auf Erreichung der letzten Ziele fördernd oder hemmend<lb/> einwirken mögen, so besteht nur allzu sehr die Neigung, durch die Brille der<lb/> eigenen Wünsche zu sehen. Ich will versuchen, mich davon frei zu halten. —<lb/> Vor und bei Ausbruch des Krieges war die Stimmung fast durchweg „bundes¬<lb/> treu", ja vielfach östreichisch. Sogar entschiedene und hochachtbare Anhänger<lb/> Preußens sahen in dessen gewaltthätigen und rechtswidrigem Vorgehen, in<lb/> seinem Bündniß mit Italien und in der vermutheten Verbindung mit Frank¬<lb/> reich auf Kosten deutschen Gebiets den Abfall vom „deutschen Beruf"; man<lb/> mochte nicht wünschen, daß Preußen siege, — und doch, der Gedanke, daß<lb/> Preußen zertrümmert werde, war noch viel schrecklicher. Der Tag von Königs-<lb/> grätz löste den Bann, der auf diesen Herzen lastete. Hatte die klägliche Cession<lb/> Venetiens gezeigt, wie Oestreich, sich selbst getreu, nicht anstand, die deutschen<lb/> Angelegenheiten dem Fremden preiszugeben, so that die baare Unfähigkeit der<lb/> süddeutschen Kriegsführung das Uebnge, den Umschwung der öffentlichen Mei¬<lb/> nung zu zeitigen. Er vollzog sich übrigens nicht blos in Hessen, sondern so<lb/> ziemlich allerwärts; und wer nicht freudig, der mußte doch widerwillig bekennen,<lb/> daß bei Königsgrätz einem unwürdigen Zustande des Vaterlandes über das<lb/> Grab geschossen worden sei. Freilich war damit eine positiv preußenfreundliche<lb/> Gesinnung noch keineswegs hervorgerufen. Daß die Masse des Volkes, in<lb/> welchem stets nur die einfach menschlichen Empfindungen herrschen, negativ<lb/> blieb, war erklärlich. Brüder und Söhne standen gegen Preußen im Feld, mit<lb/> ihnen fühlte man die Niederlagen, die sie erlitten, und theilte mit ihnen den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0330]
wenigstens für manche Punkte — der Gedanke einer illo in xartes nahe ge¬
rückt; und obgleich des für alle drei Provinzen Gemeinsamen noch genug übrig
bliebe, ist doch jener Gedanke seinen Weg weiter gewandelt und hat — wenn
auch keine förmliche Personalunion Oberhessens mit dem übrigen Lande — doch
eine so selbständige Constituirung jener Provinz in Aussicht genommen, daß
der dadurch geschaffene Zustand nicht allzu weit entfernt sein würde.
Grade dies wäre aber nicht erwünscht. Freilich hätte sichs — rein äußer¬
lich genommen — gar sauber und nett gemacht, wenn durch die Annexion ganz
Oberhessens bei Frankfurt die correcte Mainlinie hergestellt worden wäre; und
in Ermangelung dessen, wenn Oberhessen wenigstens zum übrigen Lande in einen
Zustand gewisser staatlicher Selbständigkeit käme. Allein das nette und Saubere
ist nicht immer das politisch Wünschenswerthe. Uebergangszustände, die blos
als solche Berechtigung haben, sollen sich nicht klar hinstellen und consoli-
diren; sie sollen vielmehr in ihrer Unklarheit und, wie sich vielleicht bald zeigen
wird, Unerträglichkeit einen steten Stachel besitzen, der zum Besseren vorwärts
treibt und die Schwierigkeiten überwinden hilft, an denen der erste Anlauf
innehielt.
Fragt man nun nach den Ansichten und Stimmungen, welche in der Be¬
völkerung leben und auf Erreichung der letzten Ziele fördernd oder hemmend
einwirken mögen, so besteht nur allzu sehr die Neigung, durch die Brille der
eigenen Wünsche zu sehen. Ich will versuchen, mich davon frei zu halten. —
Vor und bei Ausbruch des Krieges war die Stimmung fast durchweg „bundes¬
treu", ja vielfach östreichisch. Sogar entschiedene und hochachtbare Anhänger
Preußens sahen in dessen gewaltthätigen und rechtswidrigem Vorgehen, in
seinem Bündniß mit Italien und in der vermutheten Verbindung mit Frank¬
reich auf Kosten deutschen Gebiets den Abfall vom „deutschen Beruf"; man
mochte nicht wünschen, daß Preußen siege, — und doch, der Gedanke, daß
Preußen zertrümmert werde, war noch viel schrecklicher. Der Tag von Königs-
grätz löste den Bann, der auf diesen Herzen lastete. Hatte die klägliche Cession
Venetiens gezeigt, wie Oestreich, sich selbst getreu, nicht anstand, die deutschen
Angelegenheiten dem Fremden preiszugeben, so that die baare Unfähigkeit der
süddeutschen Kriegsführung das Uebnge, den Umschwung der öffentlichen Mei¬
nung zu zeitigen. Er vollzog sich übrigens nicht blos in Hessen, sondern so
ziemlich allerwärts; und wer nicht freudig, der mußte doch widerwillig bekennen,
daß bei Königsgrätz einem unwürdigen Zustande des Vaterlandes über das
Grab geschossen worden sei. Freilich war damit eine positiv preußenfreundliche
Gesinnung noch keineswegs hervorgerufen. Daß die Masse des Volkes, in
welchem stets nur die einfach menschlichen Empfindungen herrschen, negativ
blieb, war erklärlich. Brüder und Söhne standen gegen Preußen im Feld, mit
ihnen fühlte man die Niederlagen, die sie erlitten, und theilte mit ihnen den
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