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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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um ein neues Gefecht aufnehmen zu können, so wurde die Absicht des comman-
direnden Generals, nördlich Trautcnau Stellung zu nehmen, unausführbar und
ordnete derselbe um 9Vs Uhr Abends an, daß die Truppen die am Morgen des
27. Juni inne gehabten Plätze wieder einnehmen sollten."

Diese Berichterstattung zeigt zunächst, daß General v. Bonin entweder die
Leitung verloren hatte, oder aber an ein Gefecht nicht mehr dachte, denn sonst
konnte das Gros den Rückzug nicht weiter fortsetzen, als er wollte, auch mußten
die Truppen noch Kräfte zu einem Gefecht haben, sonst gebot er ihnen nicht
noch einen Marsch in ihre 3'/s Meilen entfernten Bivouaks zurückzulegen.
Dieser Marsch in der Nacht mußte die noch intacter Bataillone in volle
Auflösung bringen. Viel merkwürdiger aber ist der Befehl dadurch, daß er
das Corps nicht in eine concentrirte Stellung, sondern wieder in zwei durch
hohe Bergrücken getrennte "Plätze" dirigirte. Wir irren wohl kaum, wenn
wir aus den Worten des Historikers schließen, daß General v. Bonin die Lei¬
tung seines Corps beim Rückzüge ausgegeben hatte. -- Zeitungsberichte, welche
anscheinend aus dem Corps stammen, bestätigen nicht nur diesen Schluß, son¬
dern geben noch mehr zu verstehen. Doch wollen wir uns damit nicht befassen,
sondern uns auf einfache Thatsachen beschränken.

Nach den Verlustlisten hatten dreizehn Bataillone -- nach dem officiösen
Berichterstatter deren fünfzehn nebst vier Batterien -- hingereicht, das ganze
östreichische Corps der Art zurückzuweisen, daß der Gegner keinerlei Trophäen
davontrug und auf jede Verfolgung verzichtete. Wenn wir aber in den beider¬
seitigen officiellen Verlustlisten lesen, daß die Preußen 63 Offiziere und 1.360
Mann, die Oestreicher aber 196 Offiziere und S.536 Mann verloren haben, so
muß man sagen, daß, wenn General v. Bonin nur festgehalten und alle seine
Bataillone ins Feuer gebracht hätte, er einen ebenso glorreichen Sieg erfochten
haben würde, wie alle andern preußischen Generale. Das Armeecorps selbst hat
bei Trautenau vollauf seine Schuldigkeit gethan. General Gavlcnz konnte bei
den großen Verlusten nicht an eine Verfolgung seines Gegners denken, er be¬
dürfte dringend der Ruhe, um sein Corps wieder zu formiren. --

Der Kronprinz hatte sich nach demjenigen Flügel seiner Armee begeben,
welcher der gefährdetste sein mußte, da er den feindlichen Hauptkräften am nächsten
war, dem Unken, welchen das fünfte Armeecorps unter General V.Steinmetz
bildete.

Am 26. Juni Abends hatten die Töten des steinmetzschen Corps die öst-
reichische Grenze erreicht und waren, da sie an den nächsten Uebergängen nur
sehr wenig, und in dem nahegelegenen Nachod mit seinem beherrschenden Schloß
gar keine Besatzung fanden, noch in der Dunkelheit über das lange Dcfils bei
diesem Ort hinausgegangen. Am 27. folgte das Corps und die Avantgarde
fing an sich jenseits Nachod zu entwickeln, als die Oestveicher sich vor der Front


Grenzboten IV, 1V6K. 38

um ein neues Gefecht aufnehmen zu können, so wurde die Absicht des comman-
direnden Generals, nördlich Trautcnau Stellung zu nehmen, unausführbar und
ordnete derselbe um 9Vs Uhr Abends an, daß die Truppen die am Morgen des
27. Juni inne gehabten Plätze wieder einnehmen sollten."

Diese Berichterstattung zeigt zunächst, daß General v. Bonin entweder die
Leitung verloren hatte, oder aber an ein Gefecht nicht mehr dachte, denn sonst
konnte das Gros den Rückzug nicht weiter fortsetzen, als er wollte, auch mußten
die Truppen noch Kräfte zu einem Gefecht haben, sonst gebot er ihnen nicht
noch einen Marsch in ihre 3'/s Meilen entfernten Bivouaks zurückzulegen.
Dieser Marsch in der Nacht mußte die noch intacter Bataillone in volle
Auflösung bringen. Viel merkwürdiger aber ist der Befehl dadurch, daß er
das Corps nicht in eine concentrirte Stellung, sondern wieder in zwei durch
hohe Bergrücken getrennte „Plätze" dirigirte. Wir irren wohl kaum, wenn
wir aus den Worten des Historikers schließen, daß General v. Bonin die Lei¬
tung seines Corps beim Rückzüge ausgegeben hatte. — Zeitungsberichte, welche
anscheinend aus dem Corps stammen, bestätigen nicht nur diesen Schluß, son¬
dern geben noch mehr zu verstehen. Doch wollen wir uns damit nicht befassen,
sondern uns auf einfache Thatsachen beschränken.

Nach den Verlustlisten hatten dreizehn Bataillone — nach dem officiösen
Berichterstatter deren fünfzehn nebst vier Batterien — hingereicht, das ganze
östreichische Corps der Art zurückzuweisen, daß der Gegner keinerlei Trophäen
davontrug und auf jede Verfolgung verzichtete. Wenn wir aber in den beider¬
seitigen officiellen Verlustlisten lesen, daß die Preußen 63 Offiziere und 1.360
Mann, die Oestreicher aber 196 Offiziere und S.536 Mann verloren haben, so
muß man sagen, daß, wenn General v. Bonin nur festgehalten und alle seine
Bataillone ins Feuer gebracht hätte, er einen ebenso glorreichen Sieg erfochten
haben würde, wie alle andern preußischen Generale. Das Armeecorps selbst hat
bei Trautenau vollauf seine Schuldigkeit gethan. General Gavlcnz konnte bei
den großen Verlusten nicht an eine Verfolgung seines Gegners denken, er be¬
dürfte dringend der Ruhe, um sein Corps wieder zu formiren. —

Der Kronprinz hatte sich nach demjenigen Flügel seiner Armee begeben,
welcher der gefährdetste sein mußte, da er den feindlichen Hauptkräften am nächsten
war, dem Unken, welchen das fünfte Armeecorps unter General V.Steinmetz
bildete.

Am 26. Juni Abends hatten die Töten des steinmetzschen Corps die öst-
reichische Grenze erreicht und waren, da sie an den nächsten Uebergängen nur
sehr wenig, und in dem nahegelegenen Nachod mit seinem beherrschenden Schloß
gar keine Besatzung fanden, noch in der Dunkelheit über das lange Dcfils bei
diesem Ort hinausgegangen. Am 27. folgte das Corps und die Avantgarde
fing an sich jenseits Nachod zu entwickeln, als die Oestveicher sich vor der Front


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/321>, abgerufen am 02.07.2024.