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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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mecklenburgischen Landstände in wesentlichen Punkten avsorbiren, auf die poli¬
tischen und socialen Institutionen, welche mit dem feudalen Staatswesen zu¬
sammenhangen", seinen umgestaltenden Einfluß äußern und damit schließlich die
feudale Lande-Verfassung selbst in ihrer Wurzel treffen wird. Und als den
Weg. um zu diesem neuen Bunde zu gelangen, soll er die Berathung durch "in
Parlament empfehlen, welches aus allgemeinen und directen Wahlen mit ge¬
heimem Stimmrecht hervorgehen soll. Einem Minister, der sein ganzes Leben
hindurch die feudalen Anschauungen verfochten und in der deutschen Verfassungs-
frage noch unlängst den Bundesstaat für eine Unmöglichkeit und einen Wider¬
sinn erklärt hat, kann wohl kaum eine Ausgabe gestellt werden, welche eine
größere Selbstverläugnung erforderte. Dennoch wird man keine Ursache haben
zu befürchten, daß Herr v. Oertzen, wenn er es für zulässig hält, diesen Bruch
mit seiner Vergangenheit zu vollziehen und selbst die neuen Grundsätze und
Anschauungen, auf welchen das preußische Bundesproject ruhet, seinen bisherigen
politischen Freunden gegenüber als Minister zu vertreten, nicht ernstlich ver¬
suchen sollte, die Zustimmung der Stände für seinen Vorschlag zu erlangen.
Denn Mecklenburg muß dem Bunde beitreten und folglich auch die entsprechen¬
den Bedingungen erfüllen, wenn es sich nicht isoliren und damit allen Ge¬
fahren der Isolirtheit aussetzen will; und kein mecklenburgischer Minister, mag
sein Herz auch bis in alle Winkel und Falten mit feudalständischen Neigungen
durchdrungen sein, kann sich dem Bunde entziehen, wenn Preußen ihn ernst¬
lich will.

Allerdings wird es auf Seiten der feudalen Partei nicht ganz an Wider¬
stand fehlen. Schon während des Krieges konnte man die Anzeichen wahr¬
nehmen, daß die Herzen vieler Genossen dieser Partei bei den Fahnen Oestreichs
waren. Sie waren dort, nicht blos weil viele ihrer Söhne und Brüder, die
unter diesen Fahnen kämpften, sie dorthin zogen, sondern auch weil die Sache
des Feudalismus nur aus dem Siege Oestreichs Nutzen ziehen konnte, während
der Sieg Preußens ihr Gefahr brachte. Von einem Landrath, dem Grafen
v. Bernstorff auf Wedendorf, wurden gleich nach der Schlacht von Königsgrcitz
Geldsammlungen für verwundete Oestreicher eröffnet, deren Ertrag an den
patriotischen Verein in Wien abgeliefert werden sollte, und diese Sammlungen
wurden auch noch fortgesetzt, als schon der Großherzog mit seinem Armeecorps
Bayern bekriegte. Das Gerücht geht auch, daß in dem Kreise dieser östreichisch
gesinnten Feudalen Schritte geschehen seien, um einen Rücktritt des Großherzozs
von dem preußischen Militärdienst zu bewirken, welchen man mit seiner souve¬
ränen Stellung und den aus derselben sich ergebenden Pflichten gegen sein
Land nicht in Einklang gefunden haben soll. Neuerdings hat ein anderes Mit¬
glied der adeligen Ritterschaft, der durch die Chiffre I. v. Pi. anscheinend als
der Landrath Josias v. Plüskow auf Kowalz erkannt zu werden wünscht, in


Grenzboten IV. 1866. 3

mecklenburgischen Landstände in wesentlichen Punkten avsorbiren, auf die poli¬
tischen und socialen Institutionen, welche mit dem feudalen Staatswesen zu¬
sammenhangen», seinen umgestaltenden Einfluß äußern und damit schließlich die
feudale Lande-Verfassung selbst in ihrer Wurzel treffen wird. Und als den
Weg. um zu diesem neuen Bunde zu gelangen, soll er die Berathung durch «in
Parlament empfehlen, welches aus allgemeinen und directen Wahlen mit ge¬
heimem Stimmrecht hervorgehen soll. Einem Minister, der sein ganzes Leben
hindurch die feudalen Anschauungen verfochten und in der deutschen Verfassungs-
frage noch unlängst den Bundesstaat für eine Unmöglichkeit und einen Wider¬
sinn erklärt hat, kann wohl kaum eine Ausgabe gestellt werden, welche eine
größere Selbstverläugnung erforderte. Dennoch wird man keine Ursache haben
zu befürchten, daß Herr v. Oertzen, wenn er es für zulässig hält, diesen Bruch
mit seiner Vergangenheit zu vollziehen und selbst die neuen Grundsätze und
Anschauungen, auf welchen das preußische Bundesproject ruhet, seinen bisherigen
politischen Freunden gegenüber als Minister zu vertreten, nicht ernstlich ver¬
suchen sollte, die Zustimmung der Stände für seinen Vorschlag zu erlangen.
Denn Mecklenburg muß dem Bunde beitreten und folglich auch die entsprechen¬
den Bedingungen erfüllen, wenn es sich nicht isoliren und damit allen Ge¬
fahren der Isolirtheit aussetzen will; und kein mecklenburgischer Minister, mag
sein Herz auch bis in alle Winkel und Falten mit feudalständischen Neigungen
durchdrungen sein, kann sich dem Bunde entziehen, wenn Preußen ihn ernst¬
lich will.

Allerdings wird es auf Seiten der feudalen Partei nicht ganz an Wider¬
stand fehlen. Schon während des Krieges konnte man die Anzeichen wahr¬
nehmen, daß die Herzen vieler Genossen dieser Partei bei den Fahnen Oestreichs
waren. Sie waren dort, nicht blos weil viele ihrer Söhne und Brüder, die
unter diesen Fahnen kämpften, sie dorthin zogen, sondern auch weil die Sache
des Feudalismus nur aus dem Siege Oestreichs Nutzen ziehen konnte, während
der Sieg Preußens ihr Gefahr brachte. Von einem Landrath, dem Grafen
v. Bernstorff auf Wedendorf, wurden gleich nach der Schlacht von Königsgrcitz
Geldsammlungen für verwundete Oestreicher eröffnet, deren Ertrag an den
patriotischen Verein in Wien abgeliefert werden sollte, und diese Sammlungen
wurden auch noch fortgesetzt, als schon der Großherzog mit seinem Armeecorps
Bayern bekriegte. Das Gerücht geht auch, daß in dem Kreise dieser östreichisch
gesinnten Feudalen Schritte geschehen seien, um einen Rücktritt des Großherzozs
von dem preußischen Militärdienst zu bewirken, welchen man mit seiner souve¬
ränen Stellung und den aus derselben sich ergebenden Pflichten gegen sein
Land nicht in Einklang gefunden haben soll. Neuerdings hat ein anderes Mit¬
glied der adeligen Ritterschaft, der durch die Chiffre I. v. Pi. anscheinend als
der Landrath Josias v. Plüskow auf Kowalz erkannt zu werden wünscht, in


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[0027] mecklenburgischen Landstände in wesentlichen Punkten avsorbiren, auf die poli¬ tischen und socialen Institutionen, welche mit dem feudalen Staatswesen zu¬ sammenhangen», seinen umgestaltenden Einfluß äußern und damit schließlich die feudale Lande-Verfassung selbst in ihrer Wurzel treffen wird. Und als den Weg. um zu diesem neuen Bunde zu gelangen, soll er die Berathung durch «in Parlament empfehlen, welches aus allgemeinen und directen Wahlen mit ge¬ heimem Stimmrecht hervorgehen soll. Einem Minister, der sein ganzes Leben hindurch die feudalen Anschauungen verfochten und in der deutschen Verfassungs- frage noch unlängst den Bundesstaat für eine Unmöglichkeit und einen Wider¬ sinn erklärt hat, kann wohl kaum eine Ausgabe gestellt werden, welche eine größere Selbstverläugnung erforderte. Dennoch wird man keine Ursache haben zu befürchten, daß Herr v. Oertzen, wenn er es für zulässig hält, diesen Bruch mit seiner Vergangenheit zu vollziehen und selbst die neuen Grundsätze und Anschauungen, auf welchen das preußische Bundesproject ruhet, seinen bisherigen politischen Freunden gegenüber als Minister zu vertreten, nicht ernstlich ver¬ suchen sollte, die Zustimmung der Stände für seinen Vorschlag zu erlangen. Denn Mecklenburg muß dem Bunde beitreten und folglich auch die entsprechen¬ den Bedingungen erfüllen, wenn es sich nicht isoliren und damit allen Ge¬ fahren der Isolirtheit aussetzen will; und kein mecklenburgischer Minister, mag sein Herz auch bis in alle Winkel und Falten mit feudalständischen Neigungen durchdrungen sein, kann sich dem Bunde entziehen, wenn Preußen ihn ernst¬ lich will. Allerdings wird es auf Seiten der feudalen Partei nicht ganz an Wider¬ stand fehlen. Schon während des Krieges konnte man die Anzeichen wahr¬ nehmen, daß die Herzen vieler Genossen dieser Partei bei den Fahnen Oestreichs waren. Sie waren dort, nicht blos weil viele ihrer Söhne und Brüder, die unter diesen Fahnen kämpften, sie dorthin zogen, sondern auch weil die Sache des Feudalismus nur aus dem Siege Oestreichs Nutzen ziehen konnte, während der Sieg Preußens ihr Gefahr brachte. Von einem Landrath, dem Grafen v. Bernstorff auf Wedendorf, wurden gleich nach der Schlacht von Königsgrcitz Geldsammlungen für verwundete Oestreicher eröffnet, deren Ertrag an den patriotischen Verein in Wien abgeliefert werden sollte, und diese Sammlungen wurden auch noch fortgesetzt, als schon der Großherzog mit seinem Armeecorps Bayern bekriegte. Das Gerücht geht auch, daß in dem Kreise dieser östreichisch gesinnten Feudalen Schritte geschehen seien, um einen Rücktritt des Großherzozs von dem preußischen Militärdienst zu bewirken, welchen man mit seiner souve¬ ränen Stellung und den aus derselben sich ergebenden Pflichten gegen sein Land nicht in Einklang gefunden haben soll. Neuerdings hat ein anderes Mit¬ glied der adeligen Ritterschaft, der durch die Chiffre I. v. Pi. anscheinend als der Landrath Josias v. Plüskow auf Kowalz erkannt zu werden wünscht, in Grenzboten IV. 1866. 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/27>, abgerufen am 30.06.2024.