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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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des Reis, wo sich etwa 30 angesehene Männer versammelten, denen wir über
1. Cor. 13 eine Predigt "von der Liebe" hielten. Als der Priester Luka
(Lucas) sah, daß seine geheimen Sachen ans Licht kämen*), so fing er an mit
uns zu streiten und sagte: "wir werden es machen wie unser Vater und unsre
Vorfahren!" Da erzählten wir nun aller den Leuten, wie Abraham es nicht
so gemacht habe, wie sein (ungläubiger) Vater Tarah u. s. w., und da sie
sahen, daß wir mit unsern Worten Recht hatten, so tadelten sie den Priester,
und er ward beschämt.

Ein Mann bat uns um Erlaubniß, während der Fasten die Wasserpfeife
(Kalium) rauchen zu dürfen. Wir suchten in den Synvdalbeschlüssen (?) nach
und fanden eine Stelle, wo geschrieben stand: "das kleine Fasten wird von
Mönchen und alten Leuten gehalten, wenn sie wollen, sonst nicht," und gaben
ihm deshalb Erlaubniß. Darüber freute er sich sehr und sagte: "ich möchte
mich für Euch hingeben, o Diaconen! meine Seele erfreut sich an der Wasser¬
pfeife."^) Dann stimmten wir das Lied: "Ha, die Stimme des Erbarmens
u. s. w." an und sagten ihnen dann Lebewohl, um uns nach Mar Jschak
zu begeben. Die Priester, Diaconen und der Reis gingen mit uns fort und
begleiteten uns voll Freude. Sie baten uns, sie noch einmal zu besuchen und
gaben uns einen Mann mit. In Mar Jschak kehrten wir beim Reis Matlub
ein. Als wir am Abend predigten, ließ sich ein Mann Namens Urias auf
die Knie nieder, streckte uns die Hand entgegen und sprach: "Zeigt mir den
Weg des Fastens.^damit ich ihn betrete. Ihr sagt immer blos: "Thut Buße
und quält Euch nicht u. s. w." So lange wir auf der Welt sind, geschieht
jenes doch nicht; stellt uns deshalb die Fastenregel fest." Da sagten wir:
"Wenn Du Gottes Gebote nicht hältst, so hältst Du auch die Fastenregel nicht."
Er aber erwiederte: .Von Jugend auf habe ich in den Fasten nicht einmal
die Wasserpfeife geraucht; wie sollte ich wohl nicht die Fastenregel halten?"
Er hielt sich also für einen gerechten Menschen, weil er den Beginn der Mo¬
nate und die Feste (nach denen sich ja die Fasten richten) kannte. Da sagten
wir ihm: "Es ist Dir also etwas Geringes, ein sehr guter Mensch zu sein.
B>s jetzt hast Du nur gefastet, so lange Du satt warst. Nun mußt Du Dich
aufmachen, in eine Felsenspcilte eintreten und da, ohne einen Menschen zu sehen
und ohne Wisser zu trinken, wie der heilige Aehä*"), ein ganzes Jahr lang
fasten: dann wirst Du vielleicht ein vollkommener Mensch." Ueber diese Regel
wurde er sehr betrübt, aber der N.is Matlub lachte und sprach: "wenn Dir





') Er war wohl der Anstifter der Bewegung gegen die Vorgänger unsrer Reisenden.
"
) Die Stelle vollständig zu verstehen, wüßte man die dortigen Fustenrcgeln genau
kennen. Jedenfalls ist so viel klar, daß sie diese Ziegeln möglichst zu erleichtern suchen.
Der Heilige, nach dem auch der hier mehrfach genannte Ort Mar Aehä (Se. Aehä)
seinen Namen hat.

des Reis, wo sich etwa 30 angesehene Männer versammelten, denen wir über
1. Cor. 13 eine Predigt „von der Liebe" hielten. Als der Priester Luka
(Lucas) sah, daß seine geheimen Sachen ans Licht kämen*), so fing er an mit
uns zu streiten und sagte: „wir werden es machen wie unser Vater und unsre
Vorfahren!" Da erzählten wir nun aller den Leuten, wie Abraham es nicht
so gemacht habe, wie sein (ungläubiger) Vater Tarah u. s. w., und da sie
sahen, daß wir mit unsern Worten Recht hatten, so tadelten sie den Priester,
und er ward beschämt.

Ein Mann bat uns um Erlaubniß, während der Fasten die Wasserpfeife
(Kalium) rauchen zu dürfen. Wir suchten in den Synvdalbeschlüssen (?) nach
und fanden eine Stelle, wo geschrieben stand: „das kleine Fasten wird von
Mönchen und alten Leuten gehalten, wenn sie wollen, sonst nicht," und gaben
ihm deshalb Erlaubniß. Darüber freute er sich sehr und sagte: „ich möchte
mich für Euch hingeben, o Diaconen! meine Seele erfreut sich an der Wasser¬
pfeife."^) Dann stimmten wir das Lied: „Ha, die Stimme des Erbarmens
u. s. w." an und sagten ihnen dann Lebewohl, um uns nach Mar Jschak
zu begeben. Die Priester, Diaconen und der Reis gingen mit uns fort und
begleiteten uns voll Freude. Sie baten uns, sie noch einmal zu besuchen und
gaben uns einen Mann mit. In Mar Jschak kehrten wir beim Reis Matlub
ein. Als wir am Abend predigten, ließ sich ein Mann Namens Urias auf
die Knie nieder, streckte uns die Hand entgegen und sprach: „Zeigt mir den
Weg des Fastens.^damit ich ihn betrete. Ihr sagt immer blos: „Thut Buße
und quält Euch nicht u. s. w." So lange wir auf der Welt sind, geschieht
jenes doch nicht; stellt uns deshalb die Fastenregel fest." Da sagten wir:
„Wenn Du Gottes Gebote nicht hältst, so hältst Du auch die Fastenregel nicht."
Er aber erwiederte: .Von Jugend auf habe ich in den Fasten nicht einmal
die Wasserpfeife geraucht; wie sollte ich wohl nicht die Fastenregel halten?"
Er hielt sich also für einen gerechten Menschen, weil er den Beginn der Mo¬
nate und die Feste (nach denen sich ja die Fasten richten) kannte. Da sagten
wir ihm: „Es ist Dir also etwas Geringes, ein sehr guter Mensch zu sein.
B>s jetzt hast Du nur gefastet, so lange Du satt warst. Nun mußt Du Dich
aufmachen, in eine Felsenspcilte eintreten und da, ohne einen Menschen zu sehen
und ohne Wisser zu trinken, wie der heilige Aehä*"), ein ganzes Jahr lang
fasten: dann wirst Du vielleicht ein vollkommener Mensch." Ueber diese Regel
wurde er sehr betrübt, aber der N.is Matlub lachte und sprach: „wenn Dir





') Er war wohl der Anstifter der Bewegung gegen die Vorgänger unsrer Reisenden.
"
) Die Stelle vollständig zu verstehen, wüßte man die dortigen Fustenrcgeln genau
kennen. Jedenfalls ist so viel klar, daß sie diese Ziegeln möglichst zu erleichtern suchen.
Der Heilige, nach dem auch der hier mehrfach genannte Ort Mar Aehä (Se. Aehä)
seinen Namen hat.
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[0254] des Reis, wo sich etwa 30 angesehene Männer versammelten, denen wir über 1. Cor. 13 eine Predigt „von der Liebe" hielten. Als der Priester Luka (Lucas) sah, daß seine geheimen Sachen ans Licht kämen*), so fing er an mit uns zu streiten und sagte: „wir werden es machen wie unser Vater und unsre Vorfahren!" Da erzählten wir nun aller den Leuten, wie Abraham es nicht so gemacht habe, wie sein (ungläubiger) Vater Tarah u. s. w., und da sie sahen, daß wir mit unsern Worten Recht hatten, so tadelten sie den Priester, und er ward beschämt. Ein Mann bat uns um Erlaubniß, während der Fasten die Wasserpfeife (Kalium) rauchen zu dürfen. Wir suchten in den Synvdalbeschlüssen (?) nach und fanden eine Stelle, wo geschrieben stand: „das kleine Fasten wird von Mönchen und alten Leuten gehalten, wenn sie wollen, sonst nicht," und gaben ihm deshalb Erlaubniß. Darüber freute er sich sehr und sagte: „ich möchte mich für Euch hingeben, o Diaconen! meine Seele erfreut sich an der Wasser¬ pfeife."^) Dann stimmten wir das Lied: „Ha, die Stimme des Erbarmens u. s. w." an und sagten ihnen dann Lebewohl, um uns nach Mar Jschak zu begeben. Die Priester, Diaconen und der Reis gingen mit uns fort und begleiteten uns voll Freude. Sie baten uns, sie noch einmal zu besuchen und gaben uns einen Mann mit. In Mar Jschak kehrten wir beim Reis Matlub ein. Als wir am Abend predigten, ließ sich ein Mann Namens Urias auf die Knie nieder, streckte uns die Hand entgegen und sprach: „Zeigt mir den Weg des Fastens.^damit ich ihn betrete. Ihr sagt immer blos: „Thut Buße und quält Euch nicht u. s. w." So lange wir auf der Welt sind, geschieht jenes doch nicht; stellt uns deshalb die Fastenregel fest." Da sagten wir: „Wenn Du Gottes Gebote nicht hältst, so hältst Du auch die Fastenregel nicht." Er aber erwiederte: .Von Jugend auf habe ich in den Fasten nicht einmal die Wasserpfeife geraucht; wie sollte ich wohl nicht die Fastenregel halten?" Er hielt sich also für einen gerechten Menschen, weil er den Beginn der Mo¬ nate und die Feste (nach denen sich ja die Fasten richten) kannte. Da sagten wir ihm: „Es ist Dir also etwas Geringes, ein sehr guter Mensch zu sein. B>s jetzt hast Du nur gefastet, so lange Du satt warst. Nun mußt Du Dich aufmachen, in eine Felsenspcilte eintreten und da, ohne einen Menschen zu sehen und ohne Wisser zu trinken, wie der heilige Aehä*"), ein ganzes Jahr lang fasten: dann wirst Du vielleicht ein vollkommener Mensch." Ueber diese Regel wurde er sehr betrübt, aber der N.is Matlub lachte und sprach: „wenn Dir ') Er war wohl der Anstifter der Bewegung gegen die Vorgänger unsrer Reisenden. " ) Die Stelle vollständig zu verstehen, wüßte man die dortigen Fustenrcgeln genau kennen. Jedenfalls ist so viel klar, daß sie diese Ziegeln möglichst zu erleichtern suchen. Der Heilige, nach dem auch der hier mehrfach genannte Ort Mar Aehä (Se. Aehä) seinen Namen hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/254>, abgerufen am 04.07.2024.