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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Der bekannte wiener Bankier Se.-M. gab vor einigen Jahren eine Soiree.
Diese beehrte auch der damalige Finanzminister mit seiner Gegenwart. Durch
den Hausherrn in den Sälen umhergeführt, blieb der Minister plötzlich vor
einem Paare prachtvoller alter Kandelaber aus massivem Silber stehen, und
war kaum mehr vom Platze wegzubringen, bis endlich der ungeduldige Bankier
sich den geschäftlichen Scherz erlaubte, zu fragen: "Wollen Eure Excellenz diese
Leuchter etwa auch zur Aufbesserung der Finanzwirren haben?" Das etwa ist
die Stimmung der Oestreicher gegenüber den Finanzoperationen ihres Staates.

Man hat sich wohl zu hüten, solche Andeutungen wie die der Confiscation
des Kirchenvermögens auszusprechen. Die östreichische Regierung hat feine
Ohren. Bereits hat sie seit achtzehn Jghren was niet- und nagelfest in ge°
Sammler Monarchie und ihr zugänglich war, verkauft und verpfändet. Die
Staatsdomänen, die Bergwerke, die Eisenbahnen, die confiscirten Güter u. a. in.
Und daneben noch gegen vier Milliarden Schulden; all das um eine Politik
durchzuführen, wie jene von 1848 --186L, Es ist also die einzig denkbare
Möglichkeit vorhanden, daß man die Regierung vielleicht doch den Vvlks-
wünschcn geneigt mache, wenn man ihr die Möglichkeit nimmt, ihre Finan¬
zen eigenmächtig aufzubessern. Denn so lange sie auch nur noch eine Mil¬
lion aufzufinden weiß, bleibt sie unzugänglich und wandelt fort in ihren
Illusionen. Somit, seien Sie versichert^ sind alle Völker Oestreichs gefaßt, und
nicht wenige warten ungeduldig wie auf das letzte Rettungsmittel. auf eine
Staatsbanterotterklärnng, welche zwar momentan das gewerbliche und merkantile
Leben auch in der Monarchie fürchterlich träfe, aber der tödtlichen Abzehrung
ein Ende machen könnte. Jetzt geht es wie mit dem Schwänze deö Hundes,
dessen Operation auf ein Mal zu schmerzhaft für das Thier schien, der also
immer nur in Stückchen abgehauen wurde. Endlich aber, da die östreichische
Regierung nur zu Concessionen zu bringen ist, wenn die Staatsnoth drängt,
werden die Völker ihr wahrlich nicht auch noch das Kirchenvermögen in Sicht
stellen, also ihr eigenes Nationalvermögen zur Disposition geben. Im Gegen¬
theil, es wäre zu wünschen, daß anch all die andern Völker Oestreichs stets.so
entschlossen gehandelt hätten, als es die Ungarn thaten, welche seit achtzehn
Jahren geduldig den eigenen Ruin ertrugen, aber keinerlei Concessionen machten,
vielmehr noch heute mit 400 Millionen an Steuern im Rückstände find. Aber
durch diese Energie wurde die Krise von heute herbeigeführt, und einzig an
diesem Widerstande Ungarns brachen die östreichischen Negicrungsexperimente.

Also, der Ncchtsinhaber auf das Eigenthum der Kirchengüter ist das Volk,
die Nation; der Klerus ist blos dieses Schatzes zeitweiliger Nutznießer; die Re¬
gierung aber, die ihn eigenmächtig antasten würde, beginge ein Unrecht am
Ein Ungar. Volte.




Der bekannte wiener Bankier Se.-M. gab vor einigen Jahren eine Soiree.
Diese beehrte auch der damalige Finanzminister mit seiner Gegenwart. Durch
den Hausherrn in den Sälen umhergeführt, blieb der Minister plötzlich vor
einem Paare prachtvoller alter Kandelaber aus massivem Silber stehen, und
war kaum mehr vom Platze wegzubringen, bis endlich der ungeduldige Bankier
sich den geschäftlichen Scherz erlaubte, zu fragen: „Wollen Eure Excellenz diese
Leuchter etwa auch zur Aufbesserung der Finanzwirren haben?" Das etwa ist
die Stimmung der Oestreicher gegenüber den Finanzoperationen ihres Staates.

Man hat sich wohl zu hüten, solche Andeutungen wie die der Confiscation
des Kirchenvermögens auszusprechen. Die östreichische Regierung hat feine
Ohren. Bereits hat sie seit achtzehn Jghren was niet- und nagelfest in ge°
Sammler Monarchie und ihr zugänglich war, verkauft und verpfändet. Die
Staatsdomänen, die Bergwerke, die Eisenbahnen, die confiscirten Güter u. a. in.
Und daneben noch gegen vier Milliarden Schulden; all das um eine Politik
durchzuführen, wie jene von 1848 —186L, Es ist also die einzig denkbare
Möglichkeit vorhanden, daß man die Regierung vielleicht doch den Vvlks-
wünschcn geneigt mache, wenn man ihr die Möglichkeit nimmt, ihre Finan¬
zen eigenmächtig aufzubessern. Denn so lange sie auch nur noch eine Mil¬
lion aufzufinden weiß, bleibt sie unzugänglich und wandelt fort in ihren
Illusionen. Somit, seien Sie versichert^ sind alle Völker Oestreichs gefaßt, und
nicht wenige warten ungeduldig wie auf das letzte Rettungsmittel. auf eine
Staatsbanterotterklärnng, welche zwar momentan das gewerbliche und merkantile
Leben auch in der Monarchie fürchterlich träfe, aber der tödtlichen Abzehrung
ein Ende machen könnte. Jetzt geht es wie mit dem Schwänze deö Hundes,
dessen Operation auf ein Mal zu schmerzhaft für das Thier schien, der also
immer nur in Stückchen abgehauen wurde. Endlich aber, da die östreichische
Regierung nur zu Concessionen zu bringen ist, wenn die Staatsnoth drängt,
werden die Völker ihr wahrlich nicht auch noch das Kirchenvermögen in Sicht
stellen, also ihr eigenes Nationalvermögen zur Disposition geben. Im Gegen¬
theil, es wäre zu wünschen, daß anch all die andern Völker Oestreichs stets.so
entschlossen gehandelt hätten, als es die Ungarn thaten, welche seit achtzehn
Jahren geduldig den eigenen Ruin ertrugen, aber keinerlei Concessionen machten,
vielmehr noch heute mit 400 Millionen an Steuern im Rückstände find. Aber
durch diese Energie wurde die Krise von heute herbeigeführt, und einzig an
diesem Widerstande Ungarns brachen die östreichischen Negicrungsexperimente.

Also, der Ncchtsinhaber auf das Eigenthum der Kirchengüter ist das Volk,
die Nation; der Klerus ist blos dieses Schatzes zeitweiliger Nutznießer; die Re¬
gierung aber, die ihn eigenmächtig antasten würde, beginge ein Unrecht am
Ein Ungar. Volte.




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[0214] Der bekannte wiener Bankier Se.-M. gab vor einigen Jahren eine Soiree. Diese beehrte auch der damalige Finanzminister mit seiner Gegenwart. Durch den Hausherrn in den Sälen umhergeführt, blieb der Minister plötzlich vor einem Paare prachtvoller alter Kandelaber aus massivem Silber stehen, und war kaum mehr vom Platze wegzubringen, bis endlich der ungeduldige Bankier sich den geschäftlichen Scherz erlaubte, zu fragen: „Wollen Eure Excellenz diese Leuchter etwa auch zur Aufbesserung der Finanzwirren haben?" Das etwa ist die Stimmung der Oestreicher gegenüber den Finanzoperationen ihres Staates. Man hat sich wohl zu hüten, solche Andeutungen wie die der Confiscation des Kirchenvermögens auszusprechen. Die östreichische Regierung hat feine Ohren. Bereits hat sie seit achtzehn Jghren was niet- und nagelfest in ge° Sammler Monarchie und ihr zugänglich war, verkauft und verpfändet. Die Staatsdomänen, die Bergwerke, die Eisenbahnen, die confiscirten Güter u. a. in. Und daneben noch gegen vier Milliarden Schulden; all das um eine Politik durchzuführen, wie jene von 1848 —186L, Es ist also die einzig denkbare Möglichkeit vorhanden, daß man die Regierung vielleicht doch den Vvlks- wünschcn geneigt mache, wenn man ihr die Möglichkeit nimmt, ihre Finan¬ zen eigenmächtig aufzubessern. Denn so lange sie auch nur noch eine Mil¬ lion aufzufinden weiß, bleibt sie unzugänglich und wandelt fort in ihren Illusionen. Somit, seien Sie versichert^ sind alle Völker Oestreichs gefaßt, und nicht wenige warten ungeduldig wie auf das letzte Rettungsmittel. auf eine Staatsbanterotterklärnng, welche zwar momentan das gewerbliche und merkantile Leben auch in der Monarchie fürchterlich träfe, aber der tödtlichen Abzehrung ein Ende machen könnte. Jetzt geht es wie mit dem Schwänze deö Hundes, dessen Operation auf ein Mal zu schmerzhaft für das Thier schien, der also immer nur in Stückchen abgehauen wurde. Endlich aber, da die östreichische Regierung nur zu Concessionen zu bringen ist, wenn die Staatsnoth drängt, werden die Völker ihr wahrlich nicht auch noch das Kirchenvermögen in Sicht stellen, also ihr eigenes Nationalvermögen zur Disposition geben. Im Gegen¬ theil, es wäre zu wünschen, daß anch all die andern Völker Oestreichs stets.so entschlossen gehandelt hätten, als es die Ungarn thaten, welche seit achtzehn Jahren geduldig den eigenen Ruin ertrugen, aber keinerlei Concessionen machten, vielmehr noch heute mit 400 Millionen an Steuern im Rückstände find. Aber durch diese Energie wurde die Krise von heute herbeigeführt, und einzig an diesem Widerstande Ungarns brachen die östreichischen Negicrungsexperimente. Also, der Ncchtsinhaber auf das Eigenthum der Kirchengüter ist das Volk, die Nation; der Klerus ist blos dieses Schatzes zeitweiliger Nutznießer; die Re¬ gierung aber, die ihn eigenmächtig antasten würde, beginge ein Unrecht am Ein Ungar. Volte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/214>, abgerufen am 30.06.2024.