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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Verfall' dein Stratford-Monument im Bruch,
Doch wirst du ewig leben hier im Buch.
Mag Marmor auch und Erz in Staub vergehen,
Lebendig wird dich stets die Nachwelt sehen.
Des Neuen satt greift sie zurück zum Alten,
Wird, was nicht Shakespeare's heißt, für Abart halten
Und jeder Vers und jede Zeile soll
Dich aus dem Grabe zaubern lebensvoll.
Wie naso sagt: nicht Flaum' und Rost der Zeiten
Soll deinem Buche Untergang bereiten.
Nie werd' ich dich für todt erachten, Schatten!
Bis der verwaisten Bühne kommt zu Statten
Ein neuer bessrer Stil, als deiner da,
Drin Romeo erglüht für Julia;
Bis edler sich die wohlgefügte Rede
Vernehmen läßt, als in der Römer Fehde;
Bis eines andern Dichters Kunst und Geist
Sich überlegen deiner Gluth erweist;
Sei sicher, Shakespeare! nimmer wirst du sterben,
Wirst dir im Lorbeer Ewigkeit erwerben!"

Ein weiteres humoristisches Gedicht, unterzeichnet ^. N., lautet etwa so:

"Wir staunten, Shakespeare, dich von der Lcbensscen'
Zur Grabesgardcrob' abgehn zu sehn.
Todt scheinst du uns; doch dein gedrucktes Wort
Sagt jetzt dem Publikum, du gingst nur fort
'
Zu Rückkehr mit Applaus! Sist Künstlerart;
Die Rolle schließt, er selbst lebt auf in neuem Part.
So tratst du nur zur Sterblichkeit hinaus
Um nun zu debütiren in gefülltem Haus."

Endlich aus Ben Jonsons berühmtem, achtzig Verse langem Gedichte nur
einige entscheidende Hauptstellen:

"Du Seele unsrer Zeit! -- so ich beginne:
Beifall und Labung! Wunder unsrer Bühne!
Mein Shakespeare auf! Ich leg' dich nicht inmitten
Von Chaucer. Spenser, will nicht Bcnumont bitten,
Hinaufzurücken, dir den Platz zu leeren. --
Du selbst ein Denkmal, kannst der Grust entbehren.
Auch lebst du ja, denn deine Werke leben,
Und uns ward Witz sie preisend zu erheben. --
Mir scheint nickt Recht, mit jenen dich zu nennen.
Den Großen, die sich dir nicht messen können.

Verfall' dein Stratford-Monument im Bruch,
Doch wirst du ewig leben hier im Buch.
Mag Marmor auch und Erz in Staub vergehen,
Lebendig wird dich stets die Nachwelt sehen.
Des Neuen satt greift sie zurück zum Alten,
Wird, was nicht Shakespeare's heißt, für Abart halten
Und jeder Vers und jede Zeile soll
Dich aus dem Grabe zaubern lebensvoll.
Wie naso sagt: nicht Flaum' und Rost der Zeiten
Soll deinem Buche Untergang bereiten.
Nie werd' ich dich für todt erachten, Schatten!
Bis der verwaisten Bühne kommt zu Statten
Ein neuer bessrer Stil, als deiner da,
Drin Romeo erglüht für Julia;
Bis edler sich die wohlgefügte Rede
Vernehmen läßt, als in der Römer Fehde;
Bis eines andern Dichters Kunst und Geist
Sich überlegen deiner Gluth erweist;
Sei sicher, Shakespeare! nimmer wirst du sterben,
Wirst dir im Lorbeer Ewigkeit erwerben!"

Ein weiteres humoristisches Gedicht, unterzeichnet ^. N., lautet etwa so:

„Wir staunten, Shakespeare, dich von der Lcbensscen'
Zur Grabesgardcrob' abgehn zu sehn.
Todt scheinst du uns; doch dein gedrucktes Wort
Sagt jetzt dem Publikum, du gingst nur fort
'
Zu Rückkehr mit Applaus! Sist Künstlerart;
Die Rolle schließt, er selbst lebt auf in neuem Part.
So tratst du nur zur Sterblichkeit hinaus
Um nun zu debütiren in gefülltem Haus."

Endlich aus Ben Jonsons berühmtem, achtzig Verse langem Gedichte nur
einige entscheidende Hauptstellen:

„Du Seele unsrer Zeit! — so ich beginne:
Beifall und Labung! Wunder unsrer Bühne!
Mein Shakespeare auf! Ich leg' dich nicht inmitten
Von Chaucer. Spenser, will nicht Bcnumont bitten,
Hinaufzurücken, dir den Platz zu leeren. —
Du selbst ein Denkmal, kannst der Grust entbehren.
Auch lebst du ja, denn deine Werke leben,
Und uns ward Witz sie preisend zu erheben. —
Mir scheint nickt Recht, mit jenen dich zu nennen.
Den Großen, die sich dir nicht messen können.

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[0208] Verfall' dein Stratford-Monument im Bruch, Doch wirst du ewig leben hier im Buch. Mag Marmor auch und Erz in Staub vergehen, Lebendig wird dich stets die Nachwelt sehen. Des Neuen satt greift sie zurück zum Alten, Wird, was nicht Shakespeare's heißt, für Abart halten Und jeder Vers und jede Zeile soll Dich aus dem Grabe zaubern lebensvoll. Wie naso sagt: nicht Flaum' und Rost der Zeiten Soll deinem Buche Untergang bereiten. Nie werd' ich dich für todt erachten, Schatten! Bis der verwaisten Bühne kommt zu Statten Ein neuer bessrer Stil, als deiner da, Drin Romeo erglüht für Julia; Bis edler sich die wohlgefügte Rede Vernehmen läßt, als in der Römer Fehde; Bis eines andern Dichters Kunst und Geist Sich überlegen deiner Gluth erweist; Sei sicher, Shakespeare! nimmer wirst du sterben, Wirst dir im Lorbeer Ewigkeit erwerben!" Ein weiteres humoristisches Gedicht, unterzeichnet ^. N., lautet etwa so: „Wir staunten, Shakespeare, dich von der Lcbensscen' Zur Grabesgardcrob' abgehn zu sehn. Todt scheinst du uns; doch dein gedrucktes Wort Sagt jetzt dem Publikum, du gingst nur fort ' Zu Rückkehr mit Applaus! Sist Künstlerart; Die Rolle schließt, er selbst lebt auf in neuem Part. So tratst du nur zur Sterblichkeit hinaus Um nun zu debütiren in gefülltem Haus." Endlich aus Ben Jonsons berühmtem, achtzig Verse langem Gedichte nur einige entscheidende Hauptstellen: „Du Seele unsrer Zeit! — so ich beginne: Beifall und Labung! Wunder unsrer Bühne! Mein Shakespeare auf! Ich leg' dich nicht inmitten Von Chaucer. Spenser, will nicht Bcnumont bitten, Hinaufzurücken, dir den Platz zu leeren. — Du selbst ein Denkmal, kannst der Grust entbehren. Auch lebst du ja, denn deine Werke leben, Und uns ward Witz sie preisend zu erheben. — Mir scheint nickt Recht, mit jenen dich zu nennen. Den Großen, die sich dir nicht messen können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/208>, abgerufen am 02.07.2024.