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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Bei weitem den größten Theil der Arbeitskraft in den Jahren der voll¬
sten Reife und meist noch ungestörter Körvcrfrische verwandte Rückert, trotz
der vielseitigsten gelehrten Thätigkeit, von der bisher nur ein paar Rich¬
tungen angedeutet wurden, auf sein eigentliches wissenschaftliches Berufsfach
im gewöhnlichen und im höchsten Sinne, die orientalischen Sprachen. Das
Dreigestirn des Arabischen. Persischen und Sanskrit, das man zu meinen
pflegt, wenn man von orientalischen Sprachen und Literaturen schlechtweg
spricht, war ihm verhältnißmäßig erst spät aufgegangen. Vor seiner Rückkehr
aus Italien, im Herbste 1818, hatte er nur aus abgeleiteten Quellen den
Orient mehr ahnen als kennen gelernt, wofür seine Habilitationsschrift zeugt.
Aber er war doch schon auf dem richtigen Wege: die Herrlichkeit der orienta¬
lischen Poesie in ihrem seldstwüchsigen Rechte neben der antikclassischcn wird
dort ausdrücklich betont und gepriesen, ebenso daß das Sanskrit den Schlüssel
für die gesammte Sprachforschung zu geben bestimmt sei. Aber erst der per¬
sönliche Umgang mit Hammer führte ihn zu wirklichen Studien. Er bewahrte
diesem Manne daher auch immerfort ein dankbares Gedächtniß, obwohl niemand
unter allen Lebenden so wie Rückert befähigt war, seine oft beinahe lächerlichen
wissenschaftlichen und ästhetischen Mängel zu erkennen. Ein freundlicher brief¬
licher Verkehr zwischen den beiden setzte sich lange Jahre fort, bis er endlich
von Seite Hammers auf eine gradezu unbegreifliche Weise gestört wurde, sei
es, weil er den Ruhm seines ehemaligen Clienten, den er in gewissem Sinne
auch für seinen Schüler rechnete, beneidete, sei es, daß irgendwelche Einflüste¬
rungen den eiteln und leicht erregbaren Mann irre machten. Durch Hammer
wurde Rückert auch in die Wiener Jahrbücher der Literatur eingeführt, für
welche er namentlich in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre eine ganze Reihe
von Recensionen lieferte. Damals existirte in Deutschland noch keine orientalische
Specialzcitschrift, aber die jetzt lange begrabenen und beinahe vergessenen Wiener
Jahrbücher öffneten bereitwillig ihre Spalten auch den umfangreichsten Auf¬
sätzen aus jenem Fache, wenn sie sich nur an die kanonische Form der Recension
banden. Auf diese Art sind einige dieser Recensionen beinahe zu der Größe
eines mäßigen Buches angeschwollen und, wie schon bemerkt, alles andere eher,
als was man so gewöhnlich unter einer bloßen Recension versteht.

Thatsächlich reducirte sich der Einfluß Hammers auf Rückert blos auf eine
allgemeinste Hodegetik zum Studium der orientalischen Sprachen, die er selbst
verstand, d.h. Arabisch. Persisch und Türkisch, nebst allerlei freundlicher Aus¬
hilfe an Büchern und anderem gelehrten Apparat. Gelernt hat Rückert von
Hammer höchstens nur, wie man es nicht machen darf, sowohl als factischer
Gelehrter wie als Uebersetzer. Rückert war von Anfang an auf seine eigene
Kraft verwiesen, aber er setzte diese nun auch, sobald er seit dem Jahre 1820
mit seinem früheren Wanderleben abgeschlossen und sich in Koburg niedergelassen,


Bei weitem den größten Theil der Arbeitskraft in den Jahren der voll¬
sten Reife und meist noch ungestörter Körvcrfrische verwandte Rückert, trotz
der vielseitigsten gelehrten Thätigkeit, von der bisher nur ein paar Rich¬
tungen angedeutet wurden, auf sein eigentliches wissenschaftliches Berufsfach
im gewöhnlichen und im höchsten Sinne, die orientalischen Sprachen. Das
Dreigestirn des Arabischen. Persischen und Sanskrit, das man zu meinen
pflegt, wenn man von orientalischen Sprachen und Literaturen schlechtweg
spricht, war ihm verhältnißmäßig erst spät aufgegangen. Vor seiner Rückkehr
aus Italien, im Herbste 1818, hatte er nur aus abgeleiteten Quellen den
Orient mehr ahnen als kennen gelernt, wofür seine Habilitationsschrift zeugt.
Aber er war doch schon auf dem richtigen Wege: die Herrlichkeit der orienta¬
lischen Poesie in ihrem seldstwüchsigen Rechte neben der antikclassischcn wird
dort ausdrücklich betont und gepriesen, ebenso daß das Sanskrit den Schlüssel
für die gesammte Sprachforschung zu geben bestimmt sei. Aber erst der per¬
sönliche Umgang mit Hammer führte ihn zu wirklichen Studien. Er bewahrte
diesem Manne daher auch immerfort ein dankbares Gedächtniß, obwohl niemand
unter allen Lebenden so wie Rückert befähigt war, seine oft beinahe lächerlichen
wissenschaftlichen und ästhetischen Mängel zu erkennen. Ein freundlicher brief¬
licher Verkehr zwischen den beiden setzte sich lange Jahre fort, bis er endlich
von Seite Hammers auf eine gradezu unbegreifliche Weise gestört wurde, sei
es, weil er den Ruhm seines ehemaligen Clienten, den er in gewissem Sinne
auch für seinen Schüler rechnete, beneidete, sei es, daß irgendwelche Einflüste¬
rungen den eiteln und leicht erregbaren Mann irre machten. Durch Hammer
wurde Rückert auch in die Wiener Jahrbücher der Literatur eingeführt, für
welche er namentlich in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre eine ganze Reihe
von Recensionen lieferte. Damals existirte in Deutschland noch keine orientalische
Specialzcitschrift, aber die jetzt lange begrabenen und beinahe vergessenen Wiener
Jahrbücher öffneten bereitwillig ihre Spalten auch den umfangreichsten Auf¬
sätzen aus jenem Fache, wenn sie sich nur an die kanonische Form der Recension
banden. Auf diese Art sind einige dieser Recensionen beinahe zu der Größe
eines mäßigen Buches angeschwollen und, wie schon bemerkt, alles andere eher,
als was man so gewöhnlich unter einer bloßen Recension versteht.

Thatsächlich reducirte sich der Einfluß Hammers auf Rückert blos auf eine
allgemeinste Hodegetik zum Studium der orientalischen Sprachen, die er selbst
verstand, d.h. Arabisch. Persisch und Türkisch, nebst allerlei freundlicher Aus¬
hilfe an Büchern und anderem gelehrten Apparat. Gelernt hat Rückert von
Hammer höchstens nur, wie man es nicht machen darf, sowohl als factischer
Gelehrter wie als Uebersetzer. Rückert war von Anfang an auf seine eigene
Kraft verwiesen, aber er setzte diese nun auch, sobald er seit dem Jahre 1820
mit seinem früheren Wanderleben abgeschlossen und sich in Koburg niedergelassen,


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[0157] Bei weitem den größten Theil der Arbeitskraft in den Jahren der voll¬ sten Reife und meist noch ungestörter Körvcrfrische verwandte Rückert, trotz der vielseitigsten gelehrten Thätigkeit, von der bisher nur ein paar Rich¬ tungen angedeutet wurden, auf sein eigentliches wissenschaftliches Berufsfach im gewöhnlichen und im höchsten Sinne, die orientalischen Sprachen. Das Dreigestirn des Arabischen. Persischen und Sanskrit, das man zu meinen pflegt, wenn man von orientalischen Sprachen und Literaturen schlechtweg spricht, war ihm verhältnißmäßig erst spät aufgegangen. Vor seiner Rückkehr aus Italien, im Herbste 1818, hatte er nur aus abgeleiteten Quellen den Orient mehr ahnen als kennen gelernt, wofür seine Habilitationsschrift zeugt. Aber er war doch schon auf dem richtigen Wege: die Herrlichkeit der orienta¬ lischen Poesie in ihrem seldstwüchsigen Rechte neben der antikclassischcn wird dort ausdrücklich betont und gepriesen, ebenso daß das Sanskrit den Schlüssel für die gesammte Sprachforschung zu geben bestimmt sei. Aber erst der per¬ sönliche Umgang mit Hammer führte ihn zu wirklichen Studien. Er bewahrte diesem Manne daher auch immerfort ein dankbares Gedächtniß, obwohl niemand unter allen Lebenden so wie Rückert befähigt war, seine oft beinahe lächerlichen wissenschaftlichen und ästhetischen Mängel zu erkennen. Ein freundlicher brief¬ licher Verkehr zwischen den beiden setzte sich lange Jahre fort, bis er endlich von Seite Hammers auf eine gradezu unbegreifliche Weise gestört wurde, sei es, weil er den Ruhm seines ehemaligen Clienten, den er in gewissem Sinne auch für seinen Schüler rechnete, beneidete, sei es, daß irgendwelche Einflüste¬ rungen den eiteln und leicht erregbaren Mann irre machten. Durch Hammer wurde Rückert auch in die Wiener Jahrbücher der Literatur eingeführt, für welche er namentlich in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre eine ganze Reihe von Recensionen lieferte. Damals existirte in Deutschland noch keine orientalische Specialzcitschrift, aber die jetzt lange begrabenen und beinahe vergessenen Wiener Jahrbücher öffneten bereitwillig ihre Spalten auch den umfangreichsten Auf¬ sätzen aus jenem Fache, wenn sie sich nur an die kanonische Form der Recension banden. Auf diese Art sind einige dieser Recensionen beinahe zu der Größe eines mäßigen Buches angeschwollen und, wie schon bemerkt, alles andere eher, als was man so gewöhnlich unter einer bloßen Recension versteht. Thatsächlich reducirte sich der Einfluß Hammers auf Rückert blos auf eine allgemeinste Hodegetik zum Studium der orientalischen Sprachen, die er selbst verstand, d.h. Arabisch. Persisch und Türkisch, nebst allerlei freundlicher Aus¬ hilfe an Büchern und anderem gelehrten Apparat. Gelernt hat Rückert von Hammer höchstens nur, wie man es nicht machen darf, sowohl als factischer Gelehrter wie als Uebersetzer. Rückert war von Anfang an auf seine eigene Kraft verwiesen, aber er setzte diese nun auch, sobald er seit dem Jahre 1820 mit seinem früheren Wanderleben abgeschlossen und sich in Koburg niedergelassen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/157>, abgerufen am 26.07.2024.