Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.so sehr im Unrecht sind, wie die Berichterstatter meinen, wäre nicht ganz schwer Großer Erfolge können sich unsre Erzähler freilich nicht rühmen, obgleich Die Sprache, in welcher unsere Missionäre mit den Bewohnern der West- Die Reise durch wilde Gebirge und von Räubern arg heimgesuchte Gegenden Der Beliebt ist jedenfalls nach und nach geschrieben. Am deutlichsten erhellt Das Geographische anlangend, so wird sich der Leser nach den Haupt¬ so sehr im Unrecht sind, wie die Berichterstatter meinen, wäre nicht ganz schwer Großer Erfolge können sich unsre Erzähler freilich nicht rühmen, obgleich Die Sprache, in welcher unsere Missionäre mit den Bewohnern der West- Die Reise durch wilde Gebirge und von Räubern arg heimgesuchte Gegenden Der Beliebt ist jedenfalls nach und nach geschrieben. Am deutlichsten erhellt Das Geographische anlangend, so wird sich der Leser nach den Haupt¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0128" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286276"/> <p xml:id="ID_349" prev="#ID_348"> so sehr im Unrecht sind, wie die Berichterstatter meinen, wäre nicht ganz schwer<lb/> zu beweisen; doch unterliegt es keinem Zweifel, daß sie eben keinen hohen Stand¬<lb/> punkt einnehmen, und daß das altmorgenländische Wesen mit seinem Hängen<lb/> an Aeußerlichkeiten — hier dreht sich der Streit namentlich um das Fasten —<lb/> für Naturen, die ein wahrhaft religiöses Bedürfniß empfinden, keinen Vergleich<lb/> aushalten kann mit dem Christenthum der Amerikaner und ihrer Zöglinge trotz<lb/> seiner unläugbaren Schwächen.</p><lb/> <p xml:id="ID_350"> Großer Erfolge können sich unsre Erzähler freilich nicht rühmen, obgleich<lb/> sie ihre Aufgabe allem Anschein nach in Anbetracht der Landes- und sonstigen<lb/> Verhältnisse recht geschickt angreifen. Ohne Zweifel haben einheimische Geist¬<lb/> liche, die ausdrücklich die höchsten Autoritäten der alten Kirche anerkennen und<lb/> sich leicht bis zu einem gewissen Grade den Anschauungen ihrer Zuhörer accom-<lb/> modiren, bessere Aussichten des Gelingens, als ganz fremde Misstonäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_351"> Die Sprache, in welcher unsere Missionäre mit den Bewohnern der West-<lb/> lichen Gegenden verkehrten, war wohl hauptsächlich die diesseits und jenseits der<lb/> kurdischen Berge allgemein verbreitete türkische. Zwar ist die eigentliche Mutter¬<lb/> sprache aller dieser Nestorianer ein syrischer Dialekt, aber nach bestimmten An¬<lb/> gaben in der genannten Zeitschrift ist das Syrische in Botan so verschieden von<lb/> dem in Arenia, daß ein gegenseitiges Verständniß in der Muttersprache nicht<lb/> möglich ist. Mit etwas gelehrteren Geistlichen konnte man in der altsyrischen<lb/> Schriftsprache verkehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_352"> Die Reise durch wilde Gebirge und von Räubern arg heimgesuchte Gegenden<lb/> war natürlich nicht ohne Gefahr; doch scheint die Furchtsamkeit der Bericht¬<lb/> erstatter noch größer gewesen zu sein als diese. Nur die Nestorianer der innern<lb/> Hochgebirge hegen eben einen tapfern, selbstbewußten Geist, während die in den<lb/> Ebenen unter persischem oder türkischem Druck seit langer Zeit niedergebeugten<lb/> ganz den demüthigen, ängstlichen Sinn der Rajas zeigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_353"> Der Beliebt ist jedenfalls nach und nach geschrieben. Am deutlichsten erhellt<lb/> dies aus der Stelle, nach der die Briefe aus Mosul noch nicht angekommen<lb/> sind, während nachher deren Ankunft und noch bedeutend spätere Ereignisse<lb/> erzählt werden. Ob der Bericht blos von einem der Beiden (Murad Chan)<lb/> abgefaßt ist, oder ob sein Gefährte auch Theil daran hat. ist nicht zu sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_354" next="#ID_355"> Das Geographische anlangend, so wird sich der Leser nach den Haupt¬<lb/> punkten leicht im Allgemeinen orientiren. Die Reise geht von Arenia am Ufer<lb/> des danach benannten Sees im westlichen Aserbaidschan (Nordmedien) mitten<lb/> ins Kurdengebirge hinein nach Kutschanis, dem Sitz des Patriarchen der Ne¬<lb/> storianer, und von hier über Dschulamerg, den Hauptort dieser Gegend, zunächst<lb/> am Ufer des wilden Bergstroms Zab her über Amedia und Alkosch nach Mosul,<lb/> gegenüber dem alten Ninive; von hier aus geht es nördlich nach Gezira<lb/> (Dscheziret Ihr Omar) im Tigris und weiter in das nahgelegne höhere Land.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0128]
so sehr im Unrecht sind, wie die Berichterstatter meinen, wäre nicht ganz schwer
zu beweisen; doch unterliegt es keinem Zweifel, daß sie eben keinen hohen Stand¬
punkt einnehmen, und daß das altmorgenländische Wesen mit seinem Hängen
an Aeußerlichkeiten — hier dreht sich der Streit namentlich um das Fasten —
für Naturen, die ein wahrhaft religiöses Bedürfniß empfinden, keinen Vergleich
aushalten kann mit dem Christenthum der Amerikaner und ihrer Zöglinge trotz
seiner unläugbaren Schwächen.
Großer Erfolge können sich unsre Erzähler freilich nicht rühmen, obgleich
sie ihre Aufgabe allem Anschein nach in Anbetracht der Landes- und sonstigen
Verhältnisse recht geschickt angreifen. Ohne Zweifel haben einheimische Geist¬
liche, die ausdrücklich die höchsten Autoritäten der alten Kirche anerkennen und
sich leicht bis zu einem gewissen Grade den Anschauungen ihrer Zuhörer accom-
modiren, bessere Aussichten des Gelingens, als ganz fremde Misstonäre.
Die Sprache, in welcher unsere Missionäre mit den Bewohnern der West-
lichen Gegenden verkehrten, war wohl hauptsächlich die diesseits und jenseits der
kurdischen Berge allgemein verbreitete türkische. Zwar ist die eigentliche Mutter¬
sprache aller dieser Nestorianer ein syrischer Dialekt, aber nach bestimmten An¬
gaben in der genannten Zeitschrift ist das Syrische in Botan so verschieden von
dem in Arenia, daß ein gegenseitiges Verständniß in der Muttersprache nicht
möglich ist. Mit etwas gelehrteren Geistlichen konnte man in der altsyrischen
Schriftsprache verkehren.
Die Reise durch wilde Gebirge und von Räubern arg heimgesuchte Gegenden
war natürlich nicht ohne Gefahr; doch scheint die Furchtsamkeit der Bericht¬
erstatter noch größer gewesen zu sein als diese. Nur die Nestorianer der innern
Hochgebirge hegen eben einen tapfern, selbstbewußten Geist, während die in den
Ebenen unter persischem oder türkischem Druck seit langer Zeit niedergebeugten
ganz den demüthigen, ängstlichen Sinn der Rajas zeigen.
Der Beliebt ist jedenfalls nach und nach geschrieben. Am deutlichsten erhellt
dies aus der Stelle, nach der die Briefe aus Mosul noch nicht angekommen
sind, während nachher deren Ankunft und noch bedeutend spätere Ereignisse
erzählt werden. Ob der Bericht blos von einem der Beiden (Murad Chan)
abgefaßt ist, oder ob sein Gefährte auch Theil daran hat. ist nicht zu sehen.
Das Geographische anlangend, so wird sich der Leser nach den Haupt¬
punkten leicht im Allgemeinen orientiren. Die Reise geht von Arenia am Ufer
des danach benannten Sees im westlichen Aserbaidschan (Nordmedien) mitten
ins Kurdengebirge hinein nach Kutschanis, dem Sitz des Patriarchen der Ne¬
storianer, und von hier über Dschulamerg, den Hauptort dieser Gegend, zunächst
am Ufer des wilden Bergstroms Zab her über Amedia und Alkosch nach Mosul,
gegenüber dem alten Ninive; von hier aus geht es nördlich nach Gezira
(Dscheziret Ihr Omar) im Tigris und weiter in das nahgelegne höhere Land.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |