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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Nordarmee zu doppelt kräftiger Vertheidigung des Landes ermahnt hatte. Die
Angeworbenen erhielten, wenn sie schon früher als Unteroffiziere oder Gemeine
Militärdienste geleistet, 40 oder 35 Gulden, sonst aber 2S Gulden Handgeld,
wodurch sich dann eine wahre Musterkarte flotter Gesellen zusammenfand, meist
wälsche Arbeiter, die durch die Einstellung der Brennerbahn brodlos geworden,
auch ehemalige päpstliche und mexikanische Söldner und selbst abgehärtete Kost¬
gänger von Arresten. Das Resultat konnten nur jene als befriedigend ansehen,
die Schützen um jeden Preis wollten und die dadurch erwachsenen Kosten gar
nicht in Anschlag brachten. Noch größere Verdienste sammelten sich die Retter
der Ehre Wälschtirols. Die vecrätherischen Signori, welche die Ankunft des
Generals Medici mit unsäglichem Jubel gefeiert, sollten beschämt werden durch
die allgemeine Stimme des Volkes. > Schon bei der Erstürmung Borgos gab
es Bauern, die sich nur Stutzen erbaten, um mit den Kaiserlichen zu kämpfen,
über viele andere nicht minder offenbare Kundgebungen von Patriotismus hielt
die Polizei in Trient Vormerkung. Man wußte dies in Wien so darzustellen,
als ob sich durch ganz Wälschtirol nur ein Schrei der Entrüstung erhoben über
den verwegenen Feind, als ob alle, mit Ausnahme der Signori, nur der eine
Wunsch beseelte, ihn mit bewaffneter Hand aus dem Lande zu jagen. Eine
allerhöchste Entschließung vom 6. August ermächtigte sohin den Generalmajor
Baron Kühn, auch in Wälschtirol d.e Landesvertheidigung zu organisiren und
schon am 10. desselben Monats erging dessen Aufruf an die Südtiroler. Er
gemahnte sie ihrer alten Anhänglichkeit an das Kaiserhaus und forderte sie auf,
sich um die siegreichen Fahnen Oestreichs zu schaaren und ihren stillen Thälern
die Segnungen des Friedens für immer zu erkämpfen. Eine angehängte Kund¬
machung des k. k. Hofraths Graf Hohenwart enthielt auch die nähern Bestim¬
mungen über ihre Aufstellung. Alle Einwohner vom 18. bis zu 60 Jahren
wurden aufgerufen sich bei ihrer Prätur zu melden, um das kurz nachher aus
2,200 Mann festgesetzte Contingent von Landesschützen zu stellen, das nicht
überschritten werden durfte. Für den Fall eines Abgangs sollten zur Ergän¬
zung die Militärpflichtiger nach den vorhandenen Listen einstehen. Alle ohne
Unterschied erhielten ein Handgeld von 12 Gulden, und zwar die Hälfte davon
zur Beischaffung von Kleidung und Schuhen; sie durften aber nicht gleich den
deutschtirolischen Landesschützen ihre Offiziere selbst wählen, sondern erhielten
sie von der k. k. Armee. Zur Deckung der Kosten dieser Werbung überbrachte
ein geheimer Bote 8,000 Stück Napoleond'or nach Trient, als Sammelplätze
waren die Orte Predazzo, Eies, Stcnico und Vvlano bestimmt, nur für den
Bezirk Trient fand man keinen nöthig. Trotze des verschwenderischen Lobes über
die alte Anhänglichkeit der Wälschtiroler hegte man also doch einigen Zweifel
an ihrem guten Willen, wiewohl ohne Grund, da das Handgeld, so klein es
war, sie doch in Menge zur Kasse lockte. Fast noch mißtrauischer als die'etwaige


Nordarmee zu doppelt kräftiger Vertheidigung des Landes ermahnt hatte. Die
Angeworbenen erhielten, wenn sie schon früher als Unteroffiziere oder Gemeine
Militärdienste geleistet, 40 oder 35 Gulden, sonst aber 2S Gulden Handgeld,
wodurch sich dann eine wahre Musterkarte flotter Gesellen zusammenfand, meist
wälsche Arbeiter, die durch die Einstellung der Brennerbahn brodlos geworden,
auch ehemalige päpstliche und mexikanische Söldner und selbst abgehärtete Kost¬
gänger von Arresten. Das Resultat konnten nur jene als befriedigend ansehen,
die Schützen um jeden Preis wollten und die dadurch erwachsenen Kosten gar
nicht in Anschlag brachten. Noch größere Verdienste sammelten sich die Retter
der Ehre Wälschtirols. Die vecrätherischen Signori, welche die Ankunft des
Generals Medici mit unsäglichem Jubel gefeiert, sollten beschämt werden durch
die allgemeine Stimme des Volkes. > Schon bei der Erstürmung Borgos gab
es Bauern, die sich nur Stutzen erbaten, um mit den Kaiserlichen zu kämpfen,
über viele andere nicht minder offenbare Kundgebungen von Patriotismus hielt
die Polizei in Trient Vormerkung. Man wußte dies in Wien so darzustellen,
als ob sich durch ganz Wälschtirol nur ein Schrei der Entrüstung erhoben über
den verwegenen Feind, als ob alle, mit Ausnahme der Signori, nur der eine
Wunsch beseelte, ihn mit bewaffneter Hand aus dem Lande zu jagen. Eine
allerhöchste Entschließung vom 6. August ermächtigte sohin den Generalmajor
Baron Kühn, auch in Wälschtirol d.e Landesvertheidigung zu organisiren und
schon am 10. desselben Monats erging dessen Aufruf an die Südtiroler. Er
gemahnte sie ihrer alten Anhänglichkeit an das Kaiserhaus und forderte sie auf,
sich um die siegreichen Fahnen Oestreichs zu schaaren und ihren stillen Thälern
die Segnungen des Friedens für immer zu erkämpfen. Eine angehängte Kund¬
machung des k. k. Hofraths Graf Hohenwart enthielt auch die nähern Bestim¬
mungen über ihre Aufstellung. Alle Einwohner vom 18. bis zu 60 Jahren
wurden aufgerufen sich bei ihrer Prätur zu melden, um das kurz nachher aus
2,200 Mann festgesetzte Contingent von Landesschützen zu stellen, das nicht
überschritten werden durfte. Für den Fall eines Abgangs sollten zur Ergän¬
zung die Militärpflichtiger nach den vorhandenen Listen einstehen. Alle ohne
Unterschied erhielten ein Handgeld von 12 Gulden, und zwar die Hälfte davon
zur Beischaffung von Kleidung und Schuhen; sie durften aber nicht gleich den
deutschtirolischen Landesschützen ihre Offiziere selbst wählen, sondern erhielten
sie von der k. k. Armee. Zur Deckung der Kosten dieser Werbung überbrachte
ein geheimer Bote 8,000 Stück Napoleond'or nach Trient, als Sammelplätze
waren die Orte Predazzo, Eies, Stcnico und Vvlano bestimmt, nur für den
Bezirk Trient fand man keinen nöthig. Trotze des verschwenderischen Lobes über
die alte Anhänglichkeit der Wälschtiroler hegte man also doch einigen Zweifel
an ihrem guten Willen, wiewohl ohne Grund, da das Handgeld, so klein es
war, sie doch in Menge zur Kasse lockte. Fast noch mißtrauischer als die'etwaige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/125>, abgerufen am 02.07.2024.