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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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bergen, als einen Bundesstaat mit Preußen ertragen. Aber weiß man in
der Burg, daß solche Verkehrheit des Urtheils an allen Höfen übermächtig
ist? Hat man die Ueberzeugung, daß der Thronfolger von Darmstadt die Be¬
leidigung demüthig ertragen wird, um gar nicht von Baden zu reden, welches
ohnedies nur widerwillig dem Zwange nachgab? War man so überzeugt, daß in
keinem dieser Fürstenhöfe noch ein Funke von deutschem Fürstenstolze aufglühen
könne, der die Kläglichkeit dieses Vasallenthums fühlbar macht?

Doch gesetzt, man sei der Dynastien sicher, ihrer Kraftlosigkeit und
Willenlosigkeit, meint man denn auch die öffentliche Meinung in Deutschland
mit dem Schritte versöhnen zu können? Wir haben in dieser Stunde keine
Ursache, mit dem politischen Urtheil der Süddeutschen zufrieden zu sein, ein
ungerechtfertigter Preußenhaß befängt dort auch viele Verständige; aber es hieße
allzu niedrig denken von dem Ehrgefühl unserer deutschen Landsleute, wenn
man glauben wollte, daß sie ein solches Hereinrufen Frankreichs in die deutschen
Händel ohne tiefes und bitteres Wehgefühl ertragen. Was die preußischen
Siege nicht vermochten, das hat jetzt Oestreich selbst gethan, es hat ihnen die
Augen geöffnet über den Schutz, den sie von dem Kaiserstaat für ihre Nationa¬
lität zu hoffen haben, und über den Werth einer Bundesgenossenschaft, der sie
sich so vertrauend Hingaben. Es ist eine jämmerliche Lage, in welche die
östreichische Klugheit unsere vertrauenden Landsleute im Süden gebracht hat;
schon verfügt eine französische Zeitung, welche dafür gilt, stille Gedanken des
Kaisers Napoleon auszuplaudern, über Oberbayern, einen Theil Schwabens
und das badische Oberland als Entschädigungsgebiet für das kaiserliche Oestreich.
Wer kann zweifeln, daß die Regierung, welche einen Theil ihres Reiches ver¬
schenkt hat, mit derselben Leichtigkeit Landgebiet früherer Bundesgenossen an¬
nehmen werde, die ihm schon jetzt für treulos gelten, weil sie die blitzschnellen
Niederlagen der östreichischen Macht nicht aufzuhalten vermochten.

Und für dieses System sollen Bayern, Badenser und Hessen unterdeß ihr
Blut im Felde vergießen in unnützem Kampfe? Ihren Regierungen war die
Neutralität geboten und Garantie des Landbesitzes, sie heben den Krieg ge¬
wählt, weil sie Oestreich nicht von dem Bundesvertrag ausschließen wollten, den
ihnen Preußen anbot. Jetzt hat ihnen Oestreich dieses Opfer gelohnt in seiner
Weise, es hat die Zukunft ihrer Staaten abhängig gemacht von dem Kaiser
der Franzosen, und die Presse schleudert ihnen ins Gesicht, daß sie Verräther
oder doch werthlose Bundesgenossen seien.

Die einzelnen Heerkörper unsrer Landsleute in Süddeutschland sind sehr
tüchtig und den Preußen steht ernste Arbeit bevor, wenn das Widerwärtige un¬
vermeidlich wird und im Süden des Mains ein deutscher Stamm gegen den
andern kämpfen muß, die Truppen haben keine Schuld daran, daß hastige Po¬
litik ihrer Cabinete schneller in den Krieg getrieben hat, als der Friedenszustand


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bergen, als einen Bundesstaat mit Preußen ertragen. Aber weiß man in
der Burg, daß solche Verkehrheit des Urtheils an allen Höfen übermächtig
ist? Hat man die Ueberzeugung, daß der Thronfolger von Darmstadt die Be¬
leidigung demüthig ertragen wird, um gar nicht von Baden zu reden, welches
ohnedies nur widerwillig dem Zwange nachgab? War man so überzeugt, daß in
keinem dieser Fürstenhöfe noch ein Funke von deutschem Fürstenstolze aufglühen
könne, der die Kläglichkeit dieses Vasallenthums fühlbar macht?

Doch gesetzt, man sei der Dynastien sicher, ihrer Kraftlosigkeit und
Willenlosigkeit, meint man denn auch die öffentliche Meinung in Deutschland
mit dem Schritte versöhnen zu können? Wir haben in dieser Stunde keine
Ursache, mit dem politischen Urtheil der Süddeutschen zufrieden zu sein, ein
ungerechtfertigter Preußenhaß befängt dort auch viele Verständige; aber es hieße
allzu niedrig denken von dem Ehrgefühl unserer deutschen Landsleute, wenn
man glauben wollte, daß sie ein solches Hereinrufen Frankreichs in die deutschen
Händel ohne tiefes und bitteres Wehgefühl ertragen. Was die preußischen
Siege nicht vermochten, das hat jetzt Oestreich selbst gethan, es hat ihnen die
Augen geöffnet über den Schutz, den sie von dem Kaiserstaat für ihre Nationa¬
lität zu hoffen haben, und über den Werth einer Bundesgenossenschaft, der sie
sich so vertrauend Hingaben. Es ist eine jämmerliche Lage, in welche die
östreichische Klugheit unsere vertrauenden Landsleute im Süden gebracht hat;
schon verfügt eine französische Zeitung, welche dafür gilt, stille Gedanken des
Kaisers Napoleon auszuplaudern, über Oberbayern, einen Theil Schwabens
und das badische Oberland als Entschädigungsgebiet für das kaiserliche Oestreich.
Wer kann zweifeln, daß die Regierung, welche einen Theil ihres Reiches ver¬
schenkt hat, mit derselben Leichtigkeit Landgebiet früherer Bundesgenossen an¬
nehmen werde, die ihm schon jetzt für treulos gelten, weil sie die blitzschnellen
Niederlagen der östreichischen Macht nicht aufzuhalten vermochten.

Und für dieses System sollen Bayern, Badenser und Hessen unterdeß ihr
Blut im Felde vergießen in unnützem Kampfe? Ihren Regierungen war die
Neutralität geboten und Garantie des Landbesitzes, sie heben den Krieg ge¬
wählt, weil sie Oestreich nicht von dem Bundesvertrag ausschließen wollten, den
ihnen Preußen anbot. Jetzt hat ihnen Oestreich dieses Opfer gelohnt in seiner
Weise, es hat die Zukunft ihrer Staaten abhängig gemacht von dem Kaiser
der Franzosen, und die Presse schleudert ihnen ins Gesicht, daß sie Verräther
oder doch werthlose Bundesgenossen seien.

Die einzelnen Heerkörper unsrer Landsleute in Süddeutschland sind sehr
tüchtig und den Preußen steht ernste Arbeit bevor, wenn das Widerwärtige un¬
vermeidlich wird und im Süden des Mains ein deutscher Stamm gegen den
andern kämpfen muß, die Truppen haben keine Schuld daran, daß hastige Po¬
litik ihrer Cabinete schneller in den Krieg getrieben hat, als der Friedenszustand


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/97>, abgerufen am 22.07.2024.