Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lyhet ohne wiedernehmen. Wie soll man nicht zu sahen und alle Zwiespaltung
gantz abthun nach dem Evangelio, es hatt es auch niemand nicht macht sie ist
aus Menschlicher Ordnung herkommen welche S. Petrus nicht will zerrissen
haben, sondern man soll es predigen und denen heimgeben denen die Zinse ge¬
bühre. Ob sie von ihm selbst solch Evangelium wollen annehmen und den
Zins lassen fahren oder nicht. Nicht weiter kann man sie zwingen oder dringen
denn das Evangelium erfordert willige Hertzen die der geiht gottes treibt. Aber
das soll man mit den Zinsen, thun, daß man Menschen Ordnunge gesetze und
gebrauch in solchen zinsen so sie zu weit greiffen zurecht bringe und nach
der Billigkeit richte. Denn alle gesetz und gewohnhciten sollen der natbürlichen
Billigkeit als ihrer Regel und Meisteret unterworfen seyn." Er zeigt dann,
wie man allmälig die überschütteten Güter befreien könne von den Hypotheken-
zinsen, ohne einer der beiden Parteien zu schaden; gesetzlichen Zwang verwirft
er dabei durchaus. "Solches seyn alles unbillige Stücken und ist ein aufgedrungen
Evangelium denen, die es nicht mögen und wollen thun, welches ist unrecht, und
das Evangelium lehret woll frey alle gutt er fahren zu lassen, aber
wer mich dazu dringet oder zwinget, der nimbt mir das meine."
Er erkennt fünf Procent. entsprechend den weltlichen Gesehen, an; man solle aber
die Zinsen abmessen nach jedesmaligem Verhältniß der Parteien; nicht immer blos
der Schuldner, auch der Gläubiger könne arm und alt sein, dann dürfe man
ihm nicht "das maul von der krivve flössen und zum Better machen. Kurtzumb
hivor und auf diese weyse zu handeln kan man kein gesetz furschreiben,
sondern es steht alles in ansehn der Personen welche man nach der Liebe und Bil¬
ligkeit durch erkandniß gutter Leute muß fragen und unverdorben lassen sonsten
Würde ein unrecht alda seyn wo man der gestrengigkeit nach mit ihnen Ver¬
fahren solte."

Auch Melanchthon verwarf zuerst trotz dem strengsten Bekenner des Rechtes
der römischen Kirche alle Zinsen als Wucher, seine Beweise schlössen sich an die
Scholastiker an. Auf sein Wort, geständlich ohne eigenes Urtheil, schworen
weiter Ursinus, Crato von Crastheim, Martyr, Bullinger, Muskulus, auch
Brentius, Hieronymus, Weller. Man bestritt zum Theil Kaisern und welt¬
lichen Herrschern das Recht, an dem kirchlichen Zinsverbote etwas zu ändern,
man schritt gegen die weniger strengen Pastoren unmittelbar ein, man ver¬
ketzerte die hierin anders gesinnten Reformatoren, so den einsichtsvollen Calvin
und seine Anhänger Oekolampadius, Nivetus, Viretus, man bestimmte die
Fürsten, neue strenge Zinsvcrbote zu erlassen, zumal, wo letztere sich bei den
Reformatoren Raths erholten, wie vorhin Danzig bei Luther, hier Dänemark,
Braunschweig bei Melanchthon, Breslau bei Ursinus u. a.

Allein auch dieser Eifer erkaltete vor der Einsicht in seine bedenklichen


lyhet ohne wiedernehmen. Wie soll man nicht zu sahen und alle Zwiespaltung
gantz abthun nach dem Evangelio, es hatt es auch niemand nicht macht sie ist
aus Menschlicher Ordnung herkommen welche S. Petrus nicht will zerrissen
haben, sondern man soll es predigen und denen heimgeben denen die Zinse ge¬
bühre. Ob sie von ihm selbst solch Evangelium wollen annehmen und den
Zins lassen fahren oder nicht. Nicht weiter kann man sie zwingen oder dringen
denn das Evangelium erfordert willige Hertzen die der geiht gottes treibt. Aber
das soll man mit den Zinsen, thun, daß man Menschen Ordnunge gesetze und
gebrauch in solchen zinsen so sie zu weit greiffen zurecht bringe und nach
der Billigkeit richte. Denn alle gesetz und gewohnhciten sollen der natbürlichen
Billigkeit als ihrer Regel und Meisteret unterworfen seyn." Er zeigt dann,
wie man allmälig die überschütteten Güter befreien könne von den Hypotheken-
zinsen, ohne einer der beiden Parteien zu schaden; gesetzlichen Zwang verwirft
er dabei durchaus. „Solches seyn alles unbillige Stücken und ist ein aufgedrungen
Evangelium denen, die es nicht mögen und wollen thun, welches ist unrecht, und
das Evangelium lehret woll frey alle gutt er fahren zu lassen, aber
wer mich dazu dringet oder zwinget, der nimbt mir das meine."
Er erkennt fünf Procent. entsprechend den weltlichen Gesehen, an; man solle aber
die Zinsen abmessen nach jedesmaligem Verhältniß der Parteien; nicht immer blos
der Schuldner, auch der Gläubiger könne arm und alt sein, dann dürfe man
ihm nicht „das maul von der krivve flössen und zum Better machen. Kurtzumb
hivor und auf diese weyse zu handeln kan man kein gesetz furschreiben,
sondern es steht alles in ansehn der Personen welche man nach der Liebe und Bil¬
ligkeit durch erkandniß gutter Leute muß fragen und unverdorben lassen sonsten
Würde ein unrecht alda seyn wo man der gestrengigkeit nach mit ihnen Ver¬
fahren solte."

Auch Melanchthon verwarf zuerst trotz dem strengsten Bekenner des Rechtes
der römischen Kirche alle Zinsen als Wucher, seine Beweise schlössen sich an die
Scholastiker an. Auf sein Wort, geständlich ohne eigenes Urtheil, schworen
weiter Ursinus, Crato von Crastheim, Martyr, Bullinger, Muskulus, auch
Brentius, Hieronymus, Weller. Man bestritt zum Theil Kaisern und welt¬
lichen Herrschern das Recht, an dem kirchlichen Zinsverbote etwas zu ändern,
man schritt gegen die weniger strengen Pastoren unmittelbar ein, man ver¬
ketzerte die hierin anders gesinnten Reformatoren, so den einsichtsvollen Calvin
und seine Anhänger Oekolampadius, Nivetus, Viretus, man bestimmte die
Fürsten, neue strenge Zinsvcrbote zu erlassen, zumal, wo letztere sich bei den
Reformatoren Raths erholten, wie vorhin Danzig bei Luther, hier Dänemark,
Braunschweig bei Melanchthon, Breslau bei Ursinus u. a.

Allein auch dieser Eifer erkaltete vor der Einsicht in seine bedenklichen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0552" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286140"/>
          <p xml:id="ID_1959" prev="#ID_1958"> lyhet ohne wiedernehmen. Wie soll man nicht zu sahen und alle Zwiespaltung<lb/>
gantz abthun nach dem Evangelio, es hatt es auch niemand nicht macht sie ist<lb/>
aus Menschlicher Ordnung herkommen welche S. Petrus nicht will zerrissen<lb/>
haben, sondern man soll es predigen und denen heimgeben denen die Zinse ge¬<lb/>
bühre. Ob sie von ihm selbst solch Evangelium wollen annehmen und den<lb/>
Zins lassen fahren oder nicht. Nicht weiter kann man sie zwingen oder dringen<lb/>
denn das Evangelium erfordert willige Hertzen die der geiht gottes treibt. Aber<lb/>
das soll man mit den Zinsen, thun, daß man Menschen Ordnunge gesetze und<lb/>
gebrauch in solchen zinsen so sie zu weit greiffen zurecht bringe und nach<lb/>
der Billigkeit richte. Denn alle gesetz und gewohnhciten sollen der natbürlichen<lb/>
Billigkeit als ihrer Regel und Meisteret unterworfen seyn." Er zeigt dann,<lb/>
wie man allmälig die überschütteten Güter befreien könne von den Hypotheken-<lb/>
zinsen, ohne einer der beiden Parteien zu schaden; gesetzlichen Zwang verwirft<lb/>
er dabei durchaus. &#x201E;Solches seyn alles unbillige Stücken und ist ein aufgedrungen<lb/>
Evangelium denen, die es nicht mögen und wollen thun, welches ist unrecht, und<lb/>
das Evangelium lehret woll frey alle gutt er fahren zu lassen, aber<lb/>
wer mich dazu dringet oder zwinget, der nimbt mir das meine."<lb/>
Er erkennt fünf Procent. entsprechend den weltlichen Gesehen, an; man solle aber<lb/>
die Zinsen abmessen nach jedesmaligem Verhältniß der Parteien; nicht immer blos<lb/>
der Schuldner, auch der Gläubiger könne arm und alt sein, dann dürfe man<lb/>
ihm nicht &#x201E;das maul von der krivve flössen und zum Better machen. Kurtzumb<lb/>
hivor und auf diese weyse zu handeln kan man kein gesetz furschreiben,<lb/>
sondern es steht alles in ansehn der Personen welche man nach der Liebe und Bil¬<lb/>
ligkeit durch erkandniß gutter Leute muß fragen und unverdorben lassen sonsten<lb/>
Würde ein unrecht alda seyn wo man der gestrengigkeit nach mit ihnen Ver¬<lb/>
fahren solte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1960"> Auch Melanchthon verwarf zuerst trotz dem strengsten Bekenner des Rechtes<lb/>
der römischen Kirche alle Zinsen als Wucher, seine Beweise schlössen sich an die<lb/>
Scholastiker an. Auf sein Wort, geständlich ohne eigenes Urtheil, schworen<lb/>
weiter Ursinus, Crato von Crastheim, Martyr, Bullinger, Muskulus, auch<lb/>
Brentius, Hieronymus, Weller. Man bestritt zum Theil Kaisern und welt¬<lb/>
lichen Herrschern das Recht, an dem kirchlichen Zinsverbote etwas zu ändern,<lb/>
man schritt gegen die weniger strengen Pastoren unmittelbar ein, man ver¬<lb/>
ketzerte die hierin anders gesinnten Reformatoren, so den einsichtsvollen Calvin<lb/>
und seine Anhänger Oekolampadius, Nivetus, Viretus, man bestimmte die<lb/>
Fürsten, neue strenge Zinsvcrbote zu erlassen, zumal, wo letztere sich bei den<lb/>
Reformatoren Raths erholten, wie vorhin Danzig bei Luther, hier Dänemark,<lb/>
Braunschweig bei Melanchthon, Breslau bei Ursinus u. a.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1961" next="#ID_1962"> Allein auch dieser Eifer erkaltete vor der Einsicht in seine bedenklichen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0552] lyhet ohne wiedernehmen. Wie soll man nicht zu sahen und alle Zwiespaltung gantz abthun nach dem Evangelio, es hatt es auch niemand nicht macht sie ist aus Menschlicher Ordnung herkommen welche S. Petrus nicht will zerrissen haben, sondern man soll es predigen und denen heimgeben denen die Zinse ge¬ bühre. Ob sie von ihm selbst solch Evangelium wollen annehmen und den Zins lassen fahren oder nicht. Nicht weiter kann man sie zwingen oder dringen denn das Evangelium erfordert willige Hertzen die der geiht gottes treibt. Aber das soll man mit den Zinsen, thun, daß man Menschen Ordnunge gesetze und gebrauch in solchen zinsen so sie zu weit greiffen zurecht bringe und nach der Billigkeit richte. Denn alle gesetz und gewohnhciten sollen der natbürlichen Billigkeit als ihrer Regel und Meisteret unterworfen seyn." Er zeigt dann, wie man allmälig die überschütteten Güter befreien könne von den Hypotheken- zinsen, ohne einer der beiden Parteien zu schaden; gesetzlichen Zwang verwirft er dabei durchaus. „Solches seyn alles unbillige Stücken und ist ein aufgedrungen Evangelium denen, die es nicht mögen und wollen thun, welches ist unrecht, und das Evangelium lehret woll frey alle gutt er fahren zu lassen, aber wer mich dazu dringet oder zwinget, der nimbt mir das meine." Er erkennt fünf Procent. entsprechend den weltlichen Gesehen, an; man solle aber die Zinsen abmessen nach jedesmaligem Verhältniß der Parteien; nicht immer blos der Schuldner, auch der Gläubiger könne arm und alt sein, dann dürfe man ihm nicht „das maul von der krivve flössen und zum Better machen. Kurtzumb hivor und auf diese weyse zu handeln kan man kein gesetz furschreiben, sondern es steht alles in ansehn der Personen welche man nach der Liebe und Bil¬ ligkeit durch erkandniß gutter Leute muß fragen und unverdorben lassen sonsten Würde ein unrecht alda seyn wo man der gestrengigkeit nach mit ihnen Ver¬ fahren solte." Auch Melanchthon verwarf zuerst trotz dem strengsten Bekenner des Rechtes der römischen Kirche alle Zinsen als Wucher, seine Beweise schlössen sich an die Scholastiker an. Auf sein Wort, geständlich ohne eigenes Urtheil, schworen weiter Ursinus, Crato von Crastheim, Martyr, Bullinger, Muskulus, auch Brentius, Hieronymus, Weller. Man bestritt zum Theil Kaisern und welt¬ lichen Herrschern das Recht, an dem kirchlichen Zinsverbote etwas zu ändern, man schritt gegen die weniger strengen Pastoren unmittelbar ein, man ver¬ ketzerte die hierin anders gesinnten Reformatoren, so den einsichtsvollen Calvin und seine Anhänger Oekolampadius, Nivetus, Viretus, man bestimmte die Fürsten, neue strenge Zinsvcrbote zu erlassen, zumal, wo letztere sich bei den Reformatoren Raths erholten, wie vorhin Danzig bei Luther, hier Dänemark, Braunschweig bei Melanchthon, Breslau bei Ursinus u. a. Allein auch dieser Eifer erkaltete vor der Einsicht in seine bedenklichen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/552
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/552>, abgerufen am 22.07.2024.