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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Partei Verbreitung in den Seelen, daß eine Restauration der alten Verhältnisse
nach allem, was vorausgegangen, für da,s sächsische Königshaus ein Quell un¬
ablässiger herber Gefühle und einer freudlosen Dauer sein würde trotz aller
Concessionen, welche man von Preußen aus ihnen machen könne, und serner,
daß es den alten Regenten beim edelsten Willen fortan sehr schwer sein werde,
unbefangen und zum Vortheile für den Staat ihres hohen Amtes zu walten.
Man meint hier, daß ein ferneres Gedeihen des Landes abhängig sei von dem
festesten Einschluß in den neuen Bundesstaat, und daß die mögliche Wiederkehr
ähnlicher persönlichen Stimmungen, wie sie im Frühling dieses Jahres das
Schicksal Sachsens beherrscht haben, ein unsägliches Unglück für Sachsen sein
würde. Man weiß auch sehr wohl, was den Sachse" fehlt, unser politisches Leben
ist zerbrochen, seit die sächsische Negierung die zu Recht bestehende Volksvertre¬
tung wegoctroyirt hat, wir sind reich an tüchtigen Geschäftsleuten, sehr arm
an Männern, welche für die höchsten realen Interessen der Gegenwart, für den
Staat geschult sind. Man erkennt hier, daß Sachsen aus dieser innern Ver¬
kümmerung am besten herauskommen kann, wenn jeder Kraft und jedem Talent
unseres Landes das weite Deutschland geöffnet wird, sich darin zu rühren. Das
deutsche Gemüth, welches zu lieben und zu verehren die tiefste Sehnsucht hat,
ist bei uns Sachsen nur nach der Familienseite reich entwickelt, auch den König
und seine Familie haben die Privattugenden ihres Lebens Vielen werth gewacht,
aber diese Loyalität, wie eifrig sie sich jetzt zuweilen äußert, reicht nicht aus,
das sächsische Volk über den Zug seiner besten Interessen zu täuschen. Diese
Auffassung und die Sorge um die erschütterten Grundlagen des materiellen
Gedeihens drängt hier unwiderstehlich nach Preußen hin. Zunächst die/ welche
selbst größere Interessen zu vertreten haben, aber dieselbe Auffassung verbreitet
sich auch im Volk. Ließe man ihr Zeit, so wird sie Sprache finden.

Aber während die großen Gestalten aus vergangener Zeit, König Friedrich
und die Feldherrn des Jahres 1813 stumm auf den Siegeszug der Männer
von Königsgrätz herabsehen, schließt man, so hören wir, Frieden mit dem
souveränen Königreich Sachsen.

Und man hört, Graf Bismarck sei ernsthaft erkrankt.




Partei Verbreitung in den Seelen, daß eine Restauration der alten Verhältnisse
nach allem, was vorausgegangen, für da,s sächsische Königshaus ein Quell un¬
ablässiger herber Gefühle und einer freudlosen Dauer sein würde trotz aller
Concessionen, welche man von Preußen aus ihnen machen könne, und serner,
daß es den alten Regenten beim edelsten Willen fortan sehr schwer sein werde,
unbefangen und zum Vortheile für den Staat ihres hohen Amtes zu walten.
Man meint hier, daß ein ferneres Gedeihen des Landes abhängig sei von dem
festesten Einschluß in den neuen Bundesstaat, und daß die mögliche Wiederkehr
ähnlicher persönlichen Stimmungen, wie sie im Frühling dieses Jahres das
Schicksal Sachsens beherrscht haben, ein unsägliches Unglück für Sachsen sein
würde. Man weiß auch sehr wohl, was den Sachse» fehlt, unser politisches Leben
ist zerbrochen, seit die sächsische Negierung die zu Recht bestehende Volksvertre¬
tung wegoctroyirt hat, wir sind reich an tüchtigen Geschäftsleuten, sehr arm
an Männern, welche für die höchsten realen Interessen der Gegenwart, für den
Staat geschult sind. Man erkennt hier, daß Sachsen aus dieser innern Ver¬
kümmerung am besten herauskommen kann, wenn jeder Kraft und jedem Talent
unseres Landes das weite Deutschland geöffnet wird, sich darin zu rühren. Das
deutsche Gemüth, welches zu lieben und zu verehren die tiefste Sehnsucht hat,
ist bei uns Sachsen nur nach der Familienseite reich entwickelt, auch den König
und seine Familie haben die Privattugenden ihres Lebens Vielen werth gewacht,
aber diese Loyalität, wie eifrig sie sich jetzt zuweilen äußert, reicht nicht aus,
das sächsische Volk über den Zug seiner besten Interessen zu täuschen. Diese
Auffassung und die Sorge um die erschütterten Grundlagen des materiellen
Gedeihens drängt hier unwiderstehlich nach Preußen hin. Zunächst die/ welche
selbst größere Interessen zu vertreten haben, aber dieselbe Auffassung verbreitet
sich auch im Volk. Ließe man ihr Zeit, so wird sie Sprache finden.

Aber während die großen Gestalten aus vergangener Zeit, König Friedrich
und die Feldherrn des Jahres 1813 stumm auf den Siegeszug der Männer
von Königsgrätz herabsehen, schließt man, so hören wir, Frieden mit dem
souveränen Königreich Sachsen.

Und man hört, Graf Bismarck sei ernsthaft erkrankt.




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[0522] Partei Verbreitung in den Seelen, daß eine Restauration der alten Verhältnisse nach allem, was vorausgegangen, für da,s sächsische Königshaus ein Quell un¬ ablässiger herber Gefühle und einer freudlosen Dauer sein würde trotz aller Concessionen, welche man von Preußen aus ihnen machen könne, und serner, daß es den alten Regenten beim edelsten Willen fortan sehr schwer sein werde, unbefangen und zum Vortheile für den Staat ihres hohen Amtes zu walten. Man meint hier, daß ein ferneres Gedeihen des Landes abhängig sei von dem festesten Einschluß in den neuen Bundesstaat, und daß die mögliche Wiederkehr ähnlicher persönlichen Stimmungen, wie sie im Frühling dieses Jahres das Schicksal Sachsens beherrscht haben, ein unsägliches Unglück für Sachsen sein würde. Man weiß auch sehr wohl, was den Sachse» fehlt, unser politisches Leben ist zerbrochen, seit die sächsische Negierung die zu Recht bestehende Volksvertre¬ tung wegoctroyirt hat, wir sind reich an tüchtigen Geschäftsleuten, sehr arm an Männern, welche für die höchsten realen Interessen der Gegenwart, für den Staat geschult sind. Man erkennt hier, daß Sachsen aus dieser innern Ver¬ kümmerung am besten herauskommen kann, wenn jeder Kraft und jedem Talent unseres Landes das weite Deutschland geöffnet wird, sich darin zu rühren. Das deutsche Gemüth, welches zu lieben und zu verehren die tiefste Sehnsucht hat, ist bei uns Sachsen nur nach der Familienseite reich entwickelt, auch den König und seine Familie haben die Privattugenden ihres Lebens Vielen werth gewacht, aber diese Loyalität, wie eifrig sie sich jetzt zuweilen äußert, reicht nicht aus, das sächsische Volk über den Zug seiner besten Interessen zu täuschen. Diese Auffassung und die Sorge um die erschütterten Grundlagen des materiellen Gedeihens drängt hier unwiderstehlich nach Preußen hin. Zunächst die/ welche selbst größere Interessen zu vertreten haben, aber dieselbe Auffassung verbreitet sich auch im Volk. Ließe man ihr Zeit, so wird sie Sprache finden. Aber während die großen Gestalten aus vergangener Zeit, König Friedrich und die Feldherrn des Jahres 1813 stumm auf den Siegeszug der Männer von Königsgrätz herabsehen, schließt man, so hören wir, Frieden mit dem souveränen Königreich Sachsen. Und man hört, Graf Bismarck sei ernsthaft erkrankt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/522>, abgerufen am 22.07.2024.