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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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nöthig macht. Die Diplomatie der deutschen Mittelstaaten hat zuweilen im
Auslande ein Geräusch verursacht und eine Bedeutung. gewonnen, die außer
allem Verhältniß zur wirtlichen Macht ihrer Staaten stand. Allerdings ihre
Nichtigkeit kann zuletzt in großen Krisen erwiesen werden, wie wir in diesem
Jahr erlebt haben, aber diese Beweisführung ist doch unbequem für den lange
geärgerten, gehemmten und geschädigten Großstaat. Auch in dem neuen Bun¬
desstaat vermag die regelmäßige Einwirkung, welche das Ausland durch die
Gesandten der eingefügten Staaten auf die Stimmung der respectiven Höfe
ausübt, die preußische Arbeit in vielen Fällen zu erschweren, Nußland und Mecklen¬
burg, Oestreich und Darmstadt, in der Zukunft Frankreich und Würtemberg
sind unbequeme Verbindungen, und es ist im höchsten Interesse Preußens, die
regelmäßige Strömung dieser Einwirkungen so viel als möglich zu beschränken,
die unvermeidlichen werden immer als ein Uebel ertragen werden müssen. Was
aber bei Oldenburg und Darmstadt vielleicht unbedenklich ist, wird in dem könig¬
lichen Sachsen viel bedenklicher. Es ist nicht wahrscheinlich, daß die Majestät
von Sachsen Herrn v. Beust zum Gesandten in Wien oder Paris ernennt,
aber wenn sie dies thun will in Jahr und Tag, welches Recht hat Preußen,
das zu wehren? Und wird nicht jeder Versuch zu wehren eine neue Veran¬
lassung peinlicher Differenzen? Herr v. Beust ist kein fürchterlicher Gegner,
aber er ist ähnlich wie gewisse versteinerte Muscheln in der Geologie, der cha¬
rakteristische Typus einer ganzen diplomatischen Schicht, welche durch das klein-
staatliche Treiben niedergeschlagen wird.

Es ist ferner davon die Rede, dem Lande Sachsen alle Kriegskosten zu
ersparen. Wir wünschen dem sächsischen Volk aufrichtig jede peinliche Erinne¬
rung an die diesjährige Politik seines Königslmuses erspart, aber wir begreifen
nicht, wie man von der preußischen Volksvertretung in denselben Tagen die
Bewilligung von 60 Millionen durchsetzen will, wo man Sachsen von der Bei¬
steuer zu den Kriegskosten gänzlich entlastet. Es war ein furchtbares Schicksal,
daß die Sachsen gegen Preußen kämpfen mußten. Aber sie haben das gethan
und ihre Waffen haben getroffen, viele Hundert Preußen sind auf Befehl ihres
Kriegsherrn getödtet oder verstümmelt worden. Es wird schwer sein die Preußen
zu überzeugen, daß sie als Sieger Pensionen für Verwundete und Hinterlassene
aus ihren eigenen Mitteln bezahlen müssen. Aber die Kosten dieses großen
Krieges sind zugleich die Kaufsumme geworden, durch welche der Bundesstaat
erworben worden ist. Werden die Preußen die Millionen der Heeresrüstung
den Sachsen gegenüber allein tragen, die Möglichkeit des neuen Staats als
Sieger allein bezahlen wollen? Es ist traurig, daß das sächsische Volk bezahlen
soll, was wider seinen Willen geschehen, aber warum weniger als alle andern?
Das ist eine unbequeme Frage, auf welche in Preußen niemand, welcher Partei
er auch angehöre, der Regierung geneigte Antwort geben wird.


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nöthig macht. Die Diplomatie der deutschen Mittelstaaten hat zuweilen im
Auslande ein Geräusch verursacht und eine Bedeutung. gewonnen, die außer
allem Verhältniß zur wirtlichen Macht ihrer Staaten stand. Allerdings ihre
Nichtigkeit kann zuletzt in großen Krisen erwiesen werden, wie wir in diesem
Jahr erlebt haben, aber diese Beweisführung ist doch unbequem für den lange
geärgerten, gehemmten und geschädigten Großstaat. Auch in dem neuen Bun¬
desstaat vermag die regelmäßige Einwirkung, welche das Ausland durch die
Gesandten der eingefügten Staaten auf die Stimmung der respectiven Höfe
ausübt, die preußische Arbeit in vielen Fällen zu erschweren, Nußland und Mecklen¬
burg, Oestreich und Darmstadt, in der Zukunft Frankreich und Würtemberg
sind unbequeme Verbindungen, und es ist im höchsten Interesse Preußens, die
regelmäßige Strömung dieser Einwirkungen so viel als möglich zu beschränken,
die unvermeidlichen werden immer als ein Uebel ertragen werden müssen. Was
aber bei Oldenburg und Darmstadt vielleicht unbedenklich ist, wird in dem könig¬
lichen Sachsen viel bedenklicher. Es ist nicht wahrscheinlich, daß die Majestät
von Sachsen Herrn v. Beust zum Gesandten in Wien oder Paris ernennt,
aber wenn sie dies thun will in Jahr und Tag, welches Recht hat Preußen,
das zu wehren? Und wird nicht jeder Versuch zu wehren eine neue Veran¬
lassung peinlicher Differenzen? Herr v. Beust ist kein fürchterlicher Gegner,
aber er ist ähnlich wie gewisse versteinerte Muscheln in der Geologie, der cha¬
rakteristische Typus einer ganzen diplomatischen Schicht, welche durch das klein-
staatliche Treiben niedergeschlagen wird.

Es ist ferner davon die Rede, dem Lande Sachsen alle Kriegskosten zu
ersparen. Wir wünschen dem sächsischen Volk aufrichtig jede peinliche Erinne¬
rung an die diesjährige Politik seines Königslmuses erspart, aber wir begreifen
nicht, wie man von der preußischen Volksvertretung in denselben Tagen die
Bewilligung von 60 Millionen durchsetzen will, wo man Sachsen von der Bei¬
steuer zu den Kriegskosten gänzlich entlastet. Es war ein furchtbares Schicksal,
daß die Sachsen gegen Preußen kämpfen mußten. Aber sie haben das gethan
und ihre Waffen haben getroffen, viele Hundert Preußen sind auf Befehl ihres
Kriegsherrn getödtet oder verstümmelt worden. Es wird schwer sein die Preußen
zu überzeugen, daß sie als Sieger Pensionen für Verwundete und Hinterlassene
aus ihren eigenen Mitteln bezahlen müssen. Aber die Kosten dieses großen
Krieges sind zugleich die Kaufsumme geworden, durch welche der Bundesstaat
erworben worden ist. Werden die Preußen die Millionen der Heeresrüstung
den Sachsen gegenüber allein tragen, die Möglichkeit des neuen Staats als
Sieger allein bezahlen wollen? Es ist traurig, daß das sächsische Volk bezahlen
soll, was wider seinen Willen geschehen, aber warum weniger als alle andern?
Das ist eine unbequeme Frage, auf welche in Preußen niemand, welcher Partei
er auch angehöre, der Regierung geneigte Antwort geben wird.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/517>, abgerufen am 22.07.2024.