Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.hätte. Daß die Landherren aus Hamuver nicht als verbauerte Junker unter Auch das Mitgefühl kann man der mißvergnügten Ritterschaft von Han¬ Jetzt hat Preußen nicht fremdes Gebiet erobert, es hat nur völlig in die hätte. Daß die Landherren aus Hamuver nicht als verbauerte Junker unter Auch das Mitgefühl kann man der mißvergnügten Ritterschaft von Han¬ Jetzt hat Preußen nicht fremdes Gebiet erobert, es hat nur völlig in die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286062"/> <p xml:id="ID_1663" prev="#ID_1662"> hätte. Daß die Landherren aus Hamuver nicht als verbauerte Junker unter<lb/> einem fremden Gebieter sitzen, oder an fremdem Kaiserhofe antichambriren, daß<lb/> ihnen erlaubt ist, in deutscher Sprache unhöflich zu sein, daß ihnen ferner<lb/> Eisenbahnen und freier Verkehr über die Landesgrenzen alle Früchte in das<lb/> Haus befördern, welche in der Sonne moderner Cultur reifen, das verdanken<lb/> sie vor allem dem Schutz, welchen der preußische Staat ihrer Sonderexistenz bis<lb/> jetzt gewährt hat, der Entwickelung der deutschen realen Interessen im Zoll¬<lb/> verein und dem freudigen Selbstgefühl der deutschen Kunst und Wissenschaft,<lb/> welche unter dem bewaffneten Schutze Preußens aufblühte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1664"> Auch das Mitgefühl kann man der mißvergnügten Ritterschaft von Han¬<lb/> nover nicht gönnen, welches treue Hingabe selbst dann verdient, wenn sie einem<lb/> unwürdigen Herrn zu Theil ward. Ohne Zweifel ist mancher von ihnen ebenso<lb/> romantisch und selbstlos dem vertriebenen Könige zugethan, wie der kleine<lb/> Mann, der in seiner Kammer für das Wohlergehen eines Landesherrn betet,<lb/> von dem er nicht weiß, ob er böse oder gut, ob er dem Lande zum Segen<lb/> ober Fluch ist. Auch der Werth einer solchen Empfindung wird geringer bei<lb/> dem gebildeten Mann, der verständig die Berechtigung seines Gebieters würdigen<lb/> soll. Aber in der Regel ist es gar nicht die persönliche Treue, welche an den<lb/> alten Lehnsherrn band, sondern berechnender Egoismus, der den eigenen Vor¬<lb/> theil noch dazu klein erfaßt. Diese Herren waren in sicherm Besitz der Hof-<lb/> chargen, der höchsten Beamten- und Militärstellen, indem sie dienten, regierten<lb/> sie. Dies Privilegium sehen sie jetzt beeinträchtigt, und darum sind sie unzu¬<lb/> frieden. Und doch war ihr Dienst arm an Ruhm. Denn sie waren Diener<lb/> eines Vasallen. König, Kurfürst, Herzog, welche jetzt Vertrieben sind, waren<lb/> selbst nichts als feindselige und hochmüthige Vasallen Preußens. Nicht ein<lb/> stürmisches Jahr konnten sie ohne Preußens Schutzherrlichkeil überstehen, und<lb/> sie rächten sich für diese Abhängigkeit dadurch, daß sie bei jeder Gelegenheit auf<lb/> ihr Herrenrecht pochten. Grade weil sie den Schein der Herrschaft hatten und<lb/> von dem Wesen so viel, als Preußen und die Eifersucht der Großmächte ihnen<lb/> gönnte, wurde die Behauptung ihrer Herrenr>este zur fixen Jvee ihres Lebens,<lb/> für die sie urtheilslos alles preisgaben, das Wohl ihres Volkes, das Leben<lb/> ihrer Soldaten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1665" next="#ID_1666"> Jetzt hat Preußen nicht fremdes Gebiet erobert, es hat nur völlig in die<lb/> Hand genommen, was seither unter seinem Schutz bestand und durch zu große<lb/> Langmuth verwöhnt, des Dankes in schnöder Weise vergaß. Den Junkern<lb/> Hannovers wird jetzt die Ehre, Preußen zu heißen. Möglich, daß ihr Urtheil<lb/> so befangen und ihre Empfindung für nationale Ehre so wenig entwickelt ist,<lb/> daß sie ihr Lebtag den Aerger um Verlorenes nicht überwinden. Ihre Kinder<lb/> und Nachkommen werden einen besseren Stolz erhalten, als ihre Väter besaßen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
hätte. Daß die Landherren aus Hamuver nicht als verbauerte Junker unter
einem fremden Gebieter sitzen, oder an fremdem Kaiserhofe antichambriren, daß
ihnen erlaubt ist, in deutscher Sprache unhöflich zu sein, daß ihnen ferner
Eisenbahnen und freier Verkehr über die Landesgrenzen alle Früchte in das
Haus befördern, welche in der Sonne moderner Cultur reifen, das verdanken
sie vor allem dem Schutz, welchen der preußische Staat ihrer Sonderexistenz bis
jetzt gewährt hat, der Entwickelung der deutschen realen Interessen im Zoll¬
verein und dem freudigen Selbstgefühl der deutschen Kunst und Wissenschaft,
welche unter dem bewaffneten Schutze Preußens aufblühte.
Auch das Mitgefühl kann man der mißvergnügten Ritterschaft von Han¬
nover nicht gönnen, welches treue Hingabe selbst dann verdient, wenn sie einem
unwürdigen Herrn zu Theil ward. Ohne Zweifel ist mancher von ihnen ebenso
romantisch und selbstlos dem vertriebenen Könige zugethan, wie der kleine
Mann, der in seiner Kammer für das Wohlergehen eines Landesherrn betet,
von dem er nicht weiß, ob er böse oder gut, ob er dem Lande zum Segen
ober Fluch ist. Auch der Werth einer solchen Empfindung wird geringer bei
dem gebildeten Mann, der verständig die Berechtigung seines Gebieters würdigen
soll. Aber in der Regel ist es gar nicht die persönliche Treue, welche an den
alten Lehnsherrn band, sondern berechnender Egoismus, der den eigenen Vor¬
theil noch dazu klein erfaßt. Diese Herren waren in sicherm Besitz der Hof-
chargen, der höchsten Beamten- und Militärstellen, indem sie dienten, regierten
sie. Dies Privilegium sehen sie jetzt beeinträchtigt, und darum sind sie unzu¬
frieden. Und doch war ihr Dienst arm an Ruhm. Denn sie waren Diener
eines Vasallen. König, Kurfürst, Herzog, welche jetzt Vertrieben sind, waren
selbst nichts als feindselige und hochmüthige Vasallen Preußens. Nicht ein
stürmisches Jahr konnten sie ohne Preußens Schutzherrlichkeil überstehen, und
sie rächten sich für diese Abhängigkeit dadurch, daß sie bei jeder Gelegenheit auf
ihr Herrenrecht pochten. Grade weil sie den Schein der Herrschaft hatten und
von dem Wesen so viel, als Preußen und die Eifersucht der Großmächte ihnen
gönnte, wurde die Behauptung ihrer Herrenr>este zur fixen Jvee ihres Lebens,
für die sie urtheilslos alles preisgaben, das Wohl ihres Volkes, das Leben
ihrer Soldaten.
Jetzt hat Preußen nicht fremdes Gebiet erobert, es hat nur völlig in die
Hand genommen, was seither unter seinem Schutz bestand und durch zu große
Langmuth verwöhnt, des Dankes in schnöder Weise vergaß. Den Junkern
Hannovers wird jetzt die Ehre, Preußen zu heißen. Möglich, daß ihr Urtheil
so befangen und ihre Empfindung für nationale Ehre so wenig entwickelt ist,
daß sie ihr Lebtag den Aerger um Verlorenes nicht überwinden. Ihre Kinder
und Nachkommen werden einen besseren Stolz erhalten, als ihre Väter besaßen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |