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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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diplomatischen Kreisen Frankreichs als sehr wahrscheinlich betrachtet, man glaubte,
beide Armeen würden sich höchstens das Gleichgewicht halten, die Chancen für
einen Sieg des kriegsgeübten östreichischen Heeres seien aber überwiegend. Die
unerhörten Erfolge des preußischen Volkes in Waffen warfen diese Berechnung
unsanft über den Haufen, man war in Wien über den Sieg von Königsgrätz
kaum mehr consternirt als in Paris. An demselben Tage, der die Nordarmee
vernichtete, vollzog sich telegraphisch die Abtretung Venetiens an Frankreich, die
Absicht Oestreichs war dabei nur die, einen Separatfrieden mit Italien zu
machen, um die Südarmee zur Verstärkung heranziehen zu können. Aber dieser
Plan scheiterte, Nicasoli erklärte, das Bündniß mit Preußen gestatte dem König
Victor Emanuel keinen Separatfrieden, der Kaiser Napoleon mußte sich also
entschließen, eine Vermittelung des Friedens mit beiden Gegnern Oestreichs zu
versuchen. Preußen nahm diese Vermittelung im Princip an, als Basis der¬
selben forderte es außer den Herzogthümern die damals eroberten Länder Han¬
nover, Sachsen und Kurhessen, sowie den Ausschluß Oestreichs aus Deutschland
Kaiser Napoleon bedachte sich länger, ehe er hierauf antwortete und befahl in¬
zwischen seinem Botschafter in Berlin, sich zur persönlichen Verhandlung ins
Hauptquartier zu begeben, um zunächst eine kurze Waffenruhe zu vermitteln.
Der erste Versuch dazu, welcher durch den Botschaftssecretcir Herrn Lefvbre de
B6haine gemacht ward, scheiterte, nachdem er mit Mühe beim König von Preu¬
ßen durchgesetzt war, an der Hartnäckigkeit in Wien. Inzwischen war Prinz
Reuß mit der Antwort des Kaisers zurückgekehrt. Derselbe hatte sich nach
längerer Zögerung entschlossen, einen Punkt seines Programms aufzugeben und
gab seine Zustimmung zur Ausschließung Oestreichs aus Deutschland, sowie zur
Constituirung des norddeutschen Bundes. (Baron Reuse, der dem Fürsten
Metternich als Succurs gesandt ward, um dies zu hindern, kam einen Tag zu
spät an.) Der Kaiser hatte aber die directen Erwerbungen Preußens auf die
Herzogthümer beschränkt, die Südstaaten sollten als unabhängiger internationaler
Bund constituirt werden. Graf Bismarck erklärte diese Basis für unannehmbar,
und setzte Herrn Benedetti auseinander, daß, um Preußen die Vom Kaiser selbst
befürwortete größere Homogenität zu geben, es unabweislich sei, die beiden
Theile der Monarchie territorial zu verbinden. Frankreich gab hierin nach, es
ward keine Cession bestimmt namhaft gemacht. Doch waren Kurhessen und
Göttingen in Aussicht genommen, dagegen mußte Preußen sich verpflichten, die
Integrität Sachsens nicht anzutasten, welches übrigens in den Nordbund
treten sollte, sowie die Mainlinie mit diesem Bunde nicht zu überschreiten.
Gegen letzteres erhob Graf Bismarck keine Schwierigkeiten, die Mainlinie war
vielmehr immer seine Idee gewesen, wie sich dies ja noch in seinem Reform¬
plan vom 10. Juni zeigt, zur Respectirung Sachsens dagegen verstand er sich
nur nach langem Kampf, erhob dagegen, wie verlautet. Ansprüche auf Oestreichisch


diplomatischen Kreisen Frankreichs als sehr wahrscheinlich betrachtet, man glaubte,
beide Armeen würden sich höchstens das Gleichgewicht halten, die Chancen für
einen Sieg des kriegsgeübten östreichischen Heeres seien aber überwiegend. Die
unerhörten Erfolge des preußischen Volkes in Waffen warfen diese Berechnung
unsanft über den Haufen, man war in Wien über den Sieg von Königsgrätz
kaum mehr consternirt als in Paris. An demselben Tage, der die Nordarmee
vernichtete, vollzog sich telegraphisch die Abtretung Venetiens an Frankreich, die
Absicht Oestreichs war dabei nur die, einen Separatfrieden mit Italien zu
machen, um die Südarmee zur Verstärkung heranziehen zu können. Aber dieser
Plan scheiterte, Nicasoli erklärte, das Bündniß mit Preußen gestatte dem König
Victor Emanuel keinen Separatfrieden, der Kaiser Napoleon mußte sich also
entschließen, eine Vermittelung des Friedens mit beiden Gegnern Oestreichs zu
versuchen. Preußen nahm diese Vermittelung im Princip an, als Basis der¬
selben forderte es außer den Herzogthümern die damals eroberten Länder Han¬
nover, Sachsen und Kurhessen, sowie den Ausschluß Oestreichs aus Deutschland
Kaiser Napoleon bedachte sich länger, ehe er hierauf antwortete und befahl in¬
zwischen seinem Botschafter in Berlin, sich zur persönlichen Verhandlung ins
Hauptquartier zu begeben, um zunächst eine kurze Waffenruhe zu vermitteln.
Der erste Versuch dazu, welcher durch den Botschaftssecretcir Herrn Lefvbre de
B6haine gemacht ward, scheiterte, nachdem er mit Mühe beim König von Preu¬
ßen durchgesetzt war, an der Hartnäckigkeit in Wien. Inzwischen war Prinz
Reuß mit der Antwort des Kaisers zurückgekehrt. Derselbe hatte sich nach
längerer Zögerung entschlossen, einen Punkt seines Programms aufzugeben und
gab seine Zustimmung zur Ausschließung Oestreichs aus Deutschland, sowie zur
Constituirung des norddeutschen Bundes. (Baron Reuse, der dem Fürsten
Metternich als Succurs gesandt ward, um dies zu hindern, kam einen Tag zu
spät an.) Der Kaiser hatte aber die directen Erwerbungen Preußens auf die
Herzogthümer beschränkt, die Südstaaten sollten als unabhängiger internationaler
Bund constituirt werden. Graf Bismarck erklärte diese Basis für unannehmbar,
und setzte Herrn Benedetti auseinander, daß, um Preußen die Vom Kaiser selbst
befürwortete größere Homogenität zu geben, es unabweislich sei, die beiden
Theile der Monarchie territorial zu verbinden. Frankreich gab hierin nach, es
ward keine Cession bestimmt namhaft gemacht. Doch waren Kurhessen und
Göttingen in Aussicht genommen, dagegen mußte Preußen sich verpflichten, die
Integrität Sachsens nicht anzutasten, welches übrigens in den Nordbund
treten sollte, sowie die Mainlinie mit diesem Bunde nicht zu überschreiten.
Gegen letzteres erhob Graf Bismarck keine Schwierigkeiten, die Mainlinie war
vielmehr immer seine Idee gewesen, wie sich dies ja noch in seinem Reform¬
plan vom 10. Juni zeigt, zur Respectirung Sachsens dagegen verstand er sich
nur nach langem Kampf, erhob dagegen, wie verlautet. Ansprüche auf Oestreichisch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/435>, abgerufen am 22.07.2024.