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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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zichten könne. Deshalb die Depesche Drouin de Lhuys über den gasteincr Ver¬
trag, welche in den stärksten Ausdrücken den Mißbrauch des "äroit an plus
fort" tadelte.

Daß diese Besorgniß nicht ganz unbegründet war, daß in Salzburg wirk¬
lich von einem solchen Bündniß gegen die Revolution und Uebergabe der Her-
zogthümer an Preußen die Rede gewesen, das zeigte nicht nur das unmittelbar
darauf folgende Vorgehen gegen Frankfurt, sondern ward auch durch die De¬
pesche des Grafen Bismarck nach Wien vom 26. Januar 1866 bewiesen, welche
Oestreich seine Versprechungen vom vorigen Herbst vorhielt; selbst General
Gablenz glaubte, als er nach Holstein ging, daß sein Regiment dort nur von
kurzer Dauer sein und mit der Abtretung des Mitbesitzes an Preußen enden
werde.' Indeß am wiener Hofe machte sich bald eine andere Strömung geltend,
man weigerte sich, weiter gegen Frankfurt vorzugehen und ließ der antiannexio-
nistischen Bewegung in Holstein freieren Laus; Graf Bismarck erließ am 26. Ja¬
nuar seine drohende Depesche nach Wien und erklärte, als die Forderungen der¬
selben dort eine kühle Ablehnung erfuhren, die Allianz mit Oestreich als beendigt,
er sah, daß Oestreich gutwillig die Herzogthümer nicht ohne eine für Preußen
unmögliche Kompensation aufgeben werde und bereitete sich auf den Krieg vor.
Wir haben edler nicht die Chancen der Verhandlungen über Rüstung, Abrüstung
und Kongreß zu verfolgen, in denen das wiener Cabinet eine so unglaubliche
Verblendung bewies, daß es schließlich, trotz des Widerwillens König Wilhelms,
zur Entscheidung durch die Waffen kommen mußte, wir haben nur die Stellung
zu betrachten, welche Frankreich zu dieser neuen Constellation nahm. Der Kaiser
Napoleon sah die steigende Entfremdung der beiden deutschen Großmächte nicht
ohne Befriedigung, seine Ansicht war die, daß die beiden deutschen Staaten sich
gegenseitig möglichst aufreiben sollten, damit er dann als mächtiger Vermittler
dazwischen treten könne und den Frieden dictiren; sein persönliches Interesse
wurde außerdem durch das Hinzutreten Italiens in den Streit gefesselt, er
wollte sein Programm "frei bis zur Adria" verwirklicht sehen, ohne darum einen
zweiten Krieg zu führen. Hätte Oestreich seiner Aufforderung Gehör gegeben,
Venetien freiwillig gegen eine starke Gcldcntschädigung abzutreten, so waren
Graf Bismarcks Pläne vorläufig gescheitert. Indeß die Verbitterung der wiener
Hofburg gegen Italien war zu groß, als daß derartige Rathschläge Metternichs
hätten Gehör finden können und die Allianz des berliner und florentiner Ca-
binets ward eine Thatsache; erst unmittelbar Vor dem Ausbruch des Krieges
erklärte der östreichische Botschafter in Paris, falls Oestreich siegreich aus dem
Kampfe hervorgehe und eine genügende Compensation von Preußen erhalte,
werde es bereit sein, Venetien zur Disposition des Kaisers der Fran¬
zosen zu stellen.

Ein derartiger Ausgang des Conflictes aber ward in militärischen wie in


zichten könne. Deshalb die Depesche Drouin de Lhuys über den gasteincr Ver¬
trag, welche in den stärksten Ausdrücken den Mißbrauch des „äroit an plus
fort" tadelte.

Daß diese Besorgniß nicht ganz unbegründet war, daß in Salzburg wirk¬
lich von einem solchen Bündniß gegen die Revolution und Uebergabe der Her-
zogthümer an Preußen die Rede gewesen, das zeigte nicht nur das unmittelbar
darauf folgende Vorgehen gegen Frankfurt, sondern ward auch durch die De¬
pesche des Grafen Bismarck nach Wien vom 26. Januar 1866 bewiesen, welche
Oestreich seine Versprechungen vom vorigen Herbst vorhielt; selbst General
Gablenz glaubte, als er nach Holstein ging, daß sein Regiment dort nur von
kurzer Dauer sein und mit der Abtretung des Mitbesitzes an Preußen enden
werde.' Indeß am wiener Hofe machte sich bald eine andere Strömung geltend,
man weigerte sich, weiter gegen Frankfurt vorzugehen und ließ der antiannexio-
nistischen Bewegung in Holstein freieren Laus; Graf Bismarck erließ am 26. Ja¬
nuar seine drohende Depesche nach Wien und erklärte, als die Forderungen der¬
selben dort eine kühle Ablehnung erfuhren, die Allianz mit Oestreich als beendigt,
er sah, daß Oestreich gutwillig die Herzogthümer nicht ohne eine für Preußen
unmögliche Kompensation aufgeben werde und bereitete sich auf den Krieg vor.
Wir haben edler nicht die Chancen der Verhandlungen über Rüstung, Abrüstung
und Kongreß zu verfolgen, in denen das wiener Cabinet eine so unglaubliche
Verblendung bewies, daß es schließlich, trotz des Widerwillens König Wilhelms,
zur Entscheidung durch die Waffen kommen mußte, wir haben nur die Stellung
zu betrachten, welche Frankreich zu dieser neuen Constellation nahm. Der Kaiser
Napoleon sah die steigende Entfremdung der beiden deutschen Großmächte nicht
ohne Befriedigung, seine Ansicht war die, daß die beiden deutschen Staaten sich
gegenseitig möglichst aufreiben sollten, damit er dann als mächtiger Vermittler
dazwischen treten könne und den Frieden dictiren; sein persönliches Interesse
wurde außerdem durch das Hinzutreten Italiens in den Streit gefesselt, er
wollte sein Programm „frei bis zur Adria" verwirklicht sehen, ohne darum einen
zweiten Krieg zu führen. Hätte Oestreich seiner Aufforderung Gehör gegeben,
Venetien freiwillig gegen eine starke Gcldcntschädigung abzutreten, so waren
Graf Bismarcks Pläne vorläufig gescheitert. Indeß die Verbitterung der wiener
Hofburg gegen Italien war zu groß, als daß derartige Rathschläge Metternichs
hätten Gehör finden können und die Allianz des berliner und florentiner Ca-
binets ward eine Thatsache; erst unmittelbar Vor dem Ausbruch des Krieges
erklärte der östreichische Botschafter in Paris, falls Oestreich siegreich aus dem
Kampfe hervorgehe und eine genügende Compensation von Preußen erhalte,
werde es bereit sein, Venetien zur Disposition des Kaisers der Fran¬
zosen zu stellen.

Ein derartiger Ausgang des Conflictes aber ward in militärischen wie in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/434>, abgerufen am 22.07.2024.