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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Zeitungen mitgetheilt wurde, als der richtige, nur der Territorialbestand des
Königreichs Sachsen ist von Preußen zugestanden, nicht, wie die süddeutsche
Presse meldete, seine Integrität, wozu auch die Souveränetätsrechte der Krone
gehören würden. Es ist für die Sachsen an der Zeit, sich dieses Unterschiedes
bewußt zu werden.

Uebersehen wir die Fortschritte der letzten Wochen, so dürfen wir allerdings
sagen, daß diesmal die Feder nicht weniger gethan hat als das Schwert. Es
ist kein Geheimniß, daß Preußen in den Krieg zog als in einen Kampf um
seine Existenz, aber keineswegs sicher über die Forderungen, welche es im Falle
einer glücklichen Kriegführung geltend zu machen habe. Allerdings der Ver¬
fassungsentwurf des Bundesstaates vom 10. Juni war veröffentlicht, der Aus¬
schluß Oestreichs aus diesem Bundesstaat und die Hegemonie Preußens bis zum
Main waren gegebene Zielpunkte. Aber erst aus den Erfolgen entwickelten sich
die weiteren Forderungen, die elastische und schnell combinirende Kraft des preu¬
ßischen Ministerpräsidenten hatte bei Aufstellung derselben wahrscheinlich eine
Menge Hindernisse zu überwinden, welche sich der öffentlichen Beurtheilung ent¬
ziehen. Der König selbst hat ausgesprochen, wie schwer es ihm geworden ist,
sich mit dem Gedanken an eine Beseitigung der depossedirten Fürsten zu be¬
freunden. Und es waren sicher nicht die Auffassungen seines Herrn allein, welche
der muthigen Politik des Grafen Bismarck Schwierigkeiten machten. Er selbst
hatte sich in völlig neuen Situationen zurecht zu finden, ihm hatte vor dem
Kriege die Rücksicht auf Frankreich in erster Linie gestanden und er hatte wohl
bei jeder Verstärkung Preußens eine cavvursche Nachgiebigkeit gegen Frankreich
für unvermeidlich gehalten. Jetzt wurde ihm das Glück, daß die Energie der preu¬
ßischen Siege über diesen Standpunkt erhob. Wenn auch er sich nach der
Schlacht bei Königsgrätz nicht sogleich von den alten Vorstellungen, die ihn
durch Jahre beherrscht hatten, befreite, so haben wir kein Recht mehr, ihm
daraus einen Vorwurf zu machen. Denn er hat seitdem schnell und vollständig
die Gunst der Situation zu benutze" gewußt und ungeheure Schwierigkeiten,
welche auch das Publikum zu ahnen vermag, mit einer vortrefflichen Mischung
von Festigkeit und Nachgiebigkeit überwunden. Das oft gesagte Wort gilt von
ihm in ausgezeichneter Weise: Er ist größer geworden mit seinen Zielen. Und
wir erfüllen nur eine Pflicht des Patriotismus und loyaler Kampfweise, wenn
wir einem frühere" Gegner die warme und herzliche Anerkennung zollen, welche
der Mann verdient, dem vergönnt war, so viel für Preußen und Deutschland
zu thun.




Zeitungen mitgetheilt wurde, als der richtige, nur der Territorialbestand des
Königreichs Sachsen ist von Preußen zugestanden, nicht, wie die süddeutsche
Presse meldete, seine Integrität, wozu auch die Souveränetätsrechte der Krone
gehören würden. Es ist für die Sachsen an der Zeit, sich dieses Unterschiedes
bewußt zu werden.

Uebersehen wir die Fortschritte der letzten Wochen, so dürfen wir allerdings
sagen, daß diesmal die Feder nicht weniger gethan hat als das Schwert. Es
ist kein Geheimniß, daß Preußen in den Krieg zog als in einen Kampf um
seine Existenz, aber keineswegs sicher über die Forderungen, welche es im Falle
einer glücklichen Kriegführung geltend zu machen habe. Allerdings der Ver¬
fassungsentwurf des Bundesstaates vom 10. Juni war veröffentlicht, der Aus¬
schluß Oestreichs aus diesem Bundesstaat und die Hegemonie Preußens bis zum
Main waren gegebene Zielpunkte. Aber erst aus den Erfolgen entwickelten sich
die weiteren Forderungen, die elastische und schnell combinirende Kraft des preu¬
ßischen Ministerpräsidenten hatte bei Aufstellung derselben wahrscheinlich eine
Menge Hindernisse zu überwinden, welche sich der öffentlichen Beurtheilung ent¬
ziehen. Der König selbst hat ausgesprochen, wie schwer es ihm geworden ist,
sich mit dem Gedanken an eine Beseitigung der depossedirten Fürsten zu be¬
freunden. Und es waren sicher nicht die Auffassungen seines Herrn allein, welche
der muthigen Politik des Grafen Bismarck Schwierigkeiten machten. Er selbst
hatte sich in völlig neuen Situationen zurecht zu finden, ihm hatte vor dem
Kriege die Rücksicht auf Frankreich in erster Linie gestanden und er hatte wohl
bei jeder Verstärkung Preußens eine cavvursche Nachgiebigkeit gegen Frankreich
für unvermeidlich gehalten. Jetzt wurde ihm das Glück, daß die Energie der preu¬
ßischen Siege über diesen Standpunkt erhob. Wenn auch er sich nach der
Schlacht bei Königsgrätz nicht sogleich von den alten Vorstellungen, die ihn
durch Jahre beherrscht hatten, befreite, so haben wir kein Recht mehr, ihm
daraus einen Vorwurf zu machen. Denn er hat seitdem schnell und vollständig
die Gunst der Situation zu benutze» gewußt und ungeheure Schwierigkeiten,
welche auch das Publikum zu ahnen vermag, mit einer vortrefflichen Mischung
von Festigkeit und Nachgiebigkeit überwunden. Das oft gesagte Wort gilt von
ihm in ausgezeichneter Weise: Er ist größer geworden mit seinen Zielen. Und
wir erfüllen nur eine Pflicht des Patriotismus und loyaler Kampfweise, wenn
wir einem frühere» Gegner die warme und herzliche Anerkennung zollen, welche
der Mann verdient, dem vergönnt war, so viel für Preußen und Deutschland
zu thun.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/432>, abgerufen am 03.07.2024.