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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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sie sich entscheiden, ob sie entweder dem Bundesstaate beitreten, oder auch aus
dem Zollverein ausscheiden wollen. Im Uebrigen erklärten sich Biedermann,
Bvhmert. or. Wolfs von Stettin und Faucher für den braunschen Antrag.

Die beiden Letztgenannten gaben den Ausschlag. Dr. Wolff bekannte sich
in Uebereinstimmung mit dem Ziele des grumbrechtschen Antrages, nämlich der
Vereinigung von ganz Deutschland zum Bundes-, ja zum Einheitsstaate; aber
um dieses Ziel zu erreichen, stimme er für den Antrag Brauns, welcher die
Vorschule abgebe und den Uebergang vermittele; allerdings sei dieser Uebergang
mit mancherlei Uebelständen verbunden, allein grade durch diese Uebelstände
würden beständige Reibungen erzeugt, welche das Einschlafen verhinderten, so
daß die Frage gar nicht eher wieder zur Ruhe gelangen könne, bis daß sie
völlig gelöst, d. h. bis der völlige, auch politische Anschluß der südlichen Terri-
torien an den norddeutschen Bundesstaat erfolgt sei; das von Grundrecht vor¬
geschlagene Mittel werde den entgegengesetzten Erfolg haben; sei einmal auch
das wirthschaftliche Einheitsband zwischen Norden und Süden vollständig gelöst,
so werde das Zustandekommen des politischen Einheitsbandes unwahrscheinlich
gemacht, oder wenigstens noch mehr in die Ferne gerückt. Faucher empfahl
Brauns Antrag mit Biedermanns Zusatz. "Grundrecht." meinte er, "wolle
die Südstaaten in den Bundesstaat hereinpeitschen; es sei nicht blos die Peitsche
ju gebrauchen, man müsse Zuckerbrod damit verbinden; das Darinbelassen
in 1866 sei das Zuckerbrod, das sofort verabreicht, der Ausschluß nach
18 70 sei die Peitsche, welche nur gezeigt, wahrscheinlich aber nicht angewandt
Werde; jedenfalls gewähre der gesetzte Termin von vier Jahren den Süddeutschen
eine geräumige Deliberationsfrist, innerhalb deren die vernünftige Ueberlegung
die Oberhand gewinnen könne über die sich immer mehr abkühlende Leidenschaft
des Augenblicks; für den schlimmsten Fall, für den Fall, daß 1871 definitiv
geschieden sein müsse, biete die gewährte Frist der Industrie eine zureichende
Zeit, neue Absatzwege zu suchen.

Das Ende der Berathung war, daß Satz 1 und 2 der braunschen An¬
träge und das biedermannsche Amend'euere angenommen wurden. Alle übrigen
Anträge verwarf die Versammlung. Das Ergebniß ist also die Aufstellung der
Forderung, daß der bisherige Zollverein nur unter der Bedingung erneuert und
fortgesetzt werden könne und dürfe, daß die Gesetzgebung in die Hände der
Bundesgewalt und einer parlamentarischen Vertretung der Bevölkerung des
Vereinsgebietes gelegt und auf dieser Grundlage ein Provisorium bis 1870
^richtet werde, in der Voraussetzung, daß zwischenzeilig die Entwickelung der
Dinge dahin führe, daß von 1871 ab der Begriff des Bundesstaats und der
Zollvereins einander vollständig decken.

Die Beschlüsse des Vorstandes des deutschen Handelstages. der um dieselbe
Zeit in Braunschweig versammelt war, bewegen sich in der nämlichen Richtung,


sie sich entscheiden, ob sie entweder dem Bundesstaate beitreten, oder auch aus
dem Zollverein ausscheiden wollen. Im Uebrigen erklärten sich Biedermann,
Bvhmert. or. Wolfs von Stettin und Faucher für den braunschen Antrag.

Die beiden Letztgenannten gaben den Ausschlag. Dr. Wolff bekannte sich
in Uebereinstimmung mit dem Ziele des grumbrechtschen Antrages, nämlich der
Vereinigung von ganz Deutschland zum Bundes-, ja zum Einheitsstaate; aber
um dieses Ziel zu erreichen, stimme er für den Antrag Brauns, welcher die
Vorschule abgebe und den Uebergang vermittele; allerdings sei dieser Uebergang
mit mancherlei Uebelständen verbunden, allein grade durch diese Uebelstände
würden beständige Reibungen erzeugt, welche das Einschlafen verhinderten, so
daß die Frage gar nicht eher wieder zur Ruhe gelangen könne, bis daß sie
völlig gelöst, d. h. bis der völlige, auch politische Anschluß der südlichen Terri-
torien an den norddeutschen Bundesstaat erfolgt sei; das von Grundrecht vor¬
geschlagene Mittel werde den entgegengesetzten Erfolg haben; sei einmal auch
das wirthschaftliche Einheitsband zwischen Norden und Süden vollständig gelöst,
so werde das Zustandekommen des politischen Einheitsbandes unwahrscheinlich
gemacht, oder wenigstens noch mehr in die Ferne gerückt. Faucher empfahl
Brauns Antrag mit Biedermanns Zusatz. „Grundrecht." meinte er, „wolle
die Südstaaten in den Bundesstaat hereinpeitschen; es sei nicht blos die Peitsche
ju gebrauchen, man müsse Zuckerbrod damit verbinden; das Darinbelassen
in 1866 sei das Zuckerbrod, das sofort verabreicht, der Ausschluß nach
18 70 sei die Peitsche, welche nur gezeigt, wahrscheinlich aber nicht angewandt
Werde; jedenfalls gewähre der gesetzte Termin von vier Jahren den Süddeutschen
eine geräumige Deliberationsfrist, innerhalb deren die vernünftige Ueberlegung
die Oberhand gewinnen könne über die sich immer mehr abkühlende Leidenschaft
des Augenblicks; für den schlimmsten Fall, für den Fall, daß 1871 definitiv
geschieden sein müsse, biete die gewährte Frist der Industrie eine zureichende
Zeit, neue Absatzwege zu suchen.

Das Ende der Berathung war, daß Satz 1 und 2 der braunschen An¬
träge und das biedermannsche Amend'euere angenommen wurden. Alle übrigen
Anträge verwarf die Versammlung. Das Ergebniß ist also die Aufstellung der
Forderung, daß der bisherige Zollverein nur unter der Bedingung erneuert und
fortgesetzt werden könne und dürfe, daß die Gesetzgebung in die Hände der
Bundesgewalt und einer parlamentarischen Vertretung der Bevölkerung des
Vereinsgebietes gelegt und auf dieser Grundlage ein Provisorium bis 1870
^richtet werde, in der Voraussetzung, daß zwischenzeilig die Entwickelung der
Dinge dahin führe, daß von 1871 ab der Begriff des Bundesstaats und der
Zollvereins einander vollständig decken.

Die Beschlüsse des Vorstandes des deutschen Handelstages. der um dieselbe
Zeit in Braunschweig versammelt war, bewegen sich in der nämlichen Richtung,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/411>, abgerufen am 22.07.2024.