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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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das Recht gehabt, an den äußern Grenzen Preußens den Zoll zu heben von
allen zollpflichtigen Waaren, welche für diejenigen Zvllvereinsstaaten bestimmt
waren, die sich im Krieg befanden mit Preußen. Sie hätte alle Sendungen
aus den letztgenannten Staaten nach der preußischen Monarchie und den mit
ihr verbündeten Territorien einem Grenzzvll unterwerfen können, welcher sich
bemißt nach dem allgemeinen Tarif.

Sie könnte jetzt noch eine Zollgrenze errichten, welche übereinstimmt mit
dem äußersten Cordon der Truppen, oder mit der Demarcations- oder der
Mainlinie.

Sie hat von alledem'nichts gethan und damit einen neuen Beweis ihrer
Mäßigung, ihrer Versöhnlichkeit, ihrer Achtung der wirthschaftlichen Interessen,
selbst mitten im Krieg und gegenüber einem wenig rücksichtsvollen Gegner,
gegeben.

Nur in einem Punkt hat sie ihrer Auffassung, daß die Verträge aufgelöst
sind, Ausdruck gegeben. Die Zollvereinseinkünfte werden nach der Kopfzahl
vertheilt. Die süddeutschen Zvllvereinsstaaten erheben selbst in ihren einhei¬
mischen Zoll- und Steuerämtern an Zöllen weit weniger, als ihnen bei der
Vertheilung der Gesammteinkünste nach der Kopfzahl der Bevölkerung eines
jeden Zollvereinsstaates zukommt. Das Fehlende ergänzt Preußen aus der
Centralkasse, welche unter seiner Verwaltung steht. Als der Krieg ausbrach,
hatte es bereits die für das erste Vierteljahr 1866 erfallenen Einkünfte der
Zollkasse vertheilt und auch an seine späteren Feinde ausbezahlt. Nach Aus¬
bruch des Kriegs sistirte es die weitere Zahlung. Natürlich. Man darf seinem
Feinde kein Geld geben, denn Geld ist das wirksamste Kriegsmaterial. Man
kann aus ihm alles Andere machen.

Es erfolgten zwar auch beiderseits Ausfuhrverbote. Allein bei dem raschen
Vorrücken der Preußen gen Süden ereignete es sich häusig, daß dieselben einige
Tage nach Erlassung des Ausfuhrverbots in dem Gebiete des verbietenden
Staates erschienen, um sich in eigener Person auf dem Wege der Requisition
das Schlachtvieh und Getreide gratis zu holen, welches zum Export zu kaufen
und baar zu bezahlen sie durch die von den Bundestreuen auf Befehl des
Bundestags angeordnete Grenzsperre verhindert worden waren.

Im Uebrigen war in Mitteldeutschland durch die Kriegsereignisse ohnedies
der Verkehr unterbrochen; die Eisenbahnen waren außer Betrieb oder gar vor¬
übergehend zerstört. Die Bundesfcstung Mainz, hemmte die Rheinschiffahrt.
Die Feldwachen und Vorposten ließen nur mit Schwierigkeit Passage zu. Kurz,
es stockte alles. Deshalb fühlte man vorübergehend die Zerreißung des Zoll¬
vereins nicht. Vergißt man doch über einen größeren Schmerz den kleineren.

Aber jetzt, da wir an dem Thor des Friedens stehen, fragt desto ängstlicher
und hastiger jedermann: Was soll aus dem Zollverein werden? Besteht er noch?


das Recht gehabt, an den äußern Grenzen Preußens den Zoll zu heben von
allen zollpflichtigen Waaren, welche für diejenigen Zvllvereinsstaaten bestimmt
waren, die sich im Krieg befanden mit Preußen. Sie hätte alle Sendungen
aus den letztgenannten Staaten nach der preußischen Monarchie und den mit
ihr verbündeten Territorien einem Grenzzvll unterwerfen können, welcher sich
bemißt nach dem allgemeinen Tarif.

Sie könnte jetzt noch eine Zollgrenze errichten, welche übereinstimmt mit
dem äußersten Cordon der Truppen, oder mit der Demarcations- oder der
Mainlinie.

Sie hat von alledem'nichts gethan und damit einen neuen Beweis ihrer
Mäßigung, ihrer Versöhnlichkeit, ihrer Achtung der wirthschaftlichen Interessen,
selbst mitten im Krieg und gegenüber einem wenig rücksichtsvollen Gegner,
gegeben.

Nur in einem Punkt hat sie ihrer Auffassung, daß die Verträge aufgelöst
sind, Ausdruck gegeben. Die Zollvereinseinkünfte werden nach der Kopfzahl
vertheilt. Die süddeutschen Zvllvereinsstaaten erheben selbst in ihren einhei¬
mischen Zoll- und Steuerämtern an Zöllen weit weniger, als ihnen bei der
Vertheilung der Gesammteinkünste nach der Kopfzahl der Bevölkerung eines
jeden Zollvereinsstaates zukommt. Das Fehlende ergänzt Preußen aus der
Centralkasse, welche unter seiner Verwaltung steht. Als der Krieg ausbrach,
hatte es bereits die für das erste Vierteljahr 1866 erfallenen Einkünfte der
Zollkasse vertheilt und auch an seine späteren Feinde ausbezahlt. Nach Aus¬
bruch des Kriegs sistirte es die weitere Zahlung. Natürlich. Man darf seinem
Feinde kein Geld geben, denn Geld ist das wirksamste Kriegsmaterial. Man
kann aus ihm alles Andere machen.

Es erfolgten zwar auch beiderseits Ausfuhrverbote. Allein bei dem raschen
Vorrücken der Preußen gen Süden ereignete es sich häusig, daß dieselben einige
Tage nach Erlassung des Ausfuhrverbots in dem Gebiete des verbietenden
Staates erschienen, um sich in eigener Person auf dem Wege der Requisition
das Schlachtvieh und Getreide gratis zu holen, welches zum Export zu kaufen
und baar zu bezahlen sie durch die von den Bundestreuen auf Befehl des
Bundestags angeordnete Grenzsperre verhindert worden waren.

Im Uebrigen war in Mitteldeutschland durch die Kriegsereignisse ohnedies
der Verkehr unterbrochen; die Eisenbahnen waren außer Betrieb oder gar vor¬
übergehend zerstört. Die Bundesfcstung Mainz, hemmte die Rheinschiffahrt.
Die Feldwachen und Vorposten ließen nur mit Schwierigkeit Passage zu. Kurz,
es stockte alles. Deshalb fühlte man vorübergehend die Zerreißung des Zoll¬
vereins nicht. Vergißt man doch über einen größeren Schmerz den kleineren.

Aber jetzt, da wir an dem Thor des Friedens stehen, fragt desto ängstlicher
und hastiger jedermann: Was soll aus dem Zollverein werden? Besteht er noch?


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[0406] das Recht gehabt, an den äußern Grenzen Preußens den Zoll zu heben von allen zollpflichtigen Waaren, welche für diejenigen Zvllvereinsstaaten bestimmt waren, die sich im Krieg befanden mit Preußen. Sie hätte alle Sendungen aus den letztgenannten Staaten nach der preußischen Monarchie und den mit ihr verbündeten Territorien einem Grenzzvll unterwerfen können, welcher sich bemißt nach dem allgemeinen Tarif. Sie könnte jetzt noch eine Zollgrenze errichten, welche übereinstimmt mit dem äußersten Cordon der Truppen, oder mit der Demarcations- oder der Mainlinie. Sie hat von alledem'nichts gethan und damit einen neuen Beweis ihrer Mäßigung, ihrer Versöhnlichkeit, ihrer Achtung der wirthschaftlichen Interessen, selbst mitten im Krieg und gegenüber einem wenig rücksichtsvollen Gegner, gegeben. Nur in einem Punkt hat sie ihrer Auffassung, daß die Verträge aufgelöst sind, Ausdruck gegeben. Die Zollvereinseinkünfte werden nach der Kopfzahl vertheilt. Die süddeutschen Zvllvereinsstaaten erheben selbst in ihren einhei¬ mischen Zoll- und Steuerämtern an Zöllen weit weniger, als ihnen bei der Vertheilung der Gesammteinkünste nach der Kopfzahl der Bevölkerung eines jeden Zollvereinsstaates zukommt. Das Fehlende ergänzt Preußen aus der Centralkasse, welche unter seiner Verwaltung steht. Als der Krieg ausbrach, hatte es bereits die für das erste Vierteljahr 1866 erfallenen Einkünfte der Zollkasse vertheilt und auch an seine späteren Feinde ausbezahlt. Nach Aus¬ bruch des Kriegs sistirte es die weitere Zahlung. Natürlich. Man darf seinem Feinde kein Geld geben, denn Geld ist das wirksamste Kriegsmaterial. Man kann aus ihm alles Andere machen. Es erfolgten zwar auch beiderseits Ausfuhrverbote. Allein bei dem raschen Vorrücken der Preußen gen Süden ereignete es sich häusig, daß dieselben einige Tage nach Erlassung des Ausfuhrverbots in dem Gebiete des verbietenden Staates erschienen, um sich in eigener Person auf dem Wege der Requisition das Schlachtvieh und Getreide gratis zu holen, welches zum Export zu kaufen und baar zu bezahlen sie durch die von den Bundestreuen auf Befehl des Bundestags angeordnete Grenzsperre verhindert worden waren. Im Uebrigen war in Mitteldeutschland durch die Kriegsereignisse ohnedies der Verkehr unterbrochen; die Eisenbahnen waren außer Betrieb oder gar vor¬ übergehend zerstört. Die Bundesfcstung Mainz, hemmte die Rheinschiffahrt. Die Feldwachen und Vorposten ließen nur mit Schwierigkeit Passage zu. Kurz, es stockte alles. Deshalb fühlte man vorübergehend die Zerreißung des Zoll¬ vereins nicht. Vergißt man doch über einen größeren Schmerz den kleineren. Aber jetzt, da wir an dem Thor des Friedens stehen, fragt desto ängstlicher und hastiger jedermann: Was soll aus dem Zollverein werden? Besteht er noch?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/406>, abgerufen am 22.07.2024.