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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Diese Beschlüsse lehnen sich an die Bundesreformvorschläge an, welche die
preußische Negierung mit einer Depesche vom 10. Juni 1866 den deutschen Re¬
gierungen vor Ausbruch des Kriegs gemacht und nach siegreicher Beendigung des
Kriegs in allen wesentlichen Stücken wieder aufgegriffen hat.

Außer den oben unter 1 bis 8 aufgezählten Gegenständen, welche der
volkswirthschaftliche Kongreß der Kompetenz der Bundesgewalt und des Reichs¬
tages reclamirt, sollen nach Artikel VI der genannten Reformvorschläge den¬
selben unterworfen sein:

1) Einheitliche Ordnung des Maß-, Münz- und Gewichtsystems;

2) Feststellung der Grundsähe über Emission von fundirtem und nicht
fundirtem Papiergeld; /

3) allgemeine Vorschriften über das Bankwesen;

4) über Erfindungspatente und über

5) den Schuß des sogenannten geistigen Eigenthums;

6) die Vorschriften über Zugfreiheit. Heimathsverhältnisse. Berechtigung
zur Niederlassung und zum Geschäftsbetriebe, Kolonisation und Auswanderung
nach außerdeutschen Ländern;

7) Organisation des gemeinsamen Schutzes des deutschen Handels im Aus¬
lande, der deutschen Schiffahrt und ihrer Flagge zur See. die Anordnung ge¬
meinsamer consularischer Vertretung, welche aus Bundesmitteln dotirt wird;

8) Schiffahrtsbetrieb auf den mehren deutschen Staaten gemeinsamen Wasser¬
straßen, die Fluß- und die sonstigen Wasserzölle;

9) gemeinsame Civilproceßordnung und Concursordnung.

Unter den Verhandlungen des volkswirtschaftlichen Kongresses vom4.August
1866 hatten die über die Zukunft des Zollvereins ein vorwiegend praktisches
und brennendes Interesse. Deshalb waren sie auch die ausführlichsten; und
grade in dieser Frage platzten am stärksten die Geister auf einander. Es ge¬
lang jedoch eine gute Mitte zu finden, welche, ohne das Princip zu ver¬
letzen, für den Augenblick die streitigen Interessen wieder in Harmonie setzt und
einen Uebergangszustand anbahnt, durch welchen die gegenwärtig vorhandenen
Differenzen ihre definitive Ausgleichung finden können.

Ueberblicken wir zunächst die gegenwärtige Lage des Zollvereins.

Nach anerkannter völkerrechtlicher Doctrin lösen sich durch den Ausbruch
des Kriegs von selbst, und ohne daß es einer Kündigung bedarf (so ixso). die
bis dahin zwischen den kriegführenden Staaten bestehenden Verträge. Zwischen
Preußen und seinen Verbündeten, einerseits, und denjenigen deutschen Staaten,
welche Oestreich -- sei es auch in gutem Glauben an das sogenannte "Bundes¬
recht" -- zu Hilfe eilten, um Krieg zu führen gegen Preußen, andrerseits, be-
stehen also gegenwärtig die Zollvereinsverträge nicht mehr. Die preußische Re
gierung hat dies am Beginn des Kriegs öffentlich erklärt. Sie hätte danach


Grenzboten III. 18V6. 48

Diese Beschlüsse lehnen sich an die Bundesreformvorschläge an, welche die
preußische Negierung mit einer Depesche vom 10. Juni 1866 den deutschen Re¬
gierungen vor Ausbruch des Kriegs gemacht und nach siegreicher Beendigung des
Kriegs in allen wesentlichen Stücken wieder aufgegriffen hat.

Außer den oben unter 1 bis 8 aufgezählten Gegenständen, welche der
volkswirthschaftliche Kongreß der Kompetenz der Bundesgewalt und des Reichs¬
tages reclamirt, sollen nach Artikel VI der genannten Reformvorschläge den¬
selben unterworfen sein:

1) Einheitliche Ordnung des Maß-, Münz- und Gewichtsystems;

2) Feststellung der Grundsähe über Emission von fundirtem und nicht
fundirtem Papiergeld; /

3) allgemeine Vorschriften über das Bankwesen;

4) über Erfindungspatente und über

5) den Schuß des sogenannten geistigen Eigenthums;

6) die Vorschriften über Zugfreiheit. Heimathsverhältnisse. Berechtigung
zur Niederlassung und zum Geschäftsbetriebe, Kolonisation und Auswanderung
nach außerdeutschen Ländern;

7) Organisation des gemeinsamen Schutzes des deutschen Handels im Aus¬
lande, der deutschen Schiffahrt und ihrer Flagge zur See. die Anordnung ge¬
meinsamer consularischer Vertretung, welche aus Bundesmitteln dotirt wird;

8) Schiffahrtsbetrieb auf den mehren deutschen Staaten gemeinsamen Wasser¬
straßen, die Fluß- und die sonstigen Wasserzölle;

9) gemeinsame Civilproceßordnung und Concursordnung.

Unter den Verhandlungen des volkswirtschaftlichen Kongresses vom4.August
1866 hatten die über die Zukunft des Zollvereins ein vorwiegend praktisches
und brennendes Interesse. Deshalb waren sie auch die ausführlichsten; und
grade in dieser Frage platzten am stärksten die Geister auf einander. Es ge¬
lang jedoch eine gute Mitte zu finden, welche, ohne das Princip zu ver¬
letzen, für den Augenblick die streitigen Interessen wieder in Harmonie setzt und
einen Uebergangszustand anbahnt, durch welchen die gegenwärtig vorhandenen
Differenzen ihre definitive Ausgleichung finden können.

Ueberblicken wir zunächst die gegenwärtige Lage des Zollvereins.

Nach anerkannter völkerrechtlicher Doctrin lösen sich durch den Ausbruch
des Kriegs von selbst, und ohne daß es einer Kündigung bedarf (so ixso). die
bis dahin zwischen den kriegführenden Staaten bestehenden Verträge. Zwischen
Preußen und seinen Verbündeten, einerseits, und denjenigen deutschen Staaten,
welche Oestreich — sei es auch in gutem Glauben an das sogenannte „Bundes¬
recht« — zu Hilfe eilten, um Krieg zu führen gegen Preußen, andrerseits, be-
stehen also gegenwärtig die Zollvereinsverträge nicht mehr. Die preußische Re
gierung hat dies am Beginn des Kriegs öffentlich erklärt. Sie hätte danach


Grenzboten III. 18V6. 48
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[0405] Diese Beschlüsse lehnen sich an die Bundesreformvorschläge an, welche die preußische Negierung mit einer Depesche vom 10. Juni 1866 den deutschen Re¬ gierungen vor Ausbruch des Kriegs gemacht und nach siegreicher Beendigung des Kriegs in allen wesentlichen Stücken wieder aufgegriffen hat. Außer den oben unter 1 bis 8 aufgezählten Gegenständen, welche der volkswirthschaftliche Kongreß der Kompetenz der Bundesgewalt und des Reichs¬ tages reclamirt, sollen nach Artikel VI der genannten Reformvorschläge den¬ selben unterworfen sein: 1) Einheitliche Ordnung des Maß-, Münz- und Gewichtsystems; 2) Feststellung der Grundsähe über Emission von fundirtem und nicht fundirtem Papiergeld; / 3) allgemeine Vorschriften über das Bankwesen; 4) über Erfindungspatente und über 5) den Schuß des sogenannten geistigen Eigenthums; 6) die Vorschriften über Zugfreiheit. Heimathsverhältnisse. Berechtigung zur Niederlassung und zum Geschäftsbetriebe, Kolonisation und Auswanderung nach außerdeutschen Ländern; 7) Organisation des gemeinsamen Schutzes des deutschen Handels im Aus¬ lande, der deutschen Schiffahrt und ihrer Flagge zur See. die Anordnung ge¬ meinsamer consularischer Vertretung, welche aus Bundesmitteln dotirt wird; 8) Schiffahrtsbetrieb auf den mehren deutschen Staaten gemeinsamen Wasser¬ straßen, die Fluß- und die sonstigen Wasserzölle; 9) gemeinsame Civilproceßordnung und Concursordnung. Unter den Verhandlungen des volkswirtschaftlichen Kongresses vom4.August 1866 hatten die über die Zukunft des Zollvereins ein vorwiegend praktisches und brennendes Interesse. Deshalb waren sie auch die ausführlichsten; und grade in dieser Frage platzten am stärksten die Geister auf einander. Es ge¬ lang jedoch eine gute Mitte zu finden, welche, ohne das Princip zu ver¬ letzen, für den Augenblick die streitigen Interessen wieder in Harmonie setzt und einen Uebergangszustand anbahnt, durch welchen die gegenwärtig vorhandenen Differenzen ihre definitive Ausgleichung finden können. Ueberblicken wir zunächst die gegenwärtige Lage des Zollvereins. Nach anerkannter völkerrechtlicher Doctrin lösen sich durch den Ausbruch des Kriegs von selbst, und ohne daß es einer Kündigung bedarf (so ixso). die bis dahin zwischen den kriegführenden Staaten bestehenden Verträge. Zwischen Preußen und seinen Verbündeten, einerseits, und denjenigen deutschen Staaten, welche Oestreich — sei es auch in gutem Glauben an das sogenannte „Bundes¬ recht« — zu Hilfe eilten, um Krieg zu führen gegen Preußen, andrerseits, be- stehen also gegenwärtig die Zollvereinsverträge nicht mehr. Die preußische Re gierung hat dies am Beginn des Kriegs öffentlich erklärt. Sie hätte danach Grenzboten III. 18V6. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/405>, abgerufen am 22.07.2024.