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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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wenn man wenigstens 30,000 davon streicht. Dann aber stünde den760.000Preußen
und Italienern, die wir oben herausrechneten, ein Feind gegenüber, der nicht
völlig so stark als sie, wahrscheinlich um 60,000 Mann und vielleicht noch
schwächer wäre. Daß derselbe diesen Mangel durch eine günstigere Stellung im
Süden (Festungsviereck) wieder ausgleicht, soll hier nur kurz erwähnt werden.




Die echten Gedichte Michelangelos.

I^o rios 61 Niodelg-nZelo Luormrroti, eavÄte äaZIi autoZraü e puddlieate
äa Liesare Ouasti, ^ooÄäemico äslls. lürusos,. -- ^ireniiö. I,e Nonvikr, 1863.

In einem seiner Gedichte, an welchem humoristische Selbstverspottung und
bittere Wehmuth gleichen Antheil haben, und worin er das Elend seines Alters,
die Hinfälligkeit der Gestalt, die Aermlichkeit seines Auszugs, seiner Wohnung
und seines Haushalts beschreibt, erhebt Michelangelo auch die Klage: was Amor,
die Musen und die goldne Phantasie ihm eingegeben > sei zu Düten, zu Pack¬
papier, zum Einwickeln für die Wirthe verwandt worden oder sonst jämmerlich
zu Grunde gegangen. Zuck Glück übertrieb die groteske Phantasie des Greises.
Mag auch manches Blatt jene Wege gewandelt sein, eine beträchtliche Zahl
von Gedichten ist uns erhalten. Er selbst dachte Nicht allzugering von
dieser seiner Kunst. Ein edles Stück innersten Lebens ist in ihnen nieder¬
gelegt. War er sich auch bewußt, kein "Dichter von Profession" zu sein, und
begleitete er auch die Verse, die er den Freunden zusandte, häufig mit einem
geringschätzigen Wort, als seien sie nur die Frucht müßiger Spielerei, so gab
er ihnen doch gerne nach, wenn sie immer neue Reime von ihm verlangten;
in Vertrauten Kreise aufgefordert, was er eben Neues hatte, vorzutragen, ließ
er sich nicht lange bitten und manches überschwängliche Lob mußte er sich dafür
gefallen lassen. Bor allem aber beweist die Sorgfalt, die er auf die Verbesserung
seiner Verse verwandte und von der die zahlreichen Correcturen und Varianten
in seinen Handschriften Zeugniß ablegen, wie wenig leicht er auch diese Kunst
nahm.

Indessen was er selbst an Sorge für seine Poesien fehlen lassen mochte,
das ersetzte der Eifer seiner Freunde. Sie bewahrten die Schätze, die ihnen
anvertraut wurden, machten Abschriften und verbreiteten sie. Die Madrigale
wurden in Musik gesetzt und in Rom und anderwärts vom Volke gesungen.


wenn man wenigstens 30,000 davon streicht. Dann aber stünde den760.000Preußen
und Italienern, die wir oben herausrechneten, ein Feind gegenüber, der nicht
völlig so stark als sie, wahrscheinlich um 60,000 Mann und vielleicht noch
schwächer wäre. Daß derselbe diesen Mangel durch eine günstigere Stellung im
Süden (Festungsviereck) wieder ausgleicht, soll hier nur kurz erwähnt werden.




Die echten Gedichte Michelangelos.

I^o rios 61 Niodelg-nZelo Luormrroti, eavÄte äaZIi autoZraü e puddlieate
äa Liesare Ouasti, ^ooÄäemico äslls. lürusos,. — ^ireniiö. I,e Nonvikr, 1863.

In einem seiner Gedichte, an welchem humoristische Selbstverspottung und
bittere Wehmuth gleichen Antheil haben, und worin er das Elend seines Alters,
die Hinfälligkeit der Gestalt, die Aermlichkeit seines Auszugs, seiner Wohnung
und seines Haushalts beschreibt, erhebt Michelangelo auch die Klage: was Amor,
die Musen und die goldne Phantasie ihm eingegeben > sei zu Düten, zu Pack¬
papier, zum Einwickeln für die Wirthe verwandt worden oder sonst jämmerlich
zu Grunde gegangen. Zuck Glück übertrieb die groteske Phantasie des Greises.
Mag auch manches Blatt jene Wege gewandelt sein, eine beträchtliche Zahl
von Gedichten ist uns erhalten. Er selbst dachte Nicht allzugering von
dieser seiner Kunst. Ein edles Stück innersten Lebens ist in ihnen nieder¬
gelegt. War er sich auch bewußt, kein „Dichter von Profession" zu sein, und
begleitete er auch die Verse, die er den Freunden zusandte, häufig mit einem
geringschätzigen Wort, als seien sie nur die Frucht müßiger Spielerei, so gab
er ihnen doch gerne nach, wenn sie immer neue Reime von ihm verlangten;
in Vertrauten Kreise aufgefordert, was er eben Neues hatte, vorzutragen, ließ
er sich nicht lange bitten und manches überschwängliche Lob mußte er sich dafür
gefallen lassen. Bor allem aber beweist die Sorgfalt, die er auf die Verbesserung
seiner Verse verwandte und von der die zahlreichen Correcturen und Varianten
in seinen Handschriften Zeugniß ablegen, wie wenig leicht er auch diese Kunst
nahm.

Indessen was er selbst an Sorge für seine Poesien fehlen lassen mochte,
das ersetzte der Eifer seiner Freunde. Sie bewahrten die Schätze, die ihnen
anvertraut wurden, machten Abschriften und verbreiteten sie. Die Madrigale
wurden in Musik gesetzt und in Rom und anderwärts vom Volke gesungen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/38>, abgerufen am 22.07.2024.