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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Truppentheile grade in einer Umwandlung begriffen waren, wie z.B. die Wür-
tenberger. Rheinhessen und Meininger. So trugen die Offiziere, die Musik und
ein Theil der Unteroffiziere der letzteren dunkelgrüne Schnürröcke, ähnlich wie
die braunschweiger und nassauer Jäger, während die übrigen Unteroffiziere und
die Soldaten die alte Montur, grün, schwarz und roth, beibehalten hatten, das
eine Regiment hatte zwei in Aussehn und Schnitt grundverschiedne Uniformen.
Dieses, wie die sehr verschiednen Gradabzeichen, erforderte längeres Studium
und Beobachtung und selbst dem Offizier wurde es schwer, sich einigermaßen
darin zurecht zu finden, noch schwerer den Soldaten, und so konnten denn
Irrungen und Verwechselungen ernster Natur nicht ausbleiben. Um doch we¬
nigstens ein Kennzeichen zu haben, sollten die Mannschaften am linken Ober-
arm eine Binde mit den deutschen Farben tragen. Diese Binden wurden vom
Mainzer Frauenverein ausgegeben. Erst trugen sie einzelne, Offiziere wie Sol¬
daten, dann mehre, aber andre auch nicht. Selbst die Hessen hatten sich die¬
selben zum großen Theil angelegt. Die Soldaten hatten, wohl mehr aus Eitel¬
keit oder Spielerei als aus Parteieifer, sich diesen Schmuck aus eigenen Mitteln
gekauft. Da aber kein Befehl ausgegeben war, sie allgemein zu tragen, so
legten die Uebrigen z. B. die Meininger die Binde gar nicht an. Und das war
auch wohl ganz in der Ordnung: entweder gleichmäßig, oder gar nicht. Also
auch darin wurde keine Gleichheit erzielt, die Buntscheckigkeit nur größer.

Das Chaos hatte sich allmälig etwas geordnet und da der Bestand
in der letzteren Zeit weniger wechselte, so waren die Rollen bei einem
etwaigen Angriff vertheilt, den Truppen und Führern für einen Allarm ihre
Posten und ihr Verhalten angewiesen. Es wurde auch einmal nach Mitter¬
nacht allarmirt, um das Angeordnete zu Prüfen. Der Commandant beriet mit
stattlicher Suite alle Werke und Posten, und fand freilich mancherlei zu corri-
ttiren. Auch anderes kam vor, das übel bekommen wäre, wenn ein Angriff auf
die inneren Werke wirklich stattgefunden hätte. So ist bekanntlich in einer
Festung nicht nur das zu vertheidigen, was man eben als Terrain erblickt, son¬
dern auch, was unter der Erde ist, und dem Auge des Laien entgeht. Bei
der genauen Kenntniß, die der damalige Gegner von allen Theilen der Festung
baben mußte, war grade das Unterirdische der meisten Aufmerksamkeit empfohlen
und Genieoffiziere waren bei Anweisung der Truppentheile die Führer und
>!>nstructoren gewesen. Der Eingang, welcher vom Innern der Beste in die
Kasematten und nach Außen führt -- die Poterne -- ist daher stets wohl ver-
wahrt. Da traf es sich nun, daß an einem Punkte die Poterne erst nach
anderthalbstündiger Anwesenheit der Besatzungstruppen erschlossen wurde. Da
"se kam der östreichische Wallmeister, ein alter Unteroffizier, der das Erschließen
ZU besorgen hatte, langsam angewackelt. Von einem der Offiziere gefragt, wo
er denn so lange geblieben, antwortete er gemüthlich: "Ja Schaums, ich hatt


Truppentheile grade in einer Umwandlung begriffen waren, wie z.B. die Wür-
tenberger. Rheinhessen und Meininger. So trugen die Offiziere, die Musik und
ein Theil der Unteroffiziere der letzteren dunkelgrüne Schnürröcke, ähnlich wie
die braunschweiger und nassauer Jäger, während die übrigen Unteroffiziere und
die Soldaten die alte Montur, grün, schwarz und roth, beibehalten hatten, das
eine Regiment hatte zwei in Aussehn und Schnitt grundverschiedne Uniformen.
Dieses, wie die sehr verschiednen Gradabzeichen, erforderte längeres Studium
und Beobachtung und selbst dem Offizier wurde es schwer, sich einigermaßen
darin zurecht zu finden, noch schwerer den Soldaten, und so konnten denn
Irrungen und Verwechselungen ernster Natur nicht ausbleiben. Um doch we¬
nigstens ein Kennzeichen zu haben, sollten die Mannschaften am linken Ober-
arm eine Binde mit den deutschen Farben tragen. Diese Binden wurden vom
Mainzer Frauenverein ausgegeben. Erst trugen sie einzelne, Offiziere wie Sol¬
daten, dann mehre, aber andre auch nicht. Selbst die Hessen hatten sich die¬
selben zum großen Theil angelegt. Die Soldaten hatten, wohl mehr aus Eitel¬
keit oder Spielerei als aus Parteieifer, sich diesen Schmuck aus eigenen Mitteln
gekauft. Da aber kein Befehl ausgegeben war, sie allgemein zu tragen, so
legten die Uebrigen z. B. die Meininger die Binde gar nicht an. Und das war
auch wohl ganz in der Ordnung: entweder gleichmäßig, oder gar nicht. Also
auch darin wurde keine Gleichheit erzielt, die Buntscheckigkeit nur größer.

Das Chaos hatte sich allmälig etwas geordnet und da der Bestand
in der letzteren Zeit weniger wechselte, so waren die Rollen bei einem
etwaigen Angriff vertheilt, den Truppen und Führern für einen Allarm ihre
Posten und ihr Verhalten angewiesen. Es wurde auch einmal nach Mitter¬
nacht allarmirt, um das Angeordnete zu Prüfen. Der Commandant beriet mit
stattlicher Suite alle Werke und Posten, und fand freilich mancherlei zu corri-
ttiren. Auch anderes kam vor, das übel bekommen wäre, wenn ein Angriff auf
die inneren Werke wirklich stattgefunden hätte. So ist bekanntlich in einer
Festung nicht nur das zu vertheidigen, was man eben als Terrain erblickt, son¬
dern auch, was unter der Erde ist, und dem Auge des Laien entgeht. Bei
der genauen Kenntniß, die der damalige Gegner von allen Theilen der Festung
baben mußte, war grade das Unterirdische der meisten Aufmerksamkeit empfohlen
und Genieoffiziere waren bei Anweisung der Truppentheile die Führer und
>!>nstructoren gewesen. Der Eingang, welcher vom Innern der Beste in die
Kasematten und nach Außen führt — die Poterne — ist daher stets wohl ver-
wahrt. Da traf es sich nun, daß an einem Punkte die Poterne erst nach
anderthalbstündiger Anwesenheit der Besatzungstruppen erschlossen wurde. Da
«se kam der östreichische Wallmeister, ein alter Unteroffizier, der das Erschließen
ZU besorgen hatte, langsam angewackelt. Von einem der Offiziere gefragt, wo
er denn so lange geblieben, antwortete er gemüthlich: „Ja Schaums, ich hatt


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[0377] Truppentheile grade in einer Umwandlung begriffen waren, wie z.B. die Wür- tenberger. Rheinhessen und Meininger. So trugen die Offiziere, die Musik und ein Theil der Unteroffiziere der letzteren dunkelgrüne Schnürröcke, ähnlich wie die braunschweiger und nassauer Jäger, während die übrigen Unteroffiziere und die Soldaten die alte Montur, grün, schwarz und roth, beibehalten hatten, das eine Regiment hatte zwei in Aussehn und Schnitt grundverschiedne Uniformen. Dieses, wie die sehr verschiednen Gradabzeichen, erforderte längeres Studium und Beobachtung und selbst dem Offizier wurde es schwer, sich einigermaßen darin zurecht zu finden, noch schwerer den Soldaten, und so konnten denn Irrungen und Verwechselungen ernster Natur nicht ausbleiben. Um doch we¬ nigstens ein Kennzeichen zu haben, sollten die Mannschaften am linken Ober- arm eine Binde mit den deutschen Farben tragen. Diese Binden wurden vom Mainzer Frauenverein ausgegeben. Erst trugen sie einzelne, Offiziere wie Sol¬ daten, dann mehre, aber andre auch nicht. Selbst die Hessen hatten sich die¬ selben zum großen Theil angelegt. Die Soldaten hatten, wohl mehr aus Eitel¬ keit oder Spielerei als aus Parteieifer, sich diesen Schmuck aus eigenen Mitteln gekauft. Da aber kein Befehl ausgegeben war, sie allgemein zu tragen, so legten die Uebrigen z. B. die Meininger die Binde gar nicht an. Und das war auch wohl ganz in der Ordnung: entweder gleichmäßig, oder gar nicht. Also auch darin wurde keine Gleichheit erzielt, die Buntscheckigkeit nur größer. Das Chaos hatte sich allmälig etwas geordnet und da der Bestand in der letzteren Zeit weniger wechselte, so waren die Rollen bei einem etwaigen Angriff vertheilt, den Truppen und Führern für einen Allarm ihre Posten und ihr Verhalten angewiesen. Es wurde auch einmal nach Mitter¬ nacht allarmirt, um das Angeordnete zu Prüfen. Der Commandant beriet mit stattlicher Suite alle Werke und Posten, und fand freilich mancherlei zu corri- ttiren. Auch anderes kam vor, das übel bekommen wäre, wenn ein Angriff auf die inneren Werke wirklich stattgefunden hätte. So ist bekanntlich in einer Festung nicht nur das zu vertheidigen, was man eben als Terrain erblickt, son¬ dern auch, was unter der Erde ist, und dem Auge des Laien entgeht. Bei der genauen Kenntniß, die der damalige Gegner von allen Theilen der Festung baben mußte, war grade das Unterirdische der meisten Aufmerksamkeit empfohlen und Genieoffiziere waren bei Anweisung der Truppentheile die Führer und >!>nstructoren gewesen. Der Eingang, welcher vom Innern der Beste in die Kasematten und nach Außen führt — die Poterne — ist daher stets wohl ver- wahrt. Da traf es sich nun, daß an einem Punkte die Poterne erst nach anderthalbstündiger Anwesenheit der Besatzungstruppen erschlossen wurde. Da «se kam der östreichische Wallmeister, ein alter Unteroffizier, der das Erschließen ZU besorgen hatte, langsam angewackelt. Von einem der Offiziere gefragt, wo er denn so lange geblieben, antwortete er gemüthlich: „Ja Schaums, ich hatt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/377>, abgerufen am 22.07.2024.