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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Als die genannten Truppentheile einrückten, waren der Vicegouverneur,
der Prinz Woldemar von Holstein, preußischer General, und der Commandant,
der östreichische Generalmajor Graf Neipperg, noch anwesend. Ersterer ein
stattlicher, großer Herr, um Mitte der Fünfziger, bei den Truppen wie bei den
Mainzern beliebt; bei einem im Dienst ernsten Wesen war er gesellig und
liebenswürdig und meist von gutem Humor. Graf Neipperg, schmächtig und
von mittlerer Größe, sah kränklich und verstimmt aus, anscheinend ruhig, soll
er sehr reizbar und nicht selten aufbrausend und heftig gegen Untergebene ge¬
wesen sein. Der, Gras ist bekanntlich ein Stiefsohn der zweiten Gemahlin
Napoleons des Ersten, der Kaiserin Marie Louise, späteren Herzogin von Parma,
die ihren Cavalier, den Vater des Grafen, heirathete. Er gilt als sehr ver¬
mögend. Trotz der Gegensätze der beiden Herren vertrugen sich die Befehls¬
haber doch im Allgemeinen während der Verwaltung ihrer Posten bis zur
Trennung gut.

Die ersten Posten in der Bundesfestung wurden im Frieden mit Rücksicht
auf die repräsentircnde Stellung besetzt, welche die Vertreter zu behaupten hatten.
Bei der funfzigjährigen Waffenruhe und der Aufmerksamkeit, die der Bund
seiner Neichsveste Mainz angedeihen ließ, ist das leicht erklärlich. Gouverneur
und Commandant hatten hohe Gehalte, palastähnliche und mit fürstlichem Kom¬
fort ausgestattete Wohnungen, herrliche Gärten, prächtige Jagdreviere und noch
manches Andere, das zu den Annehmlichkeiten des irdischen Daseins zählt. Das
alles bot in paradiesischer Gegend, bei nahen, zahlreich besuchten Badeorten, be¬
quemen Verkehrsmitteln und nicht übermäßiger Arbeit die schönsten Sinecuren,
auf die freilich auch nur Auserwählte Anspruch hatten. Indeß war die Rück¬
sicht auf Repräsentation wenigstens bei den Preußen nicht ausschließlich ma߬
gebend gewesen, denn der Prinz von Holstein genoß den Ruf, seine Amtsgeschäfte
tüchtig und energisch zu versehen. Er war als Gouverneur auch dem Bunde eidlich
Verpflichtet und als Bundesgeneral- von dem Neichsregiment in Frankfurt ab¬
hängig. Es war also in militärischen Angelegenheiten für ihn, wie für jeden
wackeren Soldaten eine unablässige Resignation nöthig gewesen.

Nachfolger des preußischen Gouverneurs war der bayerische Generalmajor
Graf Rechberg-Nothenlöwen, vom Bund ernannt, ein bereits ältlicher Herr von
nicht sehr kräftigem Aussehen, bleiches Gesicht mit langem und dünnem Knebel¬
bart, die Haltung ruhig und gemessen, sein Herz theilnehmend und wohl¬
wollend. Er hatte in der bayerischen Reiterei activ gedient, .^>ar aber durch
viele Jahre Adjutant des verstorbenen Königs Max bis zu dessen Tod gewesen.
Er hatte somit mehr die Carriöre eines Hofmannes als eines Militärs gemacht.
Indeß er hatte das Streben, in seiner schwierigen und Verantwortlicher Stel¬
lung das Möglichste zu leisten, und galt als ein ritterlicher und ehrenwerther
Charakter.


Als die genannten Truppentheile einrückten, waren der Vicegouverneur,
der Prinz Woldemar von Holstein, preußischer General, und der Commandant,
der östreichische Generalmajor Graf Neipperg, noch anwesend. Ersterer ein
stattlicher, großer Herr, um Mitte der Fünfziger, bei den Truppen wie bei den
Mainzern beliebt; bei einem im Dienst ernsten Wesen war er gesellig und
liebenswürdig und meist von gutem Humor. Graf Neipperg, schmächtig und
von mittlerer Größe, sah kränklich und verstimmt aus, anscheinend ruhig, soll
er sehr reizbar und nicht selten aufbrausend und heftig gegen Untergebene ge¬
wesen sein. Der, Gras ist bekanntlich ein Stiefsohn der zweiten Gemahlin
Napoleons des Ersten, der Kaiserin Marie Louise, späteren Herzogin von Parma,
die ihren Cavalier, den Vater des Grafen, heirathete. Er gilt als sehr ver¬
mögend. Trotz der Gegensätze der beiden Herren vertrugen sich die Befehls¬
haber doch im Allgemeinen während der Verwaltung ihrer Posten bis zur
Trennung gut.

Die ersten Posten in der Bundesfestung wurden im Frieden mit Rücksicht
auf die repräsentircnde Stellung besetzt, welche die Vertreter zu behaupten hatten.
Bei der funfzigjährigen Waffenruhe und der Aufmerksamkeit, die der Bund
seiner Neichsveste Mainz angedeihen ließ, ist das leicht erklärlich. Gouverneur
und Commandant hatten hohe Gehalte, palastähnliche und mit fürstlichem Kom¬
fort ausgestattete Wohnungen, herrliche Gärten, prächtige Jagdreviere und noch
manches Andere, das zu den Annehmlichkeiten des irdischen Daseins zählt. Das
alles bot in paradiesischer Gegend, bei nahen, zahlreich besuchten Badeorten, be¬
quemen Verkehrsmitteln und nicht übermäßiger Arbeit die schönsten Sinecuren,
auf die freilich auch nur Auserwählte Anspruch hatten. Indeß war die Rück¬
sicht auf Repräsentation wenigstens bei den Preußen nicht ausschließlich ma߬
gebend gewesen, denn der Prinz von Holstein genoß den Ruf, seine Amtsgeschäfte
tüchtig und energisch zu versehen. Er war als Gouverneur auch dem Bunde eidlich
Verpflichtet und als Bundesgeneral- von dem Neichsregiment in Frankfurt ab¬
hängig. Es war also in militärischen Angelegenheiten für ihn, wie für jeden
wackeren Soldaten eine unablässige Resignation nöthig gewesen.

Nachfolger des preußischen Gouverneurs war der bayerische Generalmajor
Graf Rechberg-Nothenlöwen, vom Bund ernannt, ein bereits ältlicher Herr von
nicht sehr kräftigem Aussehen, bleiches Gesicht mit langem und dünnem Knebel¬
bart, die Haltung ruhig und gemessen, sein Herz theilnehmend und wohl¬
wollend. Er hatte in der bayerischen Reiterei activ gedient, .^>ar aber durch
viele Jahre Adjutant des verstorbenen Königs Max bis zu dessen Tod gewesen.
Er hatte somit mehr die Carriöre eines Hofmannes als eines Militärs gemacht.
Indeß er hatte das Streben, in seiner schwierigen und Verantwortlicher Stel¬
lung das Möglichste zu leisten, und galt als ein ritterlicher und ehrenwerther
Charakter.


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[0366] Als die genannten Truppentheile einrückten, waren der Vicegouverneur, der Prinz Woldemar von Holstein, preußischer General, und der Commandant, der östreichische Generalmajor Graf Neipperg, noch anwesend. Ersterer ein stattlicher, großer Herr, um Mitte der Fünfziger, bei den Truppen wie bei den Mainzern beliebt; bei einem im Dienst ernsten Wesen war er gesellig und liebenswürdig und meist von gutem Humor. Graf Neipperg, schmächtig und von mittlerer Größe, sah kränklich und verstimmt aus, anscheinend ruhig, soll er sehr reizbar und nicht selten aufbrausend und heftig gegen Untergebene ge¬ wesen sein. Der, Gras ist bekanntlich ein Stiefsohn der zweiten Gemahlin Napoleons des Ersten, der Kaiserin Marie Louise, späteren Herzogin von Parma, die ihren Cavalier, den Vater des Grafen, heirathete. Er gilt als sehr ver¬ mögend. Trotz der Gegensätze der beiden Herren vertrugen sich die Befehls¬ haber doch im Allgemeinen während der Verwaltung ihrer Posten bis zur Trennung gut. Die ersten Posten in der Bundesfestung wurden im Frieden mit Rücksicht auf die repräsentircnde Stellung besetzt, welche die Vertreter zu behaupten hatten. Bei der funfzigjährigen Waffenruhe und der Aufmerksamkeit, die der Bund seiner Neichsveste Mainz angedeihen ließ, ist das leicht erklärlich. Gouverneur und Commandant hatten hohe Gehalte, palastähnliche und mit fürstlichem Kom¬ fort ausgestattete Wohnungen, herrliche Gärten, prächtige Jagdreviere und noch manches Andere, das zu den Annehmlichkeiten des irdischen Daseins zählt. Das alles bot in paradiesischer Gegend, bei nahen, zahlreich besuchten Badeorten, be¬ quemen Verkehrsmitteln und nicht übermäßiger Arbeit die schönsten Sinecuren, auf die freilich auch nur Auserwählte Anspruch hatten. Indeß war die Rück¬ sicht auf Repräsentation wenigstens bei den Preußen nicht ausschließlich ma߬ gebend gewesen, denn der Prinz von Holstein genoß den Ruf, seine Amtsgeschäfte tüchtig und energisch zu versehen. Er war als Gouverneur auch dem Bunde eidlich Verpflichtet und als Bundesgeneral- von dem Neichsregiment in Frankfurt ab¬ hängig. Es war also in militärischen Angelegenheiten für ihn, wie für jeden wackeren Soldaten eine unablässige Resignation nöthig gewesen. Nachfolger des preußischen Gouverneurs war der bayerische Generalmajor Graf Rechberg-Nothenlöwen, vom Bund ernannt, ein bereits ältlicher Herr von nicht sehr kräftigem Aussehen, bleiches Gesicht mit langem und dünnem Knebel¬ bart, die Haltung ruhig und gemessen, sein Herz theilnehmend und wohl¬ wollend. Er hatte in der bayerischen Reiterei activ gedient, .^>ar aber durch viele Jahre Adjutant des verstorbenen Königs Max bis zu dessen Tod gewesen. Er hatte somit mehr die Carriöre eines Hofmannes als eines Militärs gemacht. Indeß er hatte das Streben, in seiner schwierigen und Verantwortlicher Stel¬ lung das Möglichste zu leisten, und galt als ein ritterlicher und ehrenwerther Charakter.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/366>, abgerufen am 22.07.2024.