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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Situation zeichnen. Soweit wir unterrichtet sind, hat der Verein gegenwärtig,
nachdem er viel an Mitteln und Mannschaft eingebüßt, proportionell den stärksten
Anhang in Preußen selbst. Dann kommen Hannover, Kurhessen und Nassau,
wo die eigenthümliche Art des Regierens dem Particularismus den Todesstoß
versetzt, den Einheitsdrang gekräftigt und dessen Anhänger mächtig gestählt hat.
In dritter Linie rangiren Baden, Hessen-Darmstadt, Thüringen, Sachsen. Die
Mitglieder in Bayern und Würtemberg wird man gegenwärtig an den zehn
Fingern herzählen können. Frankfurt zählte deren viele. Mein Angesichts der
Bundestagsarmee und unter dem Terrorism der rothen, schwarzen und schwarz¬
gelben Blätter sind sie ausgetreten, und Herr v. Manteuffel scheint es zu ver¬
schmähen, den Status puo ante durch Gewabtmaßregeln wieder herzustellen. Und
daran hat er recht. Denn auf geflohene Mitglieder ist kein Gewicht zu legen.
Auf zum Wiedereintritt Gepreßte noch weniger.

In Obigem ist der Status aetivorum et sMÄvorum, mit welchem der
Vorstand des Nationalvereins am 4. August in Braunschweig, dieser von mo¬
dernem Geist durchweheten alterthümlich monumentalen Stadt, zusammentrat,
so genau geschildert, als man es auf knapp bemessenen Raum vermag.

Der Süden war wenig, Nord- und Mitteldeutschland se-art, Preußen aber
in Anbetracht der am anderen Tage bevorstehenden Eröffnung, des Landtages
nur durch drei oder vier Mitglieder vertreten. Alle waren unitarisch gesinnt.
Die Andern unbedingt. Die Preußen, mit Vorbehalt. Sie fürchteten nämlich,
durch allzu bereitwilliges Eingehn auf des Grafen Bismarck Unions-, Annexions¬
und Parlamentsbestrebungen dem Hunde der Fabel zu gleichen, welcher das
Stück Fleisch, das er im Munde trug, verlor, während er nach dessen Spiegel-
bild schnappte, das der von dem Träger durchschwommene Bach ihm zurückwarf.
Sie fürchteten in dem Militär- und Bubgetconflicd die so mühsam errungene
und kaum noch behauptete Stellung ganz zu verlieren, auf die Gefahr hin,
auch den parlamentarischen Bundesstaat nicht zu erlangen, nach welchem sie
strebten.

Die Anderen sahen die Dinge weniger pessimistisch an. Sie behaupteten,
Preußen habe das Parlament dringend nöthig, um das Begonnene zu voll¬
enden, das Vollendete zu genehmigen und zu weihen. Dieses Bedürfniß ver¬
bürge die Ernstlichkeit des Willens. Die errungene Machtstellung aber garantire
das Gelingen. Der Militärconflict sei gegcnstandlos. Sei auch die Zahl der
Regimenter (vielleicht in Friedenszeiten) für das bisherige Preußen zu groß ge¬
wesen, so habe sich das Verhältniß dadurch geändert, daß Preußen zwischenzeitig-
um vier bis fünf Millionen Einwohner gewachsen sei. An die Stelle des preu¬
ßischen trete das von Preußen geführte deutsche Heer, dessen Budget das Par¬
lament vvtire. Demnach lägen keine Gründe für das preußische Ministerium
vor. der Wiederherstellung des Budgetrechts, dessen Verletzung der Regierung


Situation zeichnen. Soweit wir unterrichtet sind, hat der Verein gegenwärtig,
nachdem er viel an Mitteln und Mannschaft eingebüßt, proportionell den stärksten
Anhang in Preußen selbst. Dann kommen Hannover, Kurhessen und Nassau,
wo die eigenthümliche Art des Regierens dem Particularismus den Todesstoß
versetzt, den Einheitsdrang gekräftigt und dessen Anhänger mächtig gestählt hat.
In dritter Linie rangiren Baden, Hessen-Darmstadt, Thüringen, Sachsen. Die
Mitglieder in Bayern und Würtemberg wird man gegenwärtig an den zehn
Fingern herzählen können. Frankfurt zählte deren viele. Mein Angesichts der
Bundestagsarmee und unter dem Terrorism der rothen, schwarzen und schwarz¬
gelben Blätter sind sie ausgetreten, und Herr v. Manteuffel scheint es zu ver¬
schmähen, den Status puo ante durch Gewabtmaßregeln wieder herzustellen. Und
daran hat er recht. Denn auf geflohene Mitglieder ist kein Gewicht zu legen.
Auf zum Wiedereintritt Gepreßte noch weniger.

In Obigem ist der Status aetivorum et sMÄvorum, mit welchem der
Vorstand des Nationalvereins am 4. August in Braunschweig, dieser von mo¬
dernem Geist durchweheten alterthümlich monumentalen Stadt, zusammentrat,
so genau geschildert, als man es auf knapp bemessenen Raum vermag.

Der Süden war wenig, Nord- und Mitteldeutschland se-art, Preußen aber
in Anbetracht der am anderen Tage bevorstehenden Eröffnung, des Landtages
nur durch drei oder vier Mitglieder vertreten. Alle waren unitarisch gesinnt.
Die Andern unbedingt. Die Preußen, mit Vorbehalt. Sie fürchteten nämlich,
durch allzu bereitwilliges Eingehn auf des Grafen Bismarck Unions-, Annexions¬
und Parlamentsbestrebungen dem Hunde der Fabel zu gleichen, welcher das
Stück Fleisch, das er im Munde trug, verlor, während er nach dessen Spiegel-
bild schnappte, das der von dem Träger durchschwommene Bach ihm zurückwarf.
Sie fürchteten in dem Militär- und Bubgetconflicd die so mühsam errungene
und kaum noch behauptete Stellung ganz zu verlieren, auf die Gefahr hin,
auch den parlamentarischen Bundesstaat nicht zu erlangen, nach welchem sie
strebten.

Die Anderen sahen die Dinge weniger pessimistisch an. Sie behaupteten,
Preußen habe das Parlament dringend nöthig, um das Begonnene zu voll¬
enden, das Vollendete zu genehmigen und zu weihen. Dieses Bedürfniß ver¬
bürge die Ernstlichkeit des Willens. Die errungene Machtstellung aber garantire
das Gelingen. Der Militärconflict sei gegcnstandlos. Sei auch die Zahl der
Regimenter (vielleicht in Friedenszeiten) für das bisherige Preußen zu groß ge¬
wesen, so habe sich das Verhältniß dadurch geändert, daß Preußen zwischenzeitig-
um vier bis fünf Millionen Einwohner gewachsen sei. An die Stelle des preu¬
ßischen trete das von Preußen geführte deutsche Heer, dessen Budget das Par¬
lament vvtire. Demnach lägen keine Gründe für das preußische Ministerium
vor. der Wiederherstellung des Budgetrechts, dessen Verletzung der Regierung


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[0335] Situation zeichnen. Soweit wir unterrichtet sind, hat der Verein gegenwärtig, nachdem er viel an Mitteln und Mannschaft eingebüßt, proportionell den stärksten Anhang in Preußen selbst. Dann kommen Hannover, Kurhessen und Nassau, wo die eigenthümliche Art des Regierens dem Particularismus den Todesstoß versetzt, den Einheitsdrang gekräftigt und dessen Anhänger mächtig gestählt hat. In dritter Linie rangiren Baden, Hessen-Darmstadt, Thüringen, Sachsen. Die Mitglieder in Bayern und Würtemberg wird man gegenwärtig an den zehn Fingern herzählen können. Frankfurt zählte deren viele. Mein Angesichts der Bundestagsarmee und unter dem Terrorism der rothen, schwarzen und schwarz¬ gelben Blätter sind sie ausgetreten, und Herr v. Manteuffel scheint es zu ver¬ schmähen, den Status puo ante durch Gewabtmaßregeln wieder herzustellen. Und daran hat er recht. Denn auf geflohene Mitglieder ist kein Gewicht zu legen. Auf zum Wiedereintritt Gepreßte noch weniger. In Obigem ist der Status aetivorum et sMÄvorum, mit welchem der Vorstand des Nationalvereins am 4. August in Braunschweig, dieser von mo¬ dernem Geist durchweheten alterthümlich monumentalen Stadt, zusammentrat, so genau geschildert, als man es auf knapp bemessenen Raum vermag. Der Süden war wenig, Nord- und Mitteldeutschland se-art, Preußen aber in Anbetracht der am anderen Tage bevorstehenden Eröffnung, des Landtages nur durch drei oder vier Mitglieder vertreten. Alle waren unitarisch gesinnt. Die Andern unbedingt. Die Preußen, mit Vorbehalt. Sie fürchteten nämlich, durch allzu bereitwilliges Eingehn auf des Grafen Bismarck Unions-, Annexions¬ und Parlamentsbestrebungen dem Hunde der Fabel zu gleichen, welcher das Stück Fleisch, das er im Munde trug, verlor, während er nach dessen Spiegel- bild schnappte, das der von dem Träger durchschwommene Bach ihm zurückwarf. Sie fürchteten in dem Militär- und Bubgetconflicd die so mühsam errungene und kaum noch behauptete Stellung ganz zu verlieren, auf die Gefahr hin, auch den parlamentarischen Bundesstaat nicht zu erlangen, nach welchem sie strebten. Die Anderen sahen die Dinge weniger pessimistisch an. Sie behaupteten, Preußen habe das Parlament dringend nöthig, um das Begonnene zu voll¬ enden, das Vollendete zu genehmigen und zu weihen. Dieses Bedürfniß ver¬ bürge die Ernstlichkeit des Willens. Die errungene Machtstellung aber garantire das Gelingen. Der Militärconflict sei gegcnstandlos. Sei auch die Zahl der Regimenter (vielleicht in Friedenszeiten) für das bisherige Preußen zu groß ge¬ wesen, so habe sich das Verhältniß dadurch geändert, daß Preußen zwischenzeitig- um vier bis fünf Millionen Einwohner gewachsen sei. An die Stelle des preu¬ ßischen trete das von Preußen geführte deutsche Heer, dessen Budget das Par¬ lament vvtire. Demnach lägen keine Gründe für das preußische Ministerium vor. der Wiederherstellung des Budgetrechts, dessen Verletzung der Regierung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/335>, abgerufen am 22.07.2024.