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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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schaftlichen Kongresses und drittens der Vorstand des im Jahre 1861 in Heidel¬
berg gegründeten deutschen Handelstages. Außer diesen drei Verbänden sollte
noch ein vierter an demselben Orte zu derselben Zeit zusammentreten, nämlich
der deutsche Abgevidnctentag. welcher zum ersten Male am 28. und 29. Sep¬
tember 1862 in Weimar, zum letzten Male am 20. Mai 1866 in Frankfurt am
Main versammelt war. Bei dieser letzten Zusammenkunft empfahl der Ab-
gcordnetentag mit großer Majorität (dagegen stimmten nur die Schleswig-holstcin-
augustenvurgischen und die frantfurtischen Particularisten, sowie einige Mitglieder
der aus Schwarz und Noth gemischten süddeutschen triarischen "Volkspartei")
den südwestdeutschen Mittel- und Kleinstaaten gegenüber dem drohenden Krieg
eine reservirte Haltung, sie möchten sich nicht blindlings in einen dynastischen
Krieg zu Gunsten Oestreichs stürzen, vielmehr vorerst neutral bleiben und ihre
Finanz-, Militär- und Volkskräfte ungeschwächt und ungebraucht erhalten, um
eintretenden Falles für die Integrität des deutschen Gebiets einzutreten. In
Süddeutschland entstand durch diese Beschlüsse eine, hoffentlich nur vorüber¬
gehende Spaltung der liberalen Partei, je nachdem die einzelnen Mitglieder
mehr der föderalistischen oder der unitarischen Richtung angehörten. Bei der
Wahl des Ausschusses siegte eclatant die letztere Partei. Gleichwohl wählte der
Ausschuß auf Vorschlag des Abgeordneten Metz aus Darmstadt -- dessen Accom-
modations- und Vermittelungsbestreben gewiß stets aus ehrenhaften Motiven
hervorgeht, aber zuweilen bittere Früchte trägt -- zum ersten und zweiten Vor¬
sitzenden die Herren vor. Siegmund Müller und Ernst Passavant in Frankfurt.
Letztere hatten auf dem Abgeordnetentage den föderalistischen Standpunkt ver¬
treten und beantragt, die "bundestreuen" Regierungen und die ganze deutsche
Nation aufzufordern, "nicht nur mit passivem, sondern auch mit activen Wider¬
stande, ja sogar mit den äußersten Mitteln gerechter Nothwehr gegen die preu¬
ßische Regierung auszutreten und Recht, Treue, Glauben und Ehrenhaftigkeit
wieder zur Geltung zu bringen" (wörtlich). Trotz dieser diametral entgegen¬
gesetzten Auffassung stellte die unitarische Majorität des Ausschusses diese beiden
Antragsteller an die Spitze der Geschäfte. Als nun die Herren v. Bennigsen,
Miquöl, Moritz Wiggers u. a. die Berufung des Abgeordnetentages auf den
4. August nach Braunschweig beantragten, antworteten die beiden Frank'fürter
mit einer Weigerung. Zwischenzeitig war der Stadt Frankfurt das Prädicat
"frei" abgenommen und ihr dafür eine Kontribution von 25 Millionen Gulden
auferlegt worden, von welcher nur zu bedauern ist, daß, wenn sie vollzogen
mird, sie grade diejenigen Personen, welche in der berüchtigten Circusversamm-
lung die Melodie von "Feigheit und Verrath" mit Grazie irr entonna variirten
die Trabert, Sonnernann, Röckel, Babel. Grün, Struve, Kolb. Frese, Berens
und May (letzterer angeblich Schleswig-Holsteiner, in Wirklichkeit ein schlesischer
^israelit) --, wenig oder gar nicht treffen würde. Denn diese sind alle piötz-


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schaftlichen Kongresses und drittens der Vorstand des im Jahre 1861 in Heidel¬
berg gegründeten deutschen Handelstages. Außer diesen drei Verbänden sollte
noch ein vierter an demselben Orte zu derselben Zeit zusammentreten, nämlich
der deutsche Abgevidnctentag. welcher zum ersten Male am 28. und 29. Sep¬
tember 1862 in Weimar, zum letzten Male am 20. Mai 1866 in Frankfurt am
Main versammelt war. Bei dieser letzten Zusammenkunft empfahl der Ab-
gcordnetentag mit großer Majorität (dagegen stimmten nur die Schleswig-holstcin-
augustenvurgischen und die frantfurtischen Particularisten, sowie einige Mitglieder
der aus Schwarz und Noth gemischten süddeutschen triarischen „Volkspartei")
den südwestdeutschen Mittel- und Kleinstaaten gegenüber dem drohenden Krieg
eine reservirte Haltung, sie möchten sich nicht blindlings in einen dynastischen
Krieg zu Gunsten Oestreichs stürzen, vielmehr vorerst neutral bleiben und ihre
Finanz-, Militär- und Volkskräfte ungeschwächt und ungebraucht erhalten, um
eintretenden Falles für die Integrität des deutschen Gebiets einzutreten. In
Süddeutschland entstand durch diese Beschlüsse eine, hoffentlich nur vorüber¬
gehende Spaltung der liberalen Partei, je nachdem die einzelnen Mitglieder
mehr der föderalistischen oder der unitarischen Richtung angehörten. Bei der
Wahl des Ausschusses siegte eclatant die letztere Partei. Gleichwohl wählte der
Ausschuß auf Vorschlag des Abgeordneten Metz aus Darmstadt — dessen Accom-
modations- und Vermittelungsbestreben gewiß stets aus ehrenhaften Motiven
hervorgeht, aber zuweilen bittere Früchte trägt — zum ersten und zweiten Vor¬
sitzenden die Herren vor. Siegmund Müller und Ernst Passavant in Frankfurt.
Letztere hatten auf dem Abgeordnetentage den föderalistischen Standpunkt ver¬
treten und beantragt, die „bundestreuen" Regierungen und die ganze deutsche
Nation aufzufordern, „nicht nur mit passivem, sondern auch mit activen Wider¬
stande, ja sogar mit den äußersten Mitteln gerechter Nothwehr gegen die preu¬
ßische Regierung auszutreten und Recht, Treue, Glauben und Ehrenhaftigkeit
wieder zur Geltung zu bringen" (wörtlich). Trotz dieser diametral entgegen¬
gesetzten Auffassung stellte die unitarische Majorität des Ausschusses diese beiden
Antragsteller an die Spitze der Geschäfte. Als nun die Herren v. Bennigsen,
Miquöl, Moritz Wiggers u. a. die Berufung des Abgeordnetentages auf den
4. August nach Braunschweig beantragten, antworteten die beiden Frank'fürter
mit einer Weigerung. Zwischenzeitig war der Stadt Frankfurt das Prädicat
»frei" abgenommen und ihr dafür eine Kontribution von 25 Millionen Gulden
auferlegt worden, von welcher nur zu bedauern ist, daß, wenn sie vollzogen
mird, sie grade diejenigen Personen, welche in der berüchtigten Circusversamm-
lung die Melodie von „Feigheit und Verrath" mit Grazie irr entonna variirten
die Trabert, Sonnernann, Röckel, Babel. Grün, Struve, Kolb. Frese, Berens
und May (letzterer angeblich Schleswig-Holsteiner, in Wirklichkeit ein schlesischer
^israelit) —, wenig oder gar nicht treffen würde. Denn diese sind alle piötz-


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[0331] schaftlichen Kongresses und drittens der Vorstand des im Jahre 1861 in Heidel¬ berg gegründeten deutschen Handelstages. Außer diesen drei Verbänden sollte noch ein vierter an demselben Orte zu derselben Zeit zusammentreten, nämlich der deutsche Abgevidnctentag. welcher zum ersten Male am 28. und 29. Sep¬ tember 1862 in Weimar, zum letzten Male am 20. Mai 1866 in Frankfurt am Main versammelt war. Bei dieser letzten Zusammenkunft empfahl der Ab- gcordnetentag mit großer Majorität (dagegen stimmten nur die Schleswig-holstcin- augustenvurgischen und die frantfurtischen Particularisten, sowie einige Mitglieder der aus Schwarz und Noth gemischten süddeutschen triarischen „Volkspartei") den südwestdeutschen Mittel- und Kleinstaaten gegenüber dem drohenden Krieg eine reservirte Haltung, sie möchten sich nicht blindlings in einen dynastischen Krieg zu Gunsten Oestreichs stürzen, vielmehr vorerst neutral bleiben und ihre Finanz-, Militär- und Volkskräfte ungeschwächt und ungebraucht erhalten, um eintretenden Falles für die Integrität des deutschen Gebiets einzutreten. In Süddeutschland entstand durch diese Beschlüsse eine, hoffentlich nur vorüber¬ gehende Spaltung der liberalen Partei, je nachdem die einzelnen Mitglieder mehr der föderalistischen oder der unitarischen Richtung angehörten. Bei der Wahl des Ausschusses siegte eclatant die letztere Partei. Gleichwohl wählte der Ausschuß auf Vorschlag des Abgeordneten Metz aus Darmstadt — dessen Accom- modations- und Vermittelungsbestreben gewiß stets aus ehrenhaften Motiven hervorgeht, aber zuweilen bittere Früchte trägt — zum ersten und zweiten Vor¬ sitzenden die Herren vor. Siegmund Müller und Ernst Passavant in Frankfurt. Letztere hatten auf dem Abgeordnetentage den föderalistischen Standpunkt ver¬ treten und beantragt, die „bundestreuen" Regierungen und die ganze deutsche Nation aufzufordern, „nicht nur mit passivem, sondern auch mit activen Wider¬ stande, ja sogar mit den äußersten Mitteln gerechter Nothwehr gegen die preu¬ ßische Regierung auszutreten und Recht, Treue, Glauben und Ehrenhaftigkeit wieder zur Geltung zu bringen" (wörtlich). Trotz dieser diametral entgegen¬ gesetzten Auffassung stellte die unitarische Majorität des Ausschusses diese beiden Antragsteller an die Spitze der Geschäfte. Als nun die Herren v. Bennigsen, Miquöl, Moritz Wiggers u. a. die Berufung des Abgeordnetentages auf den 4. August nach Braunschweig beantragten, antworteten die beiden Frank'fürter mit einer Weigerung. Zwischenzeitig war der Stadt Frankfurt das Prädicat »frei" abgenommen und ihr dafür eine Kontribution von 25 Millionen Gulden auferlegt worden, von welcher nur zu bedauern ist, daß, wenn sie vollzogen mird, sie grade diejenigen Personen, welche in der berüchtigten Circusversamm- lung die Melodie von „Feigheit und Verrath" mit Grazie irr entonna variirten die Trabert, Sonnernann, Röckel, Babel. Grün, Struve, Kolb. Frese, Berens und May (letzterer angeblich Schleswig-Holsteiner, in Wirklichkeit ein schlesischer ^israelit) —, wenig oder gar nicht treffen würde. Denn diese sind alle piötz- 39*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/331>, abgerufen am 22.07.2024.