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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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wenig mehr als 20 Millionen gegen mehr als 36 Millionen, und zwar gegen
Truppen und ein Volk, welches sich mit Stolz das kricgstüchtigste der Welt
nennt.

Der Krieg wäre deshalb eine sehr harte und schwere Zumuthung für
Preußen. Aber Preußen müßte ihn auf sich nehmen. Es wäre ein zweiter
Kampf auf Tod und Leben, im besten Fall ein saures Stück Arbeit, aber
die Franzosen mögen daraus rechnen, es würde gethan werden.

Uns stünde es schlecht an zu drohen, aber wenn die Franzosen uns in
die Lage versetzen, neben ihnen unter dem eigenen Dach nicht in ehrenhaften
Frieden leben zu können, so werden wir, sehr ungern, unsere Kräfte anstrengen
müssen, um Frankreichs Grillen für Deutschland unschädlich zu machen. Der
Ausgang eines solchen Conflicts steht in höherer Hand, wir fühlen uns gewiß
frei von Selbstüberschätzung und wir würdigen die Tüchtigkeit unsers Gegners
besser, als er die unsrige, aber Preußen hat, als es den großen Kampf um
Deutschland begann, die Scheide seines Schwertes weggeworfen, es ist gerüstet
bis zum Aeußersten und auf das Aeußerste gefaßt.

Und wenn unsere Nachbarn im Westen der häßlichen Eifersucht, die ihr
Urtheil klein gemacht hat, nicht Herr werden, so wird die nächste Folge sein,
daß die Erbitterung, welche jetzt im preußischen Heer und Volk durch ihr Ver¬
halten aufgeregt wurde, alles deutsche Land erfaßt. Das wird nicht auf der
Stelle den preußischen Heeren beträchtlich größere Kriegsstärke geben, es wird
aber die Schwierigkeiten unsrer politischen Neugestaltung wesentlich verringern.
Schon jetzt haben Stimmen von Frankreich her ebenso sehr als die preußischen
Siege die Kälte der Süddeutschen gegen Preußen vermindert, nicht lange, und
die Franzosen werden uns den preußischen Ministerpräsidenten zum populärsten
Mann in, Deutschland machen. Mit jedem Tage wird im Süden das Be¬
dürfniß des Anschlusses an Preußen lebendiger, und das schwere Opfer, welches
Frankreich dem neuen Bundesstaate zugemuthet hat, auf das ganze Deutsch¬
land zu verzichten, wird hinfällig. Wir sind nicht gewillt, die Energie des
Hasses gegen Frankreich aufzuregen und für uns in Bewegung zu setzen, aber
wenn die Franzosen selbst diese Mühe übernehmen, werden wir aus ihrem
Fehler Vortheil zu ziehen suchen.

Noch einmal. Wir Deutsche haben wirkliche Achtung vor dem Kaiser Napoleon,
und freudig haben wir immer das Große anerkannt, das von Frankreich her in
unser Leben kam. AVer wir sind uns auch des eigenen Werthes wohl be¬
wußt. Lange haben wir in friedlicher Arbeit des Gelehrtenzimmers, des
Comptoirs und der Werkstatt darnach gerungen, uns aus der Verwüstung, die
vor 200 Jahren über unser Leben kam. heraufzuarbeiten, jetzt fühlen wir uns
stark genug, auch unsern Staat so zu formen, daß er mit Ehren unter den
großen Nationen der Erde stehen kann. Das ist ein billiges Verlangen, es ist


wenig mehr als 20 Millionen gegen mehr als 36 Millionen, und zwar gegen
Truppen und ein Volk, welches sich mit Stolz das kricgstüchtigste der Welt
nennt.

Der Krieg wäre deshalb eine sehr harte und schwere Zumuthung für
Preußen. Aber Preußen müßte ihn auf sich nehmen. Es wäre ein zweiter
Kampf auf Tod und Leben, im besten Fall ein saures Stück Arbeit, aber
die Franzosen mögen daraus rechnen, es würde gethan werden.

Uns stünde es schlecht an zu drohen, aber wenn die Franzosen uns in
die Lage versetzen, neben ihnen unter dem eigenen Dach nicht in ehrenhaften
Frieden leben zu können, so werden wir, sehr ungern, unsere Kräfte anstrengen
müssen, um Frankreichs Grillen für Deutschland unschädlich zu machen. Der
Ausgang eines solchen Conflicts steht in höherer Hand, wir fühlen uns gewiß
frei von Selbstüberschätzung und wir würdigen die Tüchtigkeit unsers Gegners
besser, als er die unsrige, aber Preußen hat, als es den großen Kampf um
Deutschland begann, die Scheide seines Schwertes weggeworfen, es ist gerüstet
bis zum Aeußersten und auf das Aeußerste gefaßt.

Und wenn unsere Nachbarn im Westen der häßlichen Eifersucht, die ihr
Urtheil klein gemacht hat, nicht Herr werden, so wird die nächste Folge sein,
daß die Erbitterung, welche jetzt im preußischen Heer und Volk durch ihr Ver¬
halten aufgeregt wurde, alles deutsche Land erfaßt. Das wird nicht auf der
Stelle den preußischen Heeren beträchtlich größere Kriegsstärke geben, es wird
aber die Schwierigkeiten unsrer politischen Neugestaltung wesentlich verringern.
Schon jetzt haben Stimmen von Frankreich her ebenso sehr als die preußischen
Siege die Kälte der Süddeutschen gegen Preußen vermindert, nicht lange, und
die Franzosen werden uns den preußischen Ministerpräsidenten zum populärsten
Mann in, Deutschland machen. Mit jedem Tage wird im Süden das Be¬
dürfniß des Anschlusses an Preußen lebendiger, und das schwere Opfer, welches
Frankreich dem neuen Bundesstaate zugemuthet hat, auf das ganze Deutsch¬
land zu verzichten, wird hinfällig. Wir sind nicht gewillt, die Energie des
Hasses gegen Frankreich aufzuregen und für uns in Bewegung zu setzen, aber
wenn die Franzosen selbst diese Mühe übernehmen, werden wir aus ihrem
Fehler Vortheil zu ziehen suchen.

Noch einmal. Wir Deutsche haben wirkliche Achtung vor dem Kaiser Napoleon,
und freudig haben wir immer das Große anerkannt, das von Frankreich her in
unser Leben kam. AVer wir sind uns auch des eigenen Werthes wohl be¬
wußt. Lange haben wir in friedlicher Arbeit des Gelehrtenzimmers, des
Comptoirs und der Werkstatt darnach gerungen, uns aus der Verwüstung, die
vor 200 Jahren über unser Leben kam. heraufzuarbeiten, jetzt fühlen wir uns
stark genug, auch unsern Staat so zu formen, daß er mit Ehren unter den
großen Nationen der Erde stehen kann. Das ist ein billiges Verlangen, es ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/309>, abgerufen am 22.07.2024.