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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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botencn Waare vorlieb nehmen. Unter einander aber konnten diese Fabrikanten,
denen die Continentalsperre Plötzlich zu einem unerwarteten Monopol geholfen
hatte, sich auch keine irgend fühlbare, auf die Technik und den Preis stark ein¬
wirkende Concurrenz machen, weil ihr Angebot, durch den Mangel an geschulten
Arbeitskräften und die Neuheit der ganzen Industrie gehemmt, der Nachfrage
kaum Genüge zu thun vermochte. Ihr Betrieb blieb folglich in, rohen Anfängen
stehen; des Ausschlusses der einzig gefährlichen Concurrenz, der englischen sicher,
sorgten sie nur für den Bedarf der beständig leeren Waarenlager und dachten
nicht an Fortschritt. Was dem Wupperthal Sorge machte, war damals nur
die immer weiter ostwärts gehende Vorschiebung der Grenzen und folglich der
Mauthlinien des französischen Reiches. Man richtete deshalb im Jahre 1811
an den Kaiser die vergebliche Bitte, gleichfalls Frankreich einverleibt zu werden.
Da man bereits einem französischen Vasallenstaate angehörte, dem muratschen
Großherzogthum Berg, so mag sich der Schritt dem geängstigten Erwerbstriebe
zu Gute halten lassen. Aber der empfindlichste Streich fiel auf diesen erst her¬
nieder, als nach Napoleons Vertreibung aus Deutschland am 17. November
1813 das aus den englischen Waaren lastende Einsuhrverbot aufgehoben wurde.
Nun sah man sich auf einmal, ohne Vorbereitung der rauhen Luft ausgesetzt,
an die man seit Jahren nicht mehr gewöhnt war, -- der Concurrenz der bri¬
tischen Industrie, die, vom europäischen Markte jäh und vollständig abgeschnitten,
nur um so energischer an ihrer innern Fortbildung gearbeitet hatte, um sich so
in den Stand zu setzen, die höheren Transport- und Risicokosten zu tragen,
welche theils der Schmuggelhandel längs der gesperrten Küsten und Grenzen,
theils die Aufsuchung neuer Absatzwege in der Ferne ihr auferlegte. Frank¬
reichs revolutionäre Gewalthand hatte unter zahlreichen andern Zöpfen, die .es
in Deutschland ohne Federlesen abschnitt, auch die alte wupperth,aler "Garn-
Nahrung" ausgehoben, das Gewerbe folglich von den Fesseln der Zunft befreit,
die es nicht sonderlich mehr drückten oder beengten, dafür es aber eingeladen,
sich aus das Lotterbett des Zollschutzes hinzustrecken, und so allzu sehr verweich¬
licht, als daß es ernsteren Anstrengungen gewachsen geblieben wäre. Mit dem
Joche der Fremdherrschaft fiel der Zollschutz hinweg, die Zunft aber, blieb, als
auch in Preußen nicht mehr heimisch, aufgehoben, und hätte natürlich auch
gegen die Folgen der plötzlichen Oeffnung des Marktes, für die britischen
Waaren keine Abwehr ober Beihilfe geboten.

Die Fabrikanten des Wupperthales sahen hiehin der neuen, härteren Be-
drängniß nach Auswegen um. Wie sie 1811 um Einverleibung in Frankreich,
d. h. um Oeffnung des französischen Marktes gebeten hatten, so wandten sie
sich nun, am 24. Juli 1818, an den Staatskanzler Fürsten Hardenberg mit dem
Gesuch, ihrer Fabrikation die östlichen Provinzen der Monarchie aufzuschließen.
Das Gesuch war billig und gerecht; ja es war sogar von einem bedingt frei-


botencn Waare vorlieb nehmen. Unter einander aber konnten diese Fabrikanten,
denen die Continentalsperre Plötzlich zu einem unerwarteten Monopol geholfen
hatte, sich auch keine irgend fühlbare, auf die Technik und den Preis stark ein¬
wirkende Concurrenz machen, weil ihr Angebot, durch den Mangel an geschulten
Arbeitskräften und die Neuheit der ganzen Industrie gehemmt, der Nachfrage
kaum Genüge zu thun vermochte. Ihr Betrieb blieb folglich in, rohen Anfängen
stehen; des Ausschlusses der einzig gefährlichen Concurrenz, der englischen sicher,
sorgten sie nur für den Bedarf der beständig leeren Waarenlager und dachten
nicht an Fortschritt. Was dem Wupperthal Sorge machte, war damals nur
die immer weiter ostwärts gehende Vorschiebung der Grenzen und folglich der
Mauthlinien des französischen Reiches. Man richtete deshalb im Jahre 1811
an den Kaiser die vergebliche Bitte, gleichfalls Frankreich einverleibt zu werden.
Da man bereits einem französischen Vasallenstaate angehörte, dem muratschen
Großherzogthum Berg, so mag sich der Schritt dem geängstigten Erwerbstriebe
zu Gute halten lassen. Aber der empfindlichste Streich fiel auf diesen erst her¬
nieder, als nach Napoleons Vertreibung aus Deutschland am 17. November
1813 das aus den englischen Waaren lastende Einsuhrverbot aufgehoben wurde.
Nun sah man sich auf einmal, ohne Vorbereitung der rauhen Luft ausgesetzt,
an die man seit Jahren nicht mehr gewöhnt war, — der Concurrenz der bri¬
tischen Industrie, die, vom europäischen Markte jäh und vollständig abgeschnitten,
nur um so energischer an ihrer innern Fortbildung gearbeitet hatte, um sich so
in den Stand zu setzen, die höheren Transport- und Risicokosten zu tragen,
welche theils der Schmuggelhandel längs der gesperrten Küsten und Grenzen,
theils die Aufsuchung neuer Absatzwege in der Ferne ihr auferlegte. Frank¬
reichs revolutionäre Gewalthand hatte unter zahlreichen andern Zöpfen, die .es
in Deutschland ohne Federlesen abschnitt, auch die alte wupperth,aler „Garn-
Nahrung" ausgehoben, das Gewerbe folglich von den Fesseln der Zunft befreit,
die es nicht sonderlich mehr drückten oder beengten, dafür es aber eingeladen,
sich aus das Lotterbett des Zollschutzes hinzustrecken, und so allzu sehr verweich¬
licht, als daß es ernsteren Anstrengungen gewachsen geblieben wäre. Mit dem
Joche der Fremdherrschaft fiel der Zollschutz hinweg, die Zunft aber, blieb, als
auch in Preußen nicht mehr heimisch, aufgehoben, und hätte natürlich auch
gegen die Folgen der plötzlichen Oeffnung des Marktes, für die britischen
Waaren keine Abwehr ober Beihilfe geboten.

Die Fabrikanten des Wupperthales sahen hiehin der neuen, härteren Be-
drängniß nach Auswegen um. Wie sie 1811 um Einverleibung in Frankreich,
d. h. um Oeffnung des französischen Marktes gebeten hatten, so wandten sie
sich nun, am 24. Juli 1818, an den Staatskanzler Fürsten Hardenberg mit dem
Gesuch, ihrer Fabrikation die östlichen Provinzen der Monarchie aufzuschließen.
Das Gesuch war billig und gerecht; ja es war sogar von einem bedingt frei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/286>, abgerufen am 22.07.2024.