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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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gesetzmäßigen Landtage halten und könnte sich an diesen wenden, vielleicht nach
Befragung des deutschen Parlaments; in diesem Falle würde Preußen den noth¬
wendig gewordenen Schritt vor dem Ausland zu vertreten haben.

Versucht man zunächst die Forderungen! zu specificiren > welche Preußen in
seinem und des Bundesstaats Interesse an den König von Sachsen zu stellen
hat, so ist man auf den preußischen Verfassungsentwurf für den neuen Bundes¬
staat vom 10. Juni angewiesen, dessen Bestimmungen als Minimum der zu
stellenden Forderungen betrachtet werden dürfen. Ferner aber darf nao uns
dem Verlauf des Krieges einige Forderungen als wahrscheinlich herleiten.

Der Competenz der Bundesgewalt, ihrer Gesetzgebung und Oberaufsicht
würde in dem restaurirten Sachsen zufallen zunächst: Zoll und Handel, Maß-,
Münz- und Gewichtsystem, Emission von Papiergeld, Bankwesen, Schiffahrt und
Consulate, Patente, Schutz des geistigen Eigenthums, Bundesbürgerrecht und
Kolonisation. Eisenbahnen, Posten und Telegraphen. Civilproceßordnung und
Concur-sverfahren, endlich Budget und Leitung der Bundesdiplomqtie,, des Heeres,
der Flotte, das Recht über Krieg und Frieden.

Wie weit das Oberaufstchtsrecht Preußens die Administration der Verkehrs¬
anstalten in den einzelnen Staaten beschränken soll/ ist nach dem Reforment¬
wurf zweifelhaft. Nun aber hat der Krieg die Wichtigkeit einer einheitlichen
Leitung bei den Eisenbahnen, Posten und Telegraphen so evident bewiesen, daß
Preußen voraussichtlich die Verwaltung dieser Verkehrsanstalten und Unterstellung
des Personals für sich fordern wird. Und wenn die preußische Regierung dies nicht
schon jetzt thäte, würde voraussichtlich die Centralisatipn > dieser Anstalten eine
der ersten Forderungen des neuen Parlamentes sein. Falltz also auch Sachsen
die Revenüen seiner Posten, Eisenbahnen und Telegraphen erhielte, die Anstel¬
lung aller Beamten derselben würde dem König von Sachsen hinfällig werden.

Ferner würde der Bundesentwurf vom 10-. Juni allerdings dem König '
von Sachsen das Recht geben, die Offiziere des sächsischen Heeres bis zur Grenze
seines Contingents, also da die sächsische Armes die Stärke eines preußischen
Corps erhalten würde, bis inklusive des Corpsführers zu ernennen. Mein da
die sächsische Armee aus dem Kriegszustand gegen Preußen in die Bundesarmee
eingeordnet werden soll, wird Preußen sein eigenes und das Bundesinteresse
nur dann für gesichert halten, wenn die gesammte Kriegshe^lichten des Heeres
auf dsrr Könige von Preußen M Bundesseldherm übergeht. Und eventuell
würde wieder das erste Parlament die Vereidigung des Heeres auf den Namen
des Oberfeldherrn für eine Fundamentalforderung des neuen Bundes halten.
In Wahrheit ist jedes Auskunftsmittsl, welches zwischen- den Alternativen: Fahnen¬
eid an. Sachsen- oder den Bundesfeldherrn schwebt, nur verderblich für das Heer.

Dann-macht die Lage Sachsens, welches die böhmischenl Pässe einschließt
und einer fremden Armee den schnellsten Zugang zu der Hauptstadt des preu-


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gesetzmäßigen Landtage halten und könnte sich an diesen wenden, vielleicht nach
Befragung des deutschen Parlaments; in diesem Falle würde Preußen den noth¬
wendig gewordenen Schritt vor dem Ausland zu vertreten haben.

Versucht man zunächst die Forderungen! zu specificiren > welche Preußen in
seinem und des Bundesstaats Interesse an den König von Sachsen zu stellen
hat, so ist man auf den preußischen Verfassungsentwurf für den neuen Bundes¬
staat vom 10. Juni angewiesen, dessen Bestimmungen als Minimum der zu
stellenden Forderungen betrachtet werden dürfen. Ferner aber darf nao uns
dem Verlauf des Krieges einige Forderungen als wahrscheinlich herleiten.

Der Competenz der Bundesgewalt, ihrer Gesetzgebung und Oberaufsicht
würde in dem restaurirten Sachsen zufallen zunächst: Zoll und Handel, Maß-,
Münz- und Gewichtsystem, Emission von Papiergeld, Bankwesen, Schiffahrt und
Consulate, Patente, Schutz des geistigen Eigenthums, Bundesbürgerrecht und
Kolonisation. Eisenbahnen, Posten und Telegraphen. Civilproceßordnung und
Concur-sverfahren, endlich Budget und Leitung der Bundesdiplomqtie,, des Heeres,
der Flotte, das Recht über Krieg und Frieden.

Wie weit das Oberaufstchtsrecht Preußens die Administration der Verkehrs¬
anstalten in den einzelnen Staaten beschränken soll/ ist nach dem Reforment¬
wurf zweifelhaft. Nun aber hat der Krieg die Wichtigkeit einer einheitlichen
Leitung bei den Eisenbahnen, Posten und Telegraphen so evident bewiesen, daß
Preußen voraussichtlich die Verwaltung dieser Verkehrsanstalten und Unterstellung
des Personals für sich fordern wird. Und wenn die preußische Regierung dies nicht
schon jetzt thäte, würde voraussichtlich die Centralisatipn > dieser Anstalten eine
der ersten Forderungen des neuen Parlamentes sein. Falltz also auch Sachsen
die Revenüen seiner Posten, Eisenbahnen und Telegraphen erhielte, die Anstel¬
lung aller Beamten derselben würde dem König von Sachsen hinfällig werden.

Ferner würde der Bundesentwurf vom 10-. Juni allerdings dem König '
von Sachsen das Recht geben, die Offiziere des sächsischen Heeres bis zur Grenze
seines Contingents, also da die sächsische Armes die Stärke eines preußischen
Corps erhalten würde, bis inklusive des Corpsführers zu ernennen. Mein da
die sächsische Armee aus dem Kriegszustand gegen Preußen in die Bundesarmee
eingeordnet werden soll, wird Preußen sein eigenes und das Bundesinteresse
nur dann für gesichert halten, wenn die gesammte Kriegshe^lichten des Heeres
auf dsrr Könige von Preußen M Bundesseldherm übergeht. Und eventuell
würde wieder das erste Parlament die Vereidigung des Heeres auf den Namen
des Oberfeldherrn für eine Fundamentalforderung des neuen Bundes halten.
In Wahrheit ist jedes Auskunftsmittsl, welches zwischen- den Alternativen: Fahnen¬
eid an. Sachsen- oder den Bundesfeldherrn schwebt, nur verderblich für das Heer.

Dann-macht die Lage Sachsens, welches die böhmischenl Pässe einschließt
und einer fremden Armee den schnellsten Zugang zu der Hauptstadt des preu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/265>, abgerufen am 22.07.2024.