Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.suchung widerstehen, eine wirkliche Unabhängigkeit zu erlangen und jenes König¬ So deutlich ist es dem scharfblickender Genuesen, daß die Vereinigung Die genuesische Angelegenheit wurde bekanntlich vom Congreß sehr rasch suchung widerstehen, eine wirkliche Unabhängigkeit zu erlangen und jenes König¬ So deutlich ist es dem scharfblickender Genuesen, daß die Vereinigung Die genuesische Angelegenheit wurde bekanntlich vom Congreß sehr rasch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285610"/> <p xml:id="ID_44" prev="#ID_43"> suchung widerstehen, eine wirkliche Unabhängigkeit zu erlangen und jenes König¬<lb/> reich aufzurichten, dessen Kern Piemont ist, und dessen Vereinigung, von der<lb/> Natur angezeigt, bereits das Project einer zahlreichen Partei bildet, welche das<lb/> Haus Savoyen von nun an als seine Stütze und Hoffnung betrachtet? Und<lb/> hat man nicht bereits Grund anzunehmen, daß dies zugleich die Absichten des<lb/> turiner Cabinets sind, und daß diese Macht, ermuthigt durch einen so bedeutenden<lb/> Gebietszuwachs, den Plan bilden und verfolgen wird, den Preis ihrer Allianz,<lb/> wie sie zu allen Zeiten gethan, zu verwerthen, um Schritt für Schritt mit Hilfe<lb/> Frankreichs in den Besitz ganz Italiens zu gelangen?</p><lb/> <p xml:id="ID_45"> So deutlich ist es dem scharfblickender Genuesen, daß die Vereinigung<lb/> Liguriens mit Piemont, wodurch dieses eine Seemacht wird und zugleich in<lb/> näheren Contact mit Italien kommt, ein entscheidender Schritt zur Unification<lb/> der ganzen Halbinsel sein wird, aber er stellt diese Einsicht ganz in den Dienst<lb/> des Particularismus seiner Vaterstadt, indem er diese Eventualität bei den<lb/> Verbündeten denuncirend fortfährt: Dies ist der natürliche Lauf der Dinge.<lb/> Piemont im Besitz Liguriens wird in seiner neuen Lage einen Keim der Ehr¬<lb/> sucht besitzen, der sich bei der nächsten Gelegenheit entwickeln wird. Es wird<lb/> unvermeidlich nach seinen Nachbarländern lüstern werden und alle Anstrengungen<lb/> machen sie zu erobern, es wird sich in der verhängnißvollen Nothwendigkeit<lb/> befinden, von den Streitigkeiten der anderen Mächte zu Profitiren und die Ruhe<lb/> Europas zu stören. Frankreich, überzeugt von der Unmöglichkeit, die schöne<lb/> Halbinsel von neuem für sich zu besitzen, muß die Pläne des Königs von<lb/> Sardinien begünstigen, aus Besorgniß, dieselbe ganz in die Hand Oestreichs<lb/> fallen zu sehen. Und daraus müssen ewige Streitigkeiten entstehen, genährt<lb/> und unterhalten von derselben Macht, welche man heute für die Erhaltung der<lb/> Ruhe und des Friedens in Italien aufrichten will, die aber in Wirklichkeit in-<lb/> teressirt ist den Krieg zu entzünden. Den Schluß der beredten Denkschrift bildete<lb/> die Erklärung, wenn die Politik der hohen Mächte das grausame Opfer der<lb/> Freiheit verlange, so erflehe das genuesische Volk, den Verlust der republika¬<lb/> nischen Formen jeder Art von Fremdherrschaft vorziehend, von dem Wohlwollen<lb/> der hohen Mächte die Regierung eines unabhängigen, einem der regierenden<lb/> Häuser angehörigen Fürsten. Würden sie durch eine fatale Nothwendigkeit ge¬<lb/> zwungen, der Herrschaft eines angrenzenden Fürsten sich zu unterwerfen, so<lb/> könnten sie nur in der Tiefe des Herzens seufzen und ihren zu Grunde ge¬<lb/> richteten Kindern mit der Erinnerung ihres alten Glücks das schmerzliche Gefühl<lb/> ihres Unglücks hinterlassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_46" next="#ID_47"> Die genuesische Angelegenheit wurde bekanntlich vom Congreß sehr rasch<lb/> erledigt. In der Sitzung vom 13. November faßten die acht pariser Vertrags-<lb/> mächte den definitiven Beschluß und fügten nur die Erklärung hinzu, daß die<lb/> Vereinigung in schonenden Formen und unter möglichster Wahrung der Wünsche</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
suchung widerstehen, eine wirkliche Unabhängigkeit zu erlangen und jenes König¬
reich aufzurichten, dessen Kern Piemont ist, und dessen Vereinigung, von der
Natur angezeigt, bereits das Project einer zahlreichen Partei bildet, welche das
Haus Savoyen von nun an als seine Stütze und Hoffnung betrachtet? Und
hat man nicht bereits Grund anzunehmen, daß dies zugleich die Absichten des
turiner Cabinets sind, und daß diese Macht, ermuthigt durch einen so bedeutenden
Gebietszuwachs, den Plan bilden und verfolgen wird, den Preis ihrer Allianz,
wie sie zu allen Zeiten gethan, zu verwerthen, um Schritt für Schritt mit Hilfe
Frankreichs in den Besitz ganz Italiens zu gelangen?
So deutlich ist es dem scharfblickender Genuesen, daß die Vereinigung
Liguriens mit Piemont, wodurch dieses eine Seemacht wird und zugleich in
näheren Contact mit Italien kommt, ein entscheidender Schritt zur Unification
der ganzen Halbinsel sein wird, aber er stellt diese Einsicht ganz in den Dienst
des Particularismus seiner Vaterstadt, indem er diese Eventualität bei den
Verbündeten denuncirend fortfährt: Dies ist der natürliche Lauf der Dinge.
Piemont im Besitz Liguriens wird in seiner neuen Lage einen Keim der Ehr¬
sucht besitzen, der sich bei der nächsten Gelegenheit entwickeln wird. Es wird
unvermeidlich nach seinen Nachbarländern lüstern werden und alle Anstrengungen
machen sie zu erobern, es wird sich in der verhängnißvollen Nothwendigkeit
befinden, von den Streitigkeiten der anderen Mächte zu Profitiren und die Ruhe
Europas zu stören. Frankreich, überzeugt von der Unmöglichkeit, die schöne
Halbinsel von neuem für sich zu besitzen, muß die Pläne des Königs von
Sardinien begünstigen, aus Besorgniß, dieselbe ganz in die Hand Oestreichs
fallen zu sehen. Und daraus müssen ewige Streitigkeiten entstehen, genährt
und unterhalten von derselben Macht, welche man heute für die Erhaltung der
Ruhe und des Friedens in Italien aufrichten will, die aber in Wirklichkeit in-
teressirt ist den Krieg zu entzünden. Den Schluß der beredten Denkschrift bildete
die Erklärung, wenn die Politik der hohen Mächte das grausame Opfer der
Freiheit verlange, so erflehe das genuesische Volk, den Verlust der republika¬
nischen Formen jeder Art von Fremdherrschaft vorziehend, von dem Wohlwollen
der hohen Mächte die Regierung eines unabhängigen, einem der regierenden
Häuser angehörigen Fürsten. Würden sie durch eine fatale Nothwendigkeit ge¬
zwungen, der Herrschaft eines angrenzenden Fürsten sich zu unterwerfen, so
könnten sie nur in der Tiefe des Herzens seufzen und ihren zu Grunde ge¬
richteten Kindern mit der Erinnerung ihres alten Glücks das schmerzliche Gefühl
ihres Unglücks hinterlassen.
Die genuesische Angelegenheit wurde bekanntlich vom Congreß sehr rasch
erledigt. In der Sitzung vom 13. November faßten die acht pariser Vertrags-
mächte den definitiven Beschluß und fügten nur die Erklärung hinzu, daß die
Vereinigung in schonenden Formen und unter möglichster Wahrung der Wünsche
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