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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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lich" gewonnenen Schlacht bei Jdstedt und der unübertrefflichen Herrlichkeit
des Schleswig.holsteinischen Volkes mit Preußenhaß anzufüllen. Die ohne Con¬
cession erscheinenden Zeitungen wurden bis zur Erlangung einer solchen sus-
pendirt; nur die giftige Schleswig-Holsteinische Zeitung, das Organ der Herren
May und Frese (des preußischen Abgeordneten!) ging ein, da sie sich natür¬
lich gar nicht um eine Concession bewarb, und die in den letzten Zeiten kaum
weniger widerwärtigen Jtzehoer Nachrichten mußten sich auf Nichtpolitisches be¬
schränken. Selbst das eigentliche Hofblatt, die Kieler Zeitung, durfte wieder
erscheinen, nachdem sie blos dafür Garantien gegeben, daß sie die dynastische
Frage nicht in einem Preußen feindlichen Sinne bespräche. Absetzungen erfolg¬
ten weniger, als man erwartet hatte. Hatte man doch auch in Schleswig
nur überaus wenig Beamte von ihren Stellen entfernt. Daß man die Herren
Lesser u. Comp. nicht in der Landesregierung ließ, die noch kurz vorher durch
Nadelstiche, wie den Antrag auf gerichtliche Verfolgung der Unterzeichner einer
in jeder Hinsicht loyalen Adresse an den König von Preußen, sowie das Ver¬
bot der Annahme preußischer Kassenscheine bei den öffentlichen Kassen, ihre
Feindschaft bewiesen hatten, daß man den "Schulrath" Bärens nicht weiter
dafür bezahlen wollte, daß er die Zeitungen mit giftigen Verleumdungen Preu¬
ßens anfüllte, ward selbst von den Gegnern als selbstverständlich anerkannt.

Einer ernsten Probe schien man dagegen die Beamten zu unterwerfen, als
man ihnen einen Revers abforderte, der eine unbedingte Gehorsamserklärung
gegen den König enthielt. Weitaus die größte Mehrzahl scheint den Revers
ohne Einschränkung abgegeben zu haben. Aber theils wirkliche Gewissens¬
bedenken, theils der stille Wunsch, der Welt noch einmal zu imponiren wie im
November 1863, ließen doch gewisse kieler Kreise nicht ruhig. Eine kleine Ver¬
sammlung beschloß, eine verclausulirte Erklärung zu geben, welche den Revers
zu einem bloßen Versprechen abstumpfte, das Amt redlich zu verwalten. Um
eine Agitation im Lande hervorzurufen, schickte man diese lithogravhirte Erklä¬
rung im Lande umher. Mit einem Mangel an Ehrlichkeit, welche wir leider
schon oft in "patriotischen" Kreisen hatten kennen lernen, fügte man einige be¬
gleitende Worte hinzu, Welche der unbefangene Leser so deuten mußte, als hätten
sich sämmtliche Mitglieder des höchsten Gerichts und sämmtliche Professoren ver¬
pflichtet, die Klauseln zum Revers hinzuzusetzen, während in Wahrheit nur eine
ganz kleine Minorität beider Körperschaften bet jener Berathung zugegen ge¬
wesen war. Man hoffte durch den Glauben, daß Universität und höchstes Ge¬
richt vorangingen, die Schwankenden zu stärken. Doch hatte der Versuch keinen
großen Erfolg. Von jener gab -- trotz entgegengesetzter Zeitungsnachrichten --
die größte Mehrzahl (zum Theil freilich nach einigem Schwanken), von diesem
fast die Gesammtheit die geforderte Erklärung ohne Zusatz ab. Und um der
Agitation die Spitze abzubrechen, erklärte der Oberprästdent, die Klauseln seien


lich" gewonnenen Schlacht bei Jdstedt und der unübertrefflichen Herrlichkeit
des Schleswig.holsteinischen Volkes mit Preußenhaß anzufüllen. Die ohne Con¬
cession erscheinenden Zeitungen wurden bis zur Erlangung einer solchen sus-
pendirt; nur die giftige Schleswig-Holsteinische Zeitung, das Organ der Herren
May und Frese (des preußischen Abgeordneten!) ging ein, da sie sich natür¬
lich gar nicht um eine Concession bewarb, und die in den letzten Zeiten kaum
weniger widerwärtigen Jtzehoer Nachrichten mußten sich auf Nichtpolitisches be¬
schränken. Selbst das eigentliche Hofblatt, die Kieler Zeitung, durfte wieder
erscheinen, nachdem sie blos dafür Garantien gegeben, daß sie die dynastische
Frage nicht in einem Preußen feindlichen Sinne bespräche. Absetzungen erfolg¬
ten weniger, als man erwartet hatte. Hatte man doch auch in Schleswig
nur überaus wenig Beamte von ihren Stellen entfernt. Daß man die Herren
Lesser u. Comp. nicht in der Landesregierung ließ, die noch kurz vorher durch
Nadelstiche, wie den Antrag auf gerichtliche Verfolgung der Unterzeichner einer
in jeder Hinsicht loyalen Adresse an den König von Preußen, sowie das Ver¬
bot der Annahme preußischer Kassenscheine bei den öffentlichen Kassen, ihre
Feindschaft bewiesen hatten, daß man den „Schulrath" Bärens nicht weiter
dafür bezahlen wollte, daß er die Zeitungen mit giftigen Verleumdungen Preu¬
ßens anfüllte, ward selbst von den Gegnern als selbstverständlich anerkannt.

Einer ernsten Probe schien man dagegen die Beamten zu unterwerfen, als
man ihnen einen Revers abforderte, der eine unbedingte Gehorsamserklärung
gegen den König enthielt. Weitaus die größte Mehrzahl scheint den Revers
ohne Einschränkung abgegeben zu haben. Aber theils wirkliche Gewissens¬
bedenken, theils der stille Wunsch, der Welt noch einmal zu imponiren wie im
November 1863, ließen doch gewisse kieler Kreise nicht ruhig. Eine kleine Ver¬
sammlung beschloß, eine verclausulirte Erklärung zu geben, welche den Revers
zu einem bloßen Versprechen abstumpfte, das Amt redlich zu verwalten. Um
eine Agitation im Lande hervorzurufen, schickte man diese lithogravhirte Erklä¬
rung im Lande umher. Mit einem Mangel an Ehrlichkeit, welche wir leider
schon oft in „patriotischen" Kreisen hatten kennen lernen, fügte man einige be¬
gleitende Worte hinzu, Welche der unbefangene Leser so deuten mußte, als hätten
sich sämmtliche Mitglieder des höchsten Gerichts und sämmtliche Professoren ver¬
pflichtet, die Klauseln zum Revers hinzuzusetzen, während in Wahrheit nur eine
ganz kleine Minorität beider Körperschaften bet jener Berathung zugegen ge¬
wesen war. Man hoffte durch den Glauben, daß Universität und höchstes Ge¬
richt vorangingen, die Schwankenden zu stärken. Doch hatte der Versuch keinen
großen Erfolg. Von jener gab — trotz entgegengesetzter Zeitungsnachrichten —
die größte Mehrzahl (zum Theil freilich nach einigem Schwanken), von diesem
fast die Gesammtheit die geforderte Erklärung ohne Zusatz ab. Und um der
Agitation die Spitze abzubrechen, erklärte der Oberprästdent, die Klauseln seien


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/209>, abgerufen am 22.07.2024.