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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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hat unter Anerkennung der guten Gesinnung ihre Dienste zuerst abgewehrt, später
verfiel sie dem Schwindel. Es würde für Bayern ein großes Unglück sein, wenn
die Bürger von Nürnberg und Regensburg die Freischaarenhaufen aus Oberbayern
entgelten mühten.

Wohl ist die Theilnahme des Volkes am Kriege seines Staates eine große
Sache, aber sie wird bei moderner Kriegführung und großen Heeresmassen nur
dadurch möglich, daß der Bürger regulärer Soldat wird, und daß das reguläre
Heer die ganze Kraft der männlichen Bevölkerung umfaßt; ein solches Heer ist
das preußische, und in dieser Organisation liegt das Geheimniß seiner Stärke
und die Größe seiner Erfolge.

Der östreichischen Presse aber wird nicht gelingen, aus dem gegenwärtigen Aus¬
landstaumel zur Besinnung zurückzukehren. Noch vor kurzem brannte die "Presse^
darauf, mit Hilfe Napoleons Preußen "Gleiches mit Gleichem" vergelten zu
können; sie war schamlos genug auszusprechen: "Wenn Frankreich zu den
Waffen greift, wird es zahlreiche Parteien in Deutschland geben, die selbst die
schwersten momentanen Calamitäten der Ausbreitung preußischer Zucht über
ganz Deutschland vorziehen." Und das ehrvergessenste deutsche Blatt, die "Neue
Frankfurter Zeitung" gab solcher verbrecherischen Auffassung nur zu sehr Recht,
und selbst in der augsburger "Allgemeinen Zeitung" fanden ähnliche Gedanken,
wenn auch in verschämterer Form, Ausdruck. Aber nicht ganz Süddeutschland
ist in so wüster Verblendung befangen; von den preußenfreundlicheren Blättern
abgesehen, verdammt ein großer Theil seiner Presse bereits rückhaltlos die landes-
Verrätherischen Plane der wiener Hofburg und die Schwäche der eigenen Staaten.

Darf man so der Hoffnung sich hingeben, daß die Verblendung ehrlicher
Gegner allmälig richtigerer Erkenntniß weichen wird, so hegen wir diesen Wunsch
am dringendsten in Betreff des langjährigen Postulats unserer Partei: der
militärischen Suprematie Preußens. In den Wirren dieser Tage predigen die
Steine, daß die kleinen Armeen für sich allein ohnmächtig sind. Kostbare Zeit
haben die Gegner verloren, ehe sie sich über die militärische Leitung einigen
konnten, und bei aller Eifersucht haben sie endlich doch das achte Bundesarmee-
corps unter die Bayern und beide zusammen formell unter Benedek stellen müssen;
und trotzdem ist bei so loser Verbindung nichts Ersprießliches zu Tage gekommen.
Für Zeiten der Gefahr ist die Kriegsherrlichkeit der Einzelnen eben ein Unding.
Wahrlich wir denken nicht gering von unsern Landsleuten; jeder Deutsche ist
tapfer und steht seinen Mann; die Hannoveraner haben es gezeigt und die
Bayern, und wie tüchtig auch die Häuflein der Kleinstaaten kämpfen, davon
hat die Bravour der Koburg-Gothaner ein glänzendes Zeugniß abgelegt. Kein
Spottwort von "Reichsarmee" würde laut zu werden wagen, wenn alle Truppen,
wie die letztgenannten, einem festgefügten Organismus angehörten. "Eine ge¬
deihliche Entwicklung des Ganzen ist nur möglich, wenn die einzelnen Glieder


hat unter Anerkennung der guten Gesinnung ihre Dienste zuerst abgewehrt, später
verfiel sie dem Schwindel. Es würde für Bayern ein großes Unglück sein, wenn
die Bürger von Nürnberg und Regensburg die Freischaarenhaufen aus Oberbayern
entgelten mühten.

Wohl ist die Theilnahme des Volkes am Kriege seines Staates eine große
Sache, aber sie wird bei moderner Kriegführung und großen Heeresmassen nur
dadurch möglich, daß der Bürger regulärer Soldat wird, und daß das reguläre
Heer die ganze Kraft der männlichen Bevölkerung umfaßt; ein solches Heer ist
das preußische, und in dieser Organisation liegt das Geheimniß seiner Stärke
und die Größe seiner Erfolge.

Der östreichischen Presse aber wird nicht gelingen, aus dem gegenwärtigen Aus¬
landstaumel zur Besinnung zurückzukehren. Noch vor kurzem brannte die „Presse^
darauf, mit Hilfe Napoleons Preußen „Gleiches mit Gleichem" vergelten zu
können; sie war schamlos genug auszusprechen: „Wenn Frankreich zu den
Waffen greift, wird es zahlreiche Parteien in Deutschland geben, die selbst die
schwersten momentanen Calamitäten der Ausbreitung preußischer Zucht über
ganz Deutschland vorziehen." Und das ehrvergessenste deutsche Blatt, die „Neue
Frankfurter Zeitung" gab solcher verbrecherischen Auffassung nur zu sehr Recht,
und selbst in der augsburger „Allgemeinen Zeitung" fanden ähnliche Gedanken,
wenn auch in verschämterer Form, Ausdruck. Aber nicht ganz Süddeutschland
ist in so wüster Verblendung befangen; von den preußenfreundlicheren Blättern
abgesehen, verdammt ein großer Theil seiner Presse bereits rückhaltlos die landes-
Verrätherischen Plane der wiener Hofburg und die Schwäche der eigenen Staaten.

Darf man so der Hoffnung sich hingeben, daß die Verblendung ehrlicher
Gegner allmälig richtigerer Erkenntniß weichen wird, so hegen wir diesen Wunsch
am dringendsten in Betreff des langjährigen Postulats unserer Partei: der
militärischen Suprematie Preußens. In den Wirren dieser Tage predigen die
Steine, daß die kleinen Armeen für sich allein ohnmächtig sind. Kostbare Zeit
haben die Gegner verloren, ehe sie sich über die militärische Leitung einigen
konnten, und bei aller Eifersucht haben sie endlich doch das achte Bundesarmee-
corps unter die Bayern und beide zusammen formell unter Benedek stellen müssen;
und trotzdem ist bei so loser Verbindung nichts Ersprießliches zu Tage gekommen.
Für Zeiten der Gefahr ist die Kriegsherrlichkeit der Einzelnen eben ein Unding.
Wahrlich wir denken nicht gering von unsern Landsleuten; jeder Deutsche ist
tapfer und steht seinen Mann; die Hannoveraner haben es gezeigt und die
Bayern, und wie tüchtig auch die Häuflein der Kleinstaaten kämpfen, davon
hat die Bravour der Koburg-Gothaner ein glänzendes Zeugniß abgelegt. Kein
Spottwort von „Reichsarmee" würde laut zu werden wagen, wenn alle Truppen,
wie die letztgenannten, einem festgefügten Organismus angehörten. „Eine ge¬
deihliche Entwicklung des Ganzen ist nur möglich, wenn die einzelnen Glieder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/194>, abgerufen am 03.07.2024.