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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Einrichtungen könnten überall bewahrt bleiben, die meisten Staaten würden ihre
Dynastien verlieren, aber Schwaben würde gut schwäbisch und Bayern bayerisch
bleiben können bis zum Ende aller Dinge.

Wenn der preußische Ministerpräsident auf diesen Weg, der seiner Art
wohl am meisten entspräche, verzichtet, so sind es sicher nicht Rechtsbedenken
oder Scheu vor volksthümlichen Widerstande, sondern Hemmnisse, welche sowohl
in der Gesinnung seines Monarchen als in der Haltung der Großmächte lie¬
gen. Er wird das Princip des Bundesstaats festhalten.

Zu diesem Bundesstaat aber will er ein Preußen bringen, welches für alle
Möglichkeiten auswärtiger Conflicte in sich selbst eine bessere militärische Terri-
torialbasis hat. als das bisherige. Er wird also zunächst aus militärischen
Gründen seinem engern Vaterlande bessere Grenzen geben. Als höchst wichtig
hat sich für preußische Operationen erwiesen die Eisenbahnlinie von Löbau nach.
Zittau, von Magdeburg nach Kassel, vor allem der Knotenpunkt der Mittel-
deutschen Eisenbahnen in Gunters Hausen, endlich die Landschaft um Mainz. Man
darf also vom militärischen Standpunkt einen Theil der sächsischen Lausitz, das
südliche Hannover und Hessen-Kassel für die nächsten Arrondirungsobjecte halten,
dqnn das Hessen-darmstädtische Territorium Biedenkopf und Vielleicht das Her-
zogthum Nassau. Ferner aber sind wir überzeugt, daß der Leiter der aus¬
wärtigen Angelegenheiten in Preußen mit besonderem Eifer und bis zum Aeußer-
sten auf Einverleibung der Landschaften bestehen wird, welche selbst preußisch
werden wollen, wie wir von Ostfriesland vernehmen. Endlich sieht ihm ähn¬
lich, daß er zwar die Kleinmäkelei von dem großen Erfolge fern halten wird,
daß er aber mit einem gewissen Behagen wohlgelegcnes Gebiet feindlicher
Legierungen, wie z. B. die Herrschaft Caml'urg von Meiningen durch kurzen
Federstrich ablösen wird. Wie viel er darin Bayern und Würtemberg zumuthen
wird, das mag noch von dem Verhalten dieser Staaten in der letzten Stunde
abhängen- Daß aber Bayern seine Bundespolitik und Würtemberg die Sprache
seines Ministers und seines officiellen Blattes, wie die Occupation von Hohen-
zollern nach seiner Meinung auch durch Abtretung von Landgehiet entgelten
soll, Bayern durch Abtretungen im Norden, Würtemberg außerdem durch Her¬
stellung einer Verbindung der Hohenzollern mit dem Bodensee, ist ihm wohl
zuzutrauen.

ES ist nicht unwahrscheinlich, daß unsere Freunde in Süddeutschland starke
Worte gegen solche dynastische Behandlung der Länder finden werden. Wir!
fühlen so tief wie sie die UnVollkommenheit der politischen Zustände, welche
dergleichen Arrondirungen möglich machen und wir sind eifrig gewesen, daran
zu mahnen. Mögen sie aber wenigstens jetzt ehrlich prüfen, was ihnen vom
Standpunkt der preußischen Regierung entgegengehalten werden kann. Graf
BiMarck darf sagen, die NichtPreußen bewohnen allerdings Landschaften, welche


Einrichtungen könnten überall bewahrt bleiben, die meisten Staaten würden ihre
Dynastien verlieren, aber Schwaben würde gut schwäbisch und Bayern bayerisch
bleiben können bis zum Ende aller Dinge.

Wenn der preußische Ministerpräsident auf diesen Weg, der seiner Art
wohl am meisten entspräche, verzichtet, so sind es sicher nicht Rechtsbedenken
oder Scheu vor volksthümlichen Widerstande, sondern Hemmnisse, welche sowohl
in der Gesinnung seines Monarchen als in der Haltung der Großmächte lie¬
gen. Er wird das Princip des Bundesstaats festhalten.

Zu diesem Bundesstaat aber will er ein Preußen bringen, welches für alle
Möglichkeiten auswärtiger Conflicte in sich selbst eine bessere militärische Terri-
torialbasis hat. als das bisherige. Er wird also zunächst aus militärischen
Gründen seinem engern Vaterlande bessere Grenzen geben. Als höchst wichtig
hat sich für preußische Operationen erwiesen die Eisenbahnlinie von Löbau nach.
Zittau, von Magdeburg nach Kassel, vor allem der Knotenpunkt der Mittel-
deutschen Eisenbahnen in Gunters Hausen, endlich die Landschaft um Mainz. Man
darf also vom militärischen Standpunkt einen Theil der sächsischen Lausitz, das
südliche Hannover und Hessen-Kassel für die nächsten Arrondirungsobjecte halten,
dqnn das Hessen-darmstädtische Territorium Biedenkopf und Vielleicht das Her-
zogthum Nassau. Ferner aber sind wir überzeugt, daß der Leiter der aus¬
wärtigen Angelegenheiten in Preußen mit besonderem Eifer und bis zum Aeußer-
sten auf Einverleibung der Landschaften bestehen wird, welche selbst preußisch
werden wollen, wie wir von Ostfriesland vernehmen. Endlich sieht ihm ähn¬
lich, daß er zwar die Kleinmäkelei von dem großen Erfolge fern halten wird,
daß er aber mit einem gewissen Behagen wohlgelegcnes Gebiet feindlicher
Legierungen, wie z. B. die Herrschaft Caml'urg von Meiningen durch kurzen
Federstrich ablösen wird. Wie viel er darin Bayern und Würtemberg zumuthen
wird, das mag noch von dem Verhalten dieser Staaten in der letzten Stunde
abhängen- Daß aber Bayern seine Bundespolitik und Würtemberg die Sprache
seines Ministers und seines officiellen Blattes, wie die Occupation von Hohen-
zollern nach seiner Meinung auch durch Abtretung von Landgehiet entgelten
soll, Bayern durch Abtretungen im Norden, Würtemberg außerdem durch Her¬
stellung einer Verbindung der Hohenzollern mit dem Bodensee, ist ihm wohl
zuzutrauen.

ES ist nicht unwahrscheinlich, daß unsere Freunde in Süddeutschland starke
Worte gegen solche dynastische Behandlung der Länder finden werden. Wir!
fühlen so tief wie sie die UnVollkommenheit der politischen Zustände, welche
dergleichen Arrondirungen möglich machen und wir sind eifrig gewesen, daran
zu mahnen. Mögen sie aber wenigstens jetzt ehrlich prüfen, was ihnen vom
Standpunkt der preußischen Regierung entgegengehalten werden kann. Graf
BiMarck darf sagen, die NichtPreußen bewohnen allerdings Landschaften, welche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/182>, abgerufen am 22.07.2024.