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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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wärtsbewegung der Masse geschah zwar langsam, aber in den letzten acht Tagen
war doch ein Hin- und Herziehen ohne wesentlichen Fortschritt unvermeidlich,
entweder wollte man aus geheimen Grün'den Zeit gewinnen, oder um den
König nicht zu verletzen, eine gewaltsame Katastrophe vermeiden, man wich hier
und da den heranziehenden Truppen aus, die Leute, namentlich die Infanterie,
unvollständig equipirt, solcher Kriegsfahrt ungewohnt, und ohne Vertrauen zu
ihrer Sache, wurden erschöpft.

Noch weniger zu rechtfertigen ist dieser Marsch eines deutschen Contingents
in politischer Hinsicht. Wenn ein König sich mit seinem Heer durch feindliches
Land schlagen will, so muß er selbst als Kriegsmann mit ihm ziehen, zu Pferd,
oder wenn sein Zustand das nicht erlaubt > in flüchtigem Reisewagen, er muß
aber nicht ein wackeres Heer dazu mißbrauchen, Bedeckung und Vertheidigung
eines endlosen Hoftrosses zu sein, und seine Küche, Siiberkammer und Flaschen¬
futterale, die ganze Kanzlei und Schreiberstube zu convoyiren. Es war auch
im besten Fall keine leichte Aufgabe für ein unvollständig gerüstetes Heer, sich
von Göttingen über den Thüringerwald zu den Bayern durchzuschlagen, und
es blieb immer ein verzweifeltes Unternehmen wie aus dem dreißigjährigen
Kriege. Aber ein tüchtiger General, dem es nicht darauf ankam, einen Theil
seiner Truppen zu opfern, hätte bei schneller Bewegung und heftigem Durch¬
bruch vom 20. bis 23. Juni sehr Wohl die Eisenbahnlinie von Eisenach bis
Weimar passiren können. Bei der Menge von Geschütz und Reiterei war auch
die Verfolgung damals nicht leicht und ziemlich aussichtslos.

Aber wer in solcher Weise seine Straße dahinfährt wie ein Heimathsloser
ohne Rückzugslinie, ohne Stützpunkte, über feindliches Land, der muß nicht zu
gleicher Zeit ängstlich die Würde eines Königs wahren wollen.

Seit dem 23. wurde Parlaments. Schon am 20. war auf Befehl von
Berlin durch den Obersten von Fabeck ein Offizier als Parlamentär an die
Hannoveraner geschickt worden mit der Aufforderung die Waffen zu strecken,
weil sie cernirt seien. Der Parlamentär war von den Hannoveranern wegen
mangelnder Legitimation zurückbehalten worden. Erst am 23. am späten Abend
brachte der hannöversche Major Jacobi als Parlamentär den Bescheid, es wäre
unerhört, daß man von allgemein geachteten Truppen in freiem Felde ein
Wasserstrecken verlange; man wünsche sich vor allem durch Augenschein von der
Cernirung zu überzeugen. Er kehrte am 24. früh ohne Antwort zurück.

Aber an demselben Vormittage trafen der Generaladjutant des Königs
von Hannover, Oberst Dämmers und wieder Major Jacobi vom Generalstave
beim Herzog von Gotha mit der mündlichen Bitte um seine Vermittelung beim
König von Preußen ein. Sie forderten, wie man erzählt, freien Durchmarsch
nach einem Punkt in Süden, den der König von Preußen bestimmen solle,
wogegen sie sich verpflichten wollten, durch sechs Monate an keinen Feindselig-


wärtsbewegung der Masse geschah zwar langsam, aber in den letzten acht Tagen
war doch ein Hin- und Herziehen ohne wesentlichen Fortschritt unvermeidlich,
entweder wollte man aus geheimen Grün'den Zeit gewinnen, oder um den
König nicht zu verletzen, eine gewaltsame Katastrophe vermeiden, man wich hier
und da den heranziehenden Truppen aus, die Leute, namentlich die Infanterie,
unvollständig equipirt, solcher Kriegsfahrt ungewohnt, und ohne Vertrauen zu
ihrer Sache, wurden erschöpft.

Noch weniger zu rechtfertigen ist dieser Marsch eines deutschen Contingents
in politischer Hinsicht. Wenn ein König sich mit seinem Heer durch feindliches
Land schlagen will, so muß er selbst als Kriegsmann mit ihm ziehen, zu Pferd,
oder wenn sein Zustand das nicht erlaubt > in flüchtigem Reisewagen, er muß
aber nicht ein wackeres Heer dazu mißbrauchen, Bedeckung und Vertheidigung
eines endlosen Hoftrosses zu sein, und seine Küche, Siiberkammer und Flaschen¬
futterale, die ganze Kanzlei und Schreiberstube zu convoyiren. Es war auch
im besten Fall keine leichte Aufgabe für ein unvollständig gerüstetes Heer, sich
von Göttingen über den Thüringerwald zu den Bayern durchzuschlagen, und
es blieb immer ein verzweifeltes Unternehmen wie aus dem dreißigjährigen
Kriege. Aber ein tüchtiger General, dem es nicht darauf ankam, einen Theil
seiner Truppen zu opfern, hätte bei schneller Bewegung und heftigem Durch¬
bruch vom 20. bis 23. Juni sehr Wohl die Eisenbahnlinie von Eisenach bis
Weimar passiren können. Bei der Menge von Geschütz und Reiterei war auch
die Verfolgung damals nicht leicht und ziemlich aussichtslos.

Aber wer in solcher Weise seine Straße dahinfährt wie ein Heimathsloser
ohne Rückzugslinie, ohne Stützpunkte, über feindliches Land, der muß nicht zu
gleicher Zeit ängstlich die Würde eines Königs wahren wollen.

Seit dem 23. wurde Parlaments. Schon am 20. war auf Befehl von
Berlin durch den Obersten von Fabeck ein Offizier als Parlamentär an die
Hannoveraner geschickt worden mit der Aufforderung die Waffen zu strecken,
weil sie cernirt seien. Der Parlamentär war von den Hannoveranern wegen
mangelnder Legitimation zurückbehalten worden. Erst am 23. am späten Abend
brachte der hannöversche Major Jacobi als Parlamentär den Bescheid, es wäre
unerhört, daß man von allgemein geachteten Truppen in freiem Felde ein
Wasserstrecken verlange; man wünsche sich vor allem durch Augenschein von der
Cernirung zu überzeugen. Er kehrte am 24. früh ohne Antwort zurück.

Aber an demselben Vormittage trafen der Generaladjutant des Königs
von Hannover, Oberst Dämmers und wieder Major Jacobi vom Generalstave
beim Herzog von Gotha mit der mündlichen Bitte um seine Vermittelung beim
König von Preußen ein. Sie forderten, wie man erzählt, freien Durchmarsch
nach einem Punkt in Süden, den der König von Preußen bestimmen solle,
wogegen sie sich verpflichten wollten, durch sechs Monate an keinen Feindselig-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/17>, abgerufen am 22.07.2024.