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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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unmittelbarer Gefahr befreit, konnte ungestört seine Verwünschungen auf den
Friedensbrecher fortsetzen, die Volkspartei gründete Vereine, die neue Vereine
gebaren, noch hörten die Resolutionen für Parlament und Centralgewalt nicht
auf, täglich wurde allgemeine Volksbewaffnung, ab und zu auch Beseitigung
des volksfeindlichen Ministeriums verlangt. In den öffentlichen Gärten wurde
der Radetzkymarsch gespielt, im Familienkreis Charpie gezupft, und bald eröff¬
nete sich für die Frauen und Jungfrauen eine noch patriotischere Thätigkeit.
Ein schwäbisches Blatt hatte angeregt, als Zeichen des Bundcskriegs gegen die
Rebellen -- der Vergleich der Preußen mit den Rebellen der nordamerikanischen
Union wurde jetzt ausnehmend beliebt -- die schwarzrothgoldenen Farben zu
entrollen. Der Gedanke zündete. In Frankfurt setzte es der Senator Bernus,
der Medicäer des Resormvcreins, durch, daß über den Reliquien des alten
Bunds in der eschenheimer Gasse ein dreifarbiges Fähnlein aufgesteckt wurde.
Für den Prinzen Alexander verband sich damit noch ein praktischer Zweck; er
erhielt damit ein Erkennungszeichen für die zusammengewürfelte Reichsarmee,
von der ein Theil die den Schwaben verdächtige Pickelhaube trug. So ordnete
denn der Prinz an, daß die unter ihm stehenden Truppen eine schwarzroth-
goldene Armbinde trügen, zu deren Anschaffung ein Aufruf an die Frauen und
Jungfrauen erging. Jetzt war es ja kein Zweifel mehr, auf welcher Seite
Deutschland war. Selbst zu den preußischen Soldaten versah man sich einer
absonderlichen Wirkung von dieser frivolen Spielerei. Freilich nur das achte
Armeecorps wurde dieser Auszeichnung theilhaftig. Allein grade so entsprach
es ja der fixen Idee, daß die südwestdeutschen Staaten, welche dieses Contin¬
gent stellen, das eigentliche Deutschland seien, die rein Deutschen, deutscher als
alle anderen, die Teutschesten der Teutschen, um mit dem königlichen Sänger
zu reden.

Unterdessen waren die Dinge im Osten nicht ganz nach Wunsch verlaufen.
Die Wahrheit zu sagen, hatte schon das k. k. Kriegsmanifest die Freunde Oest¬
reichs verstimmt. Aus dieses J.moriren Deutschlands, das man doch zum
Bundesgenossen warb, war man nicht gefaßt. Nichts von Bundesreform. von
Parlament, nicht einmal vom Delegirtenprojcct. Man wäre mit Wenigem zu¬
frieden gewesen; nur einer billigen Versprechung hätte sich Parade machen lassen,
"der gar nichts war allzu wenig. Freilich lange konnte man sich bei derlei
Kleinigkeiten nicht aufhalten. Deutschland ist doch unter den schwarzgelben
Fahnen, leitartikelten radicale Blätter, deren noch lebende Gründer einst unter
dem mettcrnichschen Druck gelitten, dann lange Jahre rühmlich der freisinnigen
Meinung des Landes zum Organ gedient hatten, und jetzt die Rettung Deutsch¬
lands, seine Macht und Einheit vom Kampfe für das Haus Habsburg er¬
warteten.

Bedenklicher war der Anfang des Krieges selbst. Wie die Preisgebung


unmittelbarer Gefahr befreit, konnte ungestört seine Verwünschungen auf den
Friedensbrecher fortsetzen, die Volkspartei gründete Vereine, die neue Vereine
gebaren, noch hörten die Resolutionen für Parlament und Centralgewalt nicht
auf, täglich wurde allgemeine Volksbewaffnung, ab und zu auch Beseitigung
des volksfeindlichen Ministeriums verlangt. In den öffentlichen Gärten wurde
der Radetzkymarsch gespielt, im Familienkreis Charpie gezupft, und bald eröff¬
nete sich für die Frauen und Jungfrauen eine noch patriotischere Thätigkeit.
Ein schwäbisches Blatt hatte angeregt, als Zeichen des Bundcskriegs gegen die
Rebellen — der Vergleich der Preußen mit den Rebellen der nordamerikanischen
Union wurde jetzt ausnehmend beliebt — die schwarzrothgoldenen Farben zu
entrollen. Der Gedanke zündete. In Frankfurt setzte es der Senator Bernus,
der Medicäer des Resormvcreins, durch, daß über den Reliquien des alten
Bunds in der eschenheimer Gasse ein dreifarbiges Fähnlein aufgesteckt wurde.
Für den Prinzen Alexander verband sich damit noch ein praktischer Zweck; er
erhielt damit ein Erkennungszeichen für die zusammengewürfelte Reichsarmee,
von der ein Theil die den Schwaben verdächtige Pickelhaube trug. So ordnete
denn der Prinz an, daß die unter ihm stehenden Truppen eine schwarzroth-
goldene Armbinde trügen, zu deren Anschaffung ein Aufruf an die Frauen und
Jungfrauen erging. Jetzt war es ja kein Zweifel mehr, auf welcher Seite
Deutschland war. Selbst zu den preußischen Soldaten versah man sich einer
absonderlichen Wirkung von dieser frivolen Spielerei. Freilich nur das achte
Armeecorps wurde dieser Auszeichnung theilhaftig. Allein grade so entsprach
es ja der fixen Idee, daß die südwestdeutschen Staaten, welche dieses Contin¬
gent stellen, das eigentliche Deutschland seien, die rein Deutschen, deutscher als
alle anderen, die Teutschesten der Teutschen, um mit dem königlichen Sänger
zu reden.

Unterdessen waren die Dinge im Osten nicht ganz nach Wunsch verlaufen.
Die Wahrheit zu sagen, hatte schon das k. k. Kriegsmanifest die Freunde Oest¬
reichs verstimmt. Aus dieses J.moriren Deutschlands, das man doch zum
Bundesgenossen warb, war man nicht gefaßt. Nichts von Bundesreform. von
Parlament, nicht einmal vom Delegirtenprojcct. Man wäre mit Wenigem zu¬
frieden gewesen; nur einer billigen Versprechung hätte sich Parade machen lassen,
«der gar nichts war allzu wenig. Freilich lange konnte man sich bei derlei
Kleinigkeiten nicht aufhalten. Deutschland ist doch unter den schwarzgelben
Fahnen, leitartikelten radicale Blätter, deren noch lebende Gründer einst unter
dem mettcrnichschen Druck gelitten, dann lange Jahre rühmlich der freisinnigen
Meinung des Landes zum Organ gedient hatten, und jetzt die Rettung Deutsch¬
lands, seine Macht und Einheit vom Kampfe für das Haus Habsburg er¬
warteten.

Bedenklicher war der Anfang des Krieges selbst. Wie die Preisgebung


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[0168] unmittelbarer Gefahr befreit, konnte ungestört seine Verwünschungen auf den Friedensbrecher fortsetzen, die Volkspartei gründete Vereine, die neue Vereine gebaren, noch hörten die Resolutionen für Parlament und Centralgewalt nicht auf, täglich wurde allgemeine Volksbewaffnung, ab und zu auch Beseitigung des volksfeindlichen Ministeriums verlangt. In den öffentlichen Gärten wurde der Radetzkymarsch gespielt, im Familienkreis Charpie gezupft, und bald eröff¬ nete sich für die Frauen und Jungfrauen eine noch patriotischere Thätigkeit. Ein schwäbisches Blatt hatte angeregt, als Zeichen des Bundcskriegs gegen die Rebellen — der Vergleich der Preußen mit den Rebellen der nordamerikanischen Union wurde jetzt ausnehmend beliebt — die schwarzrothgoldenen Farben zu entrollen. Der Gedanke zündete. In Frankfurt setzte es der Senator Bernus, der Medicäer des Resormvcreins, durch, daß über den Reliquien des alten Bunds in der eschenheimer Gasse ein dreifarbiges Fähnlein aufgesteckt wurde. Für den Prinzen Alexander verband sich damit noch ein praktischer Zweck; er erhielt damit ein Erkennungszeichen für die zusammengewürfelte Reichsarmee, von der ein Theil die den Schwaben verdächtige Pickelhaube trug. So ordnete denn der Prinz an, daß die unter ihm stehenden Truppen eine schwarzroth- goldene Armbinde trügen, zu deren Anschaffung ein Aufruf an die Frauen und Jungfrauen erging. Jetzt war es ja kein Zweifel mehr, auf welcher Seite Deutschland war. Selbst zu den preußischen Soldaten versah man sich einer absonderlichen Wirkung von dieser frivolen Spielerei. Freilich nur das achte Armeecorps wurde dieser Auszeichnung theilhaftig. Allein grade so entsprach es ja der fixen Idee, daß die südwestdeutschen Staaten, welche dieses Contin¬ gent stellen, das eigentliche Deutschland seien, die rein Deutschen, deutscher als alle anderen, die Teutschesten der Teutschen, um mit dem königlichen Sänger zu reden. Unterdessen waren die Dinge im Osten nicht ganz nach Wunsch verlaufen. Die Wahrheit zu sagen, hatte schon das k. k. Kriegsmanifest die Freunde Oest¬ reichs verstimmt. Aus dieses J.moriren Deutschlands, das man doch zum Bundesgenossen warb, war man nicht gefaßt. Nichts von Bundesreform. von Parlament, nicht einmal vom Delegirtenprojcct. Man wäre mit Wenigem zu¬ frieden gewesen; nur einer billigen Versprechung hätte sich Parade machen lassen, «der gar nichts war allzu wenig. Freilich lange konnte man sich bei derlei Kleinigkeiten nicht aufhalten. Deutschland ist doch unter den schwarzgelben Fahnen, leitartikelten radicale Blätter, deren noch lebende Gründer einst unter dem mettcrnichschen Druck gelitten, dann lange Jahre rühmlich der freisinnigen Meinung des Landes zum Organ gedient hatten, und jetzt die Rettung Deutsch¬ lands, seine Macht und Einheit vom Kampfe für das Haus Habsburg er¬ warteten. Bedenklicher war der Anfang des Krieges selbst. Wie die Preisgebung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/168>, abgerufen am 22.07.2024.