Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

des gesammten norddeutschen Liberalismus, überliefert; als geeigneter Zeitpunkt
des Hervortretens wurde der Tag bezeichnet, an welchem das Schicksal des
Königs und des Heeres entschieden sein oder als entschieden bekannt werden
würde. Man versprach sich von einem solchen Ausschuß, dem unter Bennigsens
Leitung je einer aus den Vertrauensmännern jeder Provinz angehört haben
würde, Gutes in Gegenwart und Zukunft, für Hannover wie für ganz Deutsch¬
land: Sicherung des natürlichen guten Einvernehmens zwischen dem hannover-
schen Volke und der preußischen Besatzung, -- Abstellung zufällig entstandener
Beschwerden, -- rechtzeitige Entfernung der wenigen höheren Beamten, deren
fortdauernde Wirksamkeit dem Lande unter gewissen Umständen neue Kriegs-
gefahren zuzuziehen drohte, aber keiner anderen. --, Herstellung eines mit all-
seitig anerkannter Autorität versehenen Organs, um später, beim Friedensschluß,
die Wünsche des Volkes kräftig zu vertreten, -- Gewinnung eines Halts für
die tieserregte. von den widerstreitendsten Gefühlen bewegte öffentliche Mei¬
nung über Hannovers Grenzen hinaus, und eines prägnanien Ausdruckes für
die fortdauernde thätige Theilnahme der liberalen Nationalpartei an dem Welle
der Neugestaltung des Vaterlandes. Diese Vortheile sind von Bennigsen und
den übrigen Führern der bisherigen hannoverschen Opposition nicht verkannt,
aber die entgegenstehenden Bedenken, als z. B. die Schwierigkeit, eine Anzahl
von Beamten und praktischen Geschäftsmännern grade in dieser drangvollen
Zeit dauernd von ihrem Posten zu entführen, um ihnen vielleicht im Mittel¬
punkt des Landes eine ungenügende Beschäftigung zu gewährn, serner die
Möglichkeit von Conflicten nach oben und unten, rechts und links -- doch für
überwiegend erachtet, unter ihrem Drucke jedenfalls der richtige Zeitpunkt vor-
übergelassen worden. Es ist daher zu einem gleichartigen Vorgehen auch den
Fühlern des kurhessischen Volkes nicht der Anstoß gegeben worden, den man
sonst von Hannover aus mittelbar oder unmittelbar wohl hätte geben können.

Wohl aber war es schon bald nach der Katastrophe des Staats von Ben¬
nigsen und feinen näheren Freunden ins Auge gefaßt worden, Politiker des
ganzen nichtpreußischcn Norddeutschland in Hannover zu versammeln, um zu
den drängenden Ereignissen des Tages neue Stellung zu nehmen. Man be¬
absichtigte anfänglich, dafür die Zeit gleich nach Eröffnung des preußischen
Landtags zu wählen; ein Ausspruch unbefangener und befreundeter Gesinnungs¬
genossen, mochte man hoffen, werde es der preußischen Fortschrittspartei erleich¬
tern, sich in eine Stellung außerordentlich verringerten Einflusses und daher
nothwendig herabzustimmender Ansprüche mit kluger Würde zu finden. Aber
der verzweifelte Schritt Oestreichs, der Frankreichs verhaßte Einmischung in die
deutschen Händel herausforderte, ließ alles Zögern unerlaubt erscheinen. Auf
den 12. Juli -- genau vier Wochen nach dem den Krieg entzündenden Be-
schlusse des Bundestags -- luden daher Bennigsen, Miquöl, Albrecht und


Vrenzbot-n M. 18so. . 19

des gesammten norddeutschen Liberalismus, überliefert; als geeigneter Zeitpunkt
des Hervortretens wurde der Tag bezeichnet, an welchem das Schicksal des
Königs und des Heeres entschieden sein oder als entschieden bekannt werden
würde. Man versprach sich von einem solchen Ausschuß, dem unter Bennigsens
Leitung je einer aus den Vertrauensmännern jeder Provinz angehört haben
würde, Gutes in Gegenwart und Zukunft, für Hannover wie für ganz Deutsch¬
land: Sicherung des natürlichen guten Einvernehmens zwischen dem hannover-
schen Volke und der preußischen Besatzung, — Abstellung zufällig entstandener
Beschwerden, — rechtzeitige Entfernung der wenigen höheren Beamten, deren
fortdauernde Wirksamkeit dem Lande unter gewissen Umständen neue Kriegs-
gefahren zuzuziehen drohte, aber keiner anderen. —, Herstellung eines mit all-
seitig anerkannter Autorität versehenen Organs, um später, beim Friedensschluß,
die Wünsche des Volkes kräftig zu vertreten, — Gewinnung eines Halts für
die tieserregte. von den widerstreitendsten Gefühlen bewegte öffentliche Mei¬
nung über Hannovers Grenzen hinaus, und eines prägnanien Ausdruckes für
die fortdauernde thätige Theilnahme der liberalen Nationalpartei an dem Welle
der Neugestaltung des Vaterlandes. Diese Vortheile sind von Bennigsen und
den übrigen Führern der bisherigen hannoverschen Opposition nicht verkannt,
aber die entgegenstehenden Bedenken, als z. B. die Schwierigkeit, eine Anzahl
von Beamten und praktischen Geschäftsmännern grade in dieser drangvollen
Zeit dauernd von ihrem Posten zu entführen, um ihnen vielleicht im Mittel¬
punkt des Landes eine ungenügende Beschäftigung zu gewährn, serner die
Möglichkeit von Conflicten nach oben und unten, rechts und links — doch für
überwiegend erachtet, unter ihrem Drucke jedenfalls der richtige Zeitpunkt vor-
übergelassen worden. Es ist daher zu einem gleichartigen Vorgehen auch den
Fühlern des kurhessischen Volkes nicht der Anstoß gegeben worden, den man
sonst von Hannover aus mittelbar oder unmittelbar wohl hätte geben können.

Wohl aber war es schon bald nach der Katastrophe des Staats von Ben¬
nigsen und feinen näheren Freunden ins Auge gefaßt worden, Politiker des
ganzen nichtpreußischcn Norddeutschland in Hannover zu versammeln, um zu
den drängenden Ereignissen des Tages neue Stellung zu nehmen. Man be¬
absichtigte anfänglich, dafür die Zeit gleich nach Eröffnung des preußischen
Landtags zu wählen; ein Ausspruch unbefangener und befreundeter Gesinnungs¬
genossen, mochte man hoffen, werde es der preußischen Fortschrittspartei erleich¬
tern, sich in eine Stellung außerordentlich verringerten Einflusses und daher
nothwendig herabzustimmender Ansprüche mit kluger Würde zu finden. Aber
der verzweifelte Schritt Oestreichs, der Frankreichs verhaßte Einmischung in die
deutschen Händel herausforderte, ließ alles Zögern unerlaubt erscheinen. Auf
den 12. Juli — genau vier Wochen nach dem den Krieg entzündenden Be-
schlusse des Bundestags — luden daher Bennigsen, Miquöl, Albrecht und


Vrenzbot-n M. 18so. . 19
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0161" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285749"/>
          <p xml:id="ID_483" prev="#ID_482"> des gesammten norddeutschen Liberalismus, überliefert; als geeigneter Zeitpunkt<lb/>
des Hervortretens wurde der Tag bezeichnet, an welchem das Schicksal des<lb/>
Königs und des Heeres entschieden sein oder als entschieden bekannt werden<lb/>
würde. Man versprach sich von einem solchen Ausschuß, dem unter Bennigsens<lb/>
Leitung je einer aus den Vertrauensmännern jeder Provinz angehört haben<lb/>
würde, Gutes in Gegenwart und Zukunft, für Hannover wie für ganz Deutsch¬<lb/>
land: Sicherung des natürlichen guten Einvernehmens zwischen dem hannover-<lb/>
schen Volke und der preußischen Besatzung, &#x2014; Abstellung zufällig entstandener<lb/>
Beschwerden, &#x2014; rechtzeitige Entfernung der wenigen höheren Beamten, deren<lb/>
fortdauernde Wirksamkeit dem Lande unter gewissen Umständen neue Kriegs-<lb/>
gefahren zuzuziehen drohte, aber keiner anderen. &#x2014;, Herstellung eines mit all-<lb/>
seitig anerkannter Autorität versehenen Organs, um später, beim Friedensschluß,<lb/>
die Wünsche des Volkes kräftig zu vertreten, &#x2014; Gewinnung eines Halts für<lb/>
die tieserregte. von den widerstreitendsten Gefühlen bewegte öffentliche Mei¬<lb/>
nung über Hannovers Grenzen hinaus, und eines prägnanien Ausdruckes für<lb/>
die fortdauernde thätige Theilnahme der liberalen Nationalpartei an dem Welle<lb/>
der Neugestaltung des Vaterlandes. Diese Vortheile sind von Bennigsen und<lb/>
den übrigen Führern der bisherigen hannoverschen Opposition nicht verkannt,<lb/>
aber die entgegenstehenden Bedenken, als z. B. die Schwierigkeit, eine Anzahl<lb/>
von Beamten und praktischen Geschäftsmännern grade in dieser drangvollen<lb/>
Zeit dauernd von ihrem Posten zu entführen, um ihnen vielleicht im Mittel¬<lb/>
punkt des Landes eine ungenügende Beschäftigung zu gewährn, serner die<lb/>
Möglichkeit von Conflicten nach oben und unten, rechts und links &#x2014; doch für<lb/>
überwiegend erachtet, unter ihrem Drucke jedenfalls der richtige Zeitpunkt vor-<lb/>
übergelassen worden. Es ist daher zu einem gleichartigen Vorgehen auch den<lb/>
Fühlern des kurhessischen Volkes nicht der Anstoß gegeben worden, den man<lb/>
sonst von Hannover aus mittelbar oder unmittelbar wohl hätte geben können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_484" next="#ID_485"> Wohl aber war es schon bald nach der Katastrophe des Staats von Ben¬<lb/>
nigsen und feinen näheren Freunden ins Auge gefaßt worden, Politiker des<lb/>
ganzen nichtpreußischcn Norddeutschland in Hannover zu versammeln, um zu<lb/>
den drängenden Ereignissen des Tages neue Stellung zu nehmen. Man be¬<lb/>
absichtigte anfänglich, dafür die Zeit gleich nach Eröffnung des preußischen<lb/>
Landtags zu wählen; ein Ausspruch unbefangener und befreundeter Gesinnungs¬<lb/>
genossen, mochte man hoffen, werde es der preußischen Fortschrittspartei erleich¬<lb/>
tern, sich in eine Stellung außerordentlich verringerten Einflusses und daher<lb/>
nothwendig herabzustimmender Ansprüche mit kluger Würde zu finden. Aber<lb/>
der verzweifelte Schritt Oestreichs, der Frankreichs verhaßte Einmischung in die<lb/>
deutschen Händel herausforderte, ließ alles Zögern unerlaubt erscheinen. Auf<lb/>
den 12. Juli &#x2014; genau vier Wochen nach dem den Krieg entzündenden Be-<lb/>
schlusse des Bundestags &#x2014; luden daher Bennigsen, Miquöl, Albrecht und</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"> Vrenzbot-n M. 18so. . 19</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0161] des gesammten norddeutschen Liberalismus, überliefert; als geeigneter Zeitpunkt des Hervortretens wurde der Tag bezeichnet, an welchem das Schicksal des Königs und des Heeres entschieden sein oder als entschieden bekannt werden würde. Man versprach sich von einem solchen Ausschuß, dem unter Bennigsens Leitung je einer aus den Vertrauensmännern jeder Provinz angehört haben würde, Gutes in Gegenwart und Zukunft, für Hannover wie für ganz Deutsch¬ land: Sicherung des natürlichen guten Einvernehmens zwischen dem hannover- schen Volke und der preußischen Besatzung, — Abstellung zufällig entstandener Beschwerden, — rechtzeitige Entfernung der wenigen höheren Beamten, deren fortdauernde Wirksamkeit dem Lande unter gewissen Umständen neue Kriegs- gefahren zuzuziehen drohte, aber keiner anderen. —, Herstellung eines mit all- seitig anerkannter Autorität versehenen Organs, um später, beim Friedensschluß, die Wünsche des Volkes kräftig zu vertreten, — Gewinnung eines Halts für die tieserregte. von den widerstreitendsten Gefühlen bewegte öffentliche Mei¬ nung über Hannovers Grenzen hinaus, und eines prägnanien Ausdruckes für die fortdauernde thätige Theilnahme der liberalen Nationalpartei an dem Welle der Neugestaltung des Vaterlandes. Diese Vortheile sind von Bennigsen und den übrigen Führern der bisherigen hannoverschen Opposition nicht verkannt, aber die entgegenstehenden Bedenken, als z. B. die Schwierigkeit, eine Anzahl von Beamten und praktischen Geschäftsmännern grade in dieser drangvollen Zeit dauernd von ihrem Posten zu entführen, um ihnen vielleicht im Mittel¬ punkt des Landes eine ungenügende Beschäftigung zu gewährn, serner die Möglichkeit von Conflicten nach oben und unten, rechts und links — doch für überwiegend erachtet, unter ihrem Drucke jedenfalls der richtige Zeitpunkt vor- übergelassen worden. Es ist daher zu einem gleichartigen Vorgehen auch den Fühlern des kurhessischen Volkes nicht der Anstoß gegeben worden, den man sonst von Hannover aus mittelbar oder unmittelbar wohl hätte geben können. Wohl aber war es schon bald nach der Katastrophe des Staats von Ben¬ nigsen und feinen näheren Freunden ins Auge gefaßt worden, Politiker des ganzen nichtpreußischcn Norddeutschland in Hannover zu versammeln, um zu den drängenden Ereignissen des Tages neue Stellung zu nehmen. Man be¬ absichtigte anfänglich, dafür die Zeit gleich nach Eröffnung des preußischen Landtags zu wählen; ein Ausspruch unbefangener und befreundeter Gesinnungs¬ genossen, mochte man hoffen, werde es der preußischen Fortschrittspartei erleich¬ tern, sich in eine Stellung außerordentlich verringerten Einflusses und daher nothwendig herabzustimmender Ansprüche mit kluger Würde zu finden. Aber der verzweifelte Schritt Oestreichs, der Frankreichs verhaßte Einmischung in die deutschen Händel herausforderte, ließ alles Zögern unerlaubt erscheinen. Auf den 12. Juli — genau vier Wochen nach dem den Krieg entzündenden Be- schlusse des Bundestags — luden daher Bennigsen, Miquöl, Albrecht und Vrenzbot-n M. 18so. . 19

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/161
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/161>, abgerufen am 03.07.2024.