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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Fremden gesagt haben?" fragte er. "Ohne Zweifel jemand aus Gondar; denn
das ist eine Pfaffenstadt, die mich nicht liebt." Sofort mußte Gondar eine
Geldbuße zahlen, und als die Summe ohne Säumen erlegt wurde, verlangte
der Kaiser das Doppelte. Als diese Forderung aber nicht gleich erfüllt werden
konnte, ließ der ergrimmte Negus seine Soldaten gegen die Stadt los, "um
sie aufzufressen", d. h. um sie zu plündern, was so gründlich geschah, daß einzelne
Theile, z. B. daS muhammedanische Viertel, fast ganz zerstört wurden.

Rosenthal und sein Gefährte Flad aber wurden von den Richtern, welchen
der Kaiser den Fall vorlegte, zum Tode verurtheilt, doch, weil sie nur aus Un¬
wissenheit gefehlt, zur Begnadigung empfohlen. Theodor ließ sie vor sich bringen
und sagte ihnen, daß er ihren Leichtsinn, mit dem sie Dinge, die sie nur vom
Hörensagen wüßten, als Thatsachen aufgezeichnet, nur mit Gefängniß in Ketten
ahnden wolle. "Doch," fuhr er fort, "will ich Euch einen Ausweg lassen, und
es soll mich freuen, wenn Ihr ihn betreten könnt. Ihr sollt von mir so viel
Gutes oder Böses reden dürfen als Ihr wollt, vorausgesetzt, daß Ihr Euere
Behauptungen gegen einen meiner Kämpfer mit dem Schwerte beweiset. Seid
Ihr das zufrieden?" Natürlich zogen die Missionäre es vor, in ihren Kerker
zurückzukehren.

Vor der englischen Macht hat der Negus Theodor wenig Respect; denn
er weiß sehr wohl, daß man ihm von Europa aus in seinem Gebirgslande
nicht wohl beikommen kann, und so ließ er sich erst nach geraumer Zeit herbei.
Stern und die übrigen Missionäre frei zu geben. Ja er sperrte in der Zwischenzeit
sogar den britischen Consul Cameron ebenfalls ein, theils weil derselbe sich in
unhöflicher Weise für die Gefangenen verwendet, theils weil er ihn als Pfand
für die Genugthuung behalten woMe, die er für die nach seinen Borstellungen
unwürdige Weise beanspruchte, in welcher das londoner Cabinet seinen Brief
an "die Königin Victoria beantwortet hatte. Das Nähere hierüber, sowie über
die ganze 'Stellung des Kaisers zu den Westmächten möge man bei Apel
nachlesen. Hier nur noch Einiges zur 'Charakteristik der schwarzen Majestät von
Aethiopien.

Kaiser Theodor ist von mittlerer Größe, kräftig gebaut und sehr würdevoll
in seiner Haltung. Seine Gesichtszüge sind weniger regelmäßig als die der
Mehrzahl seiner Unterthanen, aber voll Ausdruck und Leben, seine Augen
feurig, ein weit hervortretendes Kinn deutet auf große Festigkeit des Willens.
Er UM Pomp uiid Gepränge um sich, giebt bisweilen, von vier gezähmten
Löwen umringt. Audienz und hat seine Paläste in Debra Tavor und Magdala
mit allerlei LuMgegenständen angefüllt. Seine Tracht dagegen ist sehr einfach,
gewöhnlich 'effcheint <er nur in einem Soldatenrock nild weiten Beinkleidern.
Amen Winkten MaM 'über die Schultern geworfen. Sein Auftrete" in
Stimme und Gesten hat viel Theatralisches. Niemand im Lande weiß besser


Fremden gesagt haben?" fragte er. „Ohne Zweifel jemand aus Gondar; denn
das ist eine Pfaffenstadt, die mich nicht liebt." Sofort mußte Gondar eine
Geldbuße zahlen, und als die Summe ohne Säumen erlegt wurde, verlangte
der Kaiser das Doppelte. Als diese Forderung aber nicht gleich erfüllt werden
konnte, ließ der ergrimmte Negus seine Soldaten gegen die Stadt los, „um
sie aufzufressen", d. h. um sie zu plündern, was so gründlich geschah, daß einzelne
Theile, z. B. daS muhammedanische Viertel, fast ganz zerstört wurden.

Rosenthal und sein Gefährte Flad aber wurden von den Richtern, welchen
der Kaiser den Fall vorlegte, zum Tode verurtheilt, doch, weil sie nur aus Un¬
wissenheit gefehlt, zur Begnadigung empfohlen. Theodor ließ sie vor sich bringen
und sagte ihnen, daß er ihren Leichtsinn, mit dem sie Dinge, die sie nur vom
Hörensagen wüßten, als Thatsachen aufgezeichnet, nur mit Gefängniß in Ketten
ahnden wolle. „Doch," fuhr er fort, „will ich Euch einen Ausweg lassen, und
es soll mich freuen, wenn Ihr ihn betreten könnt. Ihr sollt von mir so viel
Gutes oder Böses reden dürfen als Ihr wollt, vorausgesetzt, daß Ihr Euere
Behauptungen gegen einen meiner Kämpfer mit dem Schwerte beweiset. Seid
Ihr das zufrieden?" Natürlich zogen die Missionäre es vor, in ihren Kerker
zurückzukehren.

Vor der englischen Macht hat der Negus Theodor wenig Respect; denn
er weiß sehr wohl, daß man ihm von Europa aus in seinem Gebirgslande
nicht wohl beikommen kann, und so ließ er sich erst nach geraumer Zeit herbei.
Stern und die übrigen Missionäre frei zu geben. Ja er sperrte in der Zwischenzeit
sogar den britischen Consul Cameron ebenfalls ein, theils weil derselbe sich in
unhöflicher Weise für die Gefangenen verwendet, theils weil er ihn als Pfand
für die Genugthuung behalten woMe, die er für die nach seinen Borstellungen
unwürdige Weise beanspruchte, in welcher das londoner Cabinet seinen Brief
an "die Königin Victoria beantwortet hatte. Das Nähere hierüber, sowie über
die ganze 'Stellung des Kaisers zu den Westmächten möge man bei Apel
nachlesen. Hier nur noch Einiges zur 'Charakteristik der schwarzen Majestät von
Aethiopien.

Kaiser Theodor ist von mittlerer Größe, kräftig gebaut und sehr würdevoll
in seiner Haltung. Seine Gesichtszüge sind weniger regelmäßig als die der
Mehrzahl seiner Unterthanen, aber voll Ausdruck und Leben, seine Augen
feurig, ein weit hervortretendes Kinn deutet auf große Festigkeit des Willens.
Er UM Pomp uiid Gepränge um sich, giebt bisweilen, von vier gezähmten
Löwen umringt. Audienz und hat seine Paläste in Debra Tavor und Magdala
mit allerlei LuMgegenständen angefüllt. Seine Tracht dagegen ist sehr einfach,
gewöhnlich 'effcheint <er nur in einem Soldatenrock nild weiten Beinkleidern.
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Stimme und Gesten hat viel Theatralisches. Niemand im Lande weiß besser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/157>, abgerufen am 22.07.2024.