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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Kaffa wandte sich nun gegen Beurru, den Sohn des Goedo, der sich auf
dem Umba Dschebela verschanzt hatte. Die Frau desselben wurde bestochen,
ihren Gatten an seinen Gegner zu verrathen, und Beurru gerieth in Gefangen¬
schaft. Ganz Centralhabesch war jetzt unterworfen, und nur das Vicekönigreich
Tigre, wo der alte schlaue Uhle herrschte, war noch zu erobern. Auch dies ge¬
lang, zum Theil durch kluge Politik, zum Theil durch Waffengewalt. Kaffa,
der jetzt daran denken konnte, sich zum Negus krönen zu lassen, schickte an Uhle,
der dieselbe Absicht hegte, den Abuna Salama, das Oberhaupt der abyssinischen
Kirche, und ließ ihn auffordern, ihm als Oberlehnsherrn Tribut zu entrichten.
Uhle antwortete ausweichend, sandte aber Geschenke und ließ durch seinen Feld¬
herrn Kokobie in Gondar mit Kaffa Unterhandlungen anknüpfen, welche die
Angelegenheit in die Länge ziehen sollten. Inzwischen verständigte ^er sich in
Ätna, seiner Residenz, mit dem Abuna dahin, daß dieser sich bei der Wahl des
Negus für ihn erklären sollte. Der Abuna ging darauf ein, da es ihm leichter
schien, seine Macht einem alten Fürsten gegenüber zu behaupten, als gegenüber
dem jungen und energischen Kaffa. Aber andererseits wußte letzterer den Ge¬
sandten Abies auf seine Seite zu bringen, und auch für Abuna Satanas
Treue gegen Uhle hatte er eine Falle bereit. In Ätna lebte seit langen Jah¬
ren der katholische Missionär de Jacobis, der sich in Habesch den Ruf eines
Heiligen erworben hatte und mit diesem im ganzen Lande des höchsten Ansehns
genoß. Als der Tag der Wahl herbeikam, erschien neben Salama Plötzlich, von
Kaffa insgeheim herbeigerufen und mit dessen Versprechen in der Tasche, wenn
Kaffa zum Negus gewählt würde, so solle er aus dessen Händen die Abuna-
würde empfangen, auch dieser Gottesmann, um sein Gewicht in die Wagschale
zu legen. Salama, hiervon benachrichtigt, beeilte sich im ersten Eifer, de Ja¬
cobis und seinen Throncandidaten in den Bann zu thun. Bei näherer Ueber-
legung aber erkannte er, daß er damit nicht viel ausrichten würde. Er begab
sich daher in das Zelt des Kaffa und versprach, für seine Wahl zu wirken,
wenn er de Jacobis fallen lassen und des Landes verweisen wolle. Kaffa
schlug ein, wurde zum Negus von Aethiopien gekrönt und ließ darauf den ge¬
täuschten Missionär mit aller Artigkeit über die Grenze schaffen.

Uhle griff jetzt zum Schwert, aber zu seinem Unglück. Im Februar 185S
traf sein Heer mit der Armee Kassas auf der Ebene von Dereskie zusammen,
und da Kokobie sich im Verlauf der Schlacht auf die Seite des letzteren wandte,
erfochten die Andaras (die Abyssinier) einen vollständigen Sieg. Chetu, der
Sohn Abies, blieb mit einer großen Anzahl von Tigrinern auf dem Platze,
der alte Fürst selbst gerieth in Gefangenschaft, und am folgenden Tage zog
Kaffa triumphirend in die Kirche, welche Uhle von dem bekannten deut¬
schen Naturforscher Schimper zu seiner eignen Krönung bereits hatte Herrichten
lassen. Der Abuna rief den Sieger hier nochmals zum Negus aus, und Kaffa.


Kaffa wandte sich nun gegen Beurru, den Sohn des Goedo, der sich auf
dem Umba Dschebela verschanzt hatte. Die Frau desselben wurde bestochen,
ihren Gatten an seinen Gegner zu verrathen, und Beurru gerieth in Gefangen¬
schaft. Ganz Centralhabesch war jetzt unterworfen, und nur das Vicekönigreich
Tigre, wo der alte schlaue Uhle herrschte, war noch zu erobern. Auch dies ge¬
lang, zum Theil durch kluge Politik, zum Theil durch Waffengewalt. Kaffa,
der jetzt daran denken konnte, sich zum Negus krönen zu lassen, schickte an Uhle,
der dieselbe Absicht hegte, den Abuna Salama, das Oberhaupt der abyssinischen
Kirche, und ließ ihn auffordern, ihm als Oberlehnsherrn Tribut zu entrichten.
Uhle antwortete ausweichend, sandte aber Geschenke und ließ durch seinen Feld¬
herrn Kokobie in Gondar mit Kaffa Unterhandlungen anknüpfen, welche die
Angelegenheit in die Länge ziehen sollten. Inzwischen verständigte ^er sich in
Ätna, seiner Residenz, mit dem Abuna dahin, daß dieser sich bei der Wahl des
Negus für ihn erklären sollte. Der Abuna ging darauf ein, da es ihm leichter
schien, seine Macht einem alten Fürsten gegenüber zu behaupten, als gegenüber
dem jungen und energischen Kaffa. Aber andererseits wußte letzterer den Ge¬
sandten Abies auf seine Seite zu bringen, und auch für Abuna Satanas
Treue gegen Uhle hatte er eine Falle bereit. In Ätna lebte seit langen Jah¬
ren der katholische Missionär de Jacobis, der sich in Habesch den Ruf eines
Heiligen erworben hatte und mit diesem im ganzen Lande des höchsten Ansehns
genoß. Als der Tag der Wahl herbeikam, erschien neben Salama Plötzlich, von
Kaffa insgeheim herbeigerufen und mit dessen Versprechen in der Tasche, wenn
Kaffa zum Negus gewählt würde, so solle er aus dessen Händen die Abuna-
würde empfangen, auch dieser Gottesmann, um sein Gewicht in die Wagschale
zu legen. Salama, hiervon benachrichtigt, beeilte sich im ersten Eifer, de Ja¬
cobis und seinen Throncandidaten in den Bann zu thun. Bei näherer Ueber-
legung aber erkannte er, daß er damit nicht viel ausrichten würde. Er begab
sich daher in das Zelt des Kaffa und versprach, für seine Wahl zu wirken,
wenn er de Jacobis fallen lassen und des Landes verweisen wolle. Kaffa
schlug ein, wurde zum Negus von Aethiopien gekrönt und ließ darauf den ge¬
täuschten Missionär mit aller Artigkeit über die Grenze schaffen.

Uhle griff jetzt zum Schwert, aber zu seinem Unglück. Im Februar 185S
traf sein Heer mit der Armee Kassas auf der Ebene von Dereskie zusammen,
und da Kokobie sich im Verlauf der Schlacht auf die Seite des letzteren wandte,
erfochten die Andaras (die Abyssinier) einen vollständigen Sieg. Chetu, der
Sohn Abies, blieb mit einer großen Anzahl von Tigrinern auf dem Platze,
der alte Fürst selbst gerieth in Gefangenschaft, und am folgenden Tage zog
Kaffa triumphirend in die Kirche, welche Uhle von dem bekannten deut¬
schen Naturforscher Schimper zu seiner eignen Krönung bereits hatte Herrichten
lassen. Der Abuna rief den Sieger hier nochmals zum Negus aus, und Kaffa.


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[0148] Kaffa wandte sich nun gegen Beurru, den Sohn des Goedo, der sich auf dem Umba Dschebela verschanzt hatte. Die Frau desselben wurde bestochen, ihren Gatten an seinen Gegner zu verrathen, und Beurru gerieth in Gefangen¬ schaft. Ganz Centralhabesch war jetzt unterworfen, und nur das Vicekönigreich Tigre, wo der alte schlaue Uhle herrschte, war noch zu erobern. Auch dies ge¬ lang, zum Theil durch kluge Politik, zum Theil durch Waffengewalt. Kaffa, der jetzt daran denken konnte, sich zum Negus krönen zu lassen, schickte an Uhle, der dieselbe Absicht hegte, den Abuna Salama, das Oberhaupt der abyssinischen Kirche, und ließ ihn auffordern, ihm als Oberlehnsherrn Tribut zu entrichten. Uhle antwortete ausweichend, sandte aber Geschenke und ließ durch seinen Feld¬ herrn Kokobie in Gondar mit Kaffa Unterhandlungen anknüpfen, welche die Angelegenheit in die Länge ziehen sollten. Inzwischen verständigte ^er sich in Ätna, seiner Residenz, mit dem Abuna dahin, daß dieser sich bei der Wahl des Negus für ihn erklären sollte. Der Abuna ging darauf ein, da es ihm leichter schien, seine Macht einem alten Fürsten gegenüber zu behaupten, als gegenüber dem jungen und energischen Kaffa. Aber andererseits wußte letzterer den Ge¬ sandten Abies auf seine Seite zu bringen, und auch für Abuna Satanas Treue gegen Uhle hatte er eine Falle bereit. In Ätna lebte seit langen Jah¬ ren der katholische Missionär de Jacobis, der sich in Habesch den Ruf eines Heiligen erworben hatte und mit diesem im ganzen Lande des höchsten Ansehns genoß. Als der Tag der Wahl herbeikam, erschien neben Salama Plötzlich, von Kaffa insgeheim herbeigerufen und mit dessen Versprechen in der Tasche, wenn Kaffa zum Negus gewählt würde, so solle er aus dessen Händen die Abuna- würde empfangen, auch dieser Gottesmann, um sein Gewicht in die Wagschale zu legen. Salama, hiervon benachrichtigt, beeilte sich im ersten Eifer, de Ja¬ cobis und seinen Throncandidaten in den Bann zu thun. Bei näherer Ueber- legung aber erkannte er, daß er damit nicht viel ausrichten würde. Er begab sich daher in das Zelt des Kaffa und versprach, für seine Wahl zu wirken, wenn er de Jacobis fallen lassen und des Landes verweisen wolle. Kaffa schlug ein, wurde zum Negus von Aethiopien gekrönt und ließ darauf den ge¬ täuschten Missionär mit aller Artigkeit über die Grenze schaffen. Uhle griff jetzt zum Schwert, aber zu seinem Unglück. Im Februar 185S traf sein Heer mit der Armee Kassas auf der Ebene von Dereskie zusammen, und da Kokobie sich im Verlauf der Schlacht auf die Seite des letzteren wandte, erfochten die Andaras (die Abyssinier) einen vollständigen Sieg. Chetu, der Sohn Abies, blieb mit einer großen Anzahl von Tigrinern auf dem Platze, der alte Fürst selbst gerieth in Gefangenschaft, und am folgenden Tage zog Kaffa triumphirend in die Kirche, welche Uhle von dem bekannten deut¬ schen Naturforscher Schimper zu seiner eignen Krönung bereits hatte Herrichten lassen. Der Abuna rief den Sieger hier nochmals zum Negus aus, und Kaffa.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/148>, abgerufen am 22.07.2024.