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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Kaiser Theodor von Abysstnien.

F. H. Apel: Drei Monate in Abyssinien. Zürich, E.Meyer.

Eines der interessantesten Beispiele, wie Staaten, die gesunken sind, sich
durch energische Fürsten fast plötzlich wieder erheben, ist das abvssinische Reich,
in alter Zeit eines der mächtigsten in Ostafrika, im Mittelalter und in der Zeit
der großen Seezüge der Portugiesen weithin im Norden berühmt als das Land
des geheimnißvollen Priesters Johann, dann bis in die vierziger Jahre unsres
Jahrhunderts hinein durch Bürgerkriege geschwächt und gespalten, tief verwildert
und so gründlich herabgekommen, daß es in der Länder- und Völkerkunde nur
noch beiläufig erwähnt zu werden Pflegte, endlich aber, in den letzten beiden
Decennien, durch die rücksichtslose Energie, den Ehrgeiz und die kluge Politik
eines merkwürdigen Mannes wieder zur Einheit und Macht gelangt, so daß es
gegenwärtig sehr wohl der Mühe lohnt, einen Blick auf dasselbe zu werfen.
Häusig gedenken Zeitungsnachrichten des neu aufblühenden Reiches, wiederholt
versuchten England wie Frankreich mit dessen Beherrscher als dem stärksten
Nachbar Aegyptens und folglich als einem nicht außer Berechnung zu lassenden
Factor bei dem verwickelten Exempel der orientalischen Frage anzuknüpfen, zu¬
letzt machte es durch die Gefangenhaltung des Missionärs Stern und des bri¬
tischen Konsuls Cameron von sich reden, und nicht unmöglich ist, daß es dem¬
nächst durch einen Krieg mit den Türken in Aegvpten und am rothen Meer
noch weiter in das Bereich der Tagesfragen hereintritt.

Ueber das Volk von Habesch sind wir im Allgemeinen genügend unter¬
richtet. Es sind schwarze Kaukasier, der Sprache nach Semiten, hinsichtlich des
Glaubens jakobitische Christen wie die Kopten, in Sitte und Wissen arg ver¬
kümmert, aber von einer gewissen ritterlichen Haltung, im Ganzen Halbbarbaren.
Dagegen erfuhr man über den ungewöhnlichen Mann, der das alte äthiopische
Kaiserthum wieder hergestellt, so oft er auch erwähnt wurde, bis auf die letzte
Zeit nur Unzusammenhängendes und sich Widersprechendes, so daß er mitten
in der Gegenwart und keineswegs sehr weit von den Grenzen der Civilisation
entfernt, eine halb mythische Gestalt war. Durch einige neue Berichte ist jetzt
mehr Licht über diesen interessanten schwarzen Potentaten verbreitet worden,
und da dieselben den Eindruck der Zuverlässigkeit machen, so glauben wir nicht
unwillkommen zu sein, wenn wir im Folgenden versuchen, ihn nach denselben
zu charakterisier,.

Wir folgen dabei vorzüglich der neuen oben angezeigten Schrift des Eng¬
länders F. A Apel. welcher von Ende December 1864 bis Mitte März 186S


Grenzboten III. 1866. 17
Kaiser Theodor von Abysstnien.

F. H. Apel: Drei Monate in Abyssinien. Zürich, E.Meyer.

Eines der interessantesten Beispiele, wie Staaten, die gesunken sind, sich
durch energische Fürsten fast plötzlich wieder erheben, ist das abvssinische Reich,
in alter Zeit eines der mächtigsten in Ostafrika, im Mittelalter und in der Zeit
der großen Seezüge der Portugiesen weithin im Norden berühmt als das Land
des geheimnißvollen Priesters Johann, dann bis in die vierziger Jahre unsres
Jahrhunderts hinein durch Bürgerkriege geschwächt und gespalten, tief verwildert
und so gründlich herabgekommen, daß es in der Länder- und Völkerkunde nur
noch beiläufig erwähnt zu werden Pflegte, endlich aber, in den letzten beiden
Decennien, durch die rücksichtslose Energie, den Ehrgeiz und die kluge Politik
eines merkwürdigen Mannes wieder zur Einheit und Macht gelangt, so daß es
gegenwärtig sehr wohl der Mühe lohnt, einen Blick auf dasselbe zu werfen.
Häusig gedenken Zeitungsnachrichten des neu aufblühenden Reiches, wiederholt
versuchten England wie Frankreich mit dessen Beherrscher als dem stärksten
Nachbar Aegyptens und folglich als einem nicht außer Berechnung zu lassenden
Factor bei dem verwickelten Exempel der orientalischen Frage anzuknüpfen, zu¬
letzt machte es durch die Gefangenhaltung des Missionärs Stern und des bri¬
tischen Konsuls Cameron von sich reden, und nicht unmöglich ist, daß es dem¬
nächst durch einen Krieg mit den Türken in Aegvpten und am rothen Meer
noch weiter in das Bereich der Tagesfragen hereintritt.

Ueber das Volk von Habesch sind wir im Allgemeinen genügend unter¬
richtet. Es sind schwarze Kaukasier, der Sprache nach Semiten, hinsichtlich des
Glaubens jakobitische Christen wie die Kopten, in Sitte und Wissen arg ver¬
kümmert, aber von einer gewissen ritterlichen Haltung, im Ganzen Halbbarbaren.
Dagegen erfuhr man über den ungewöhnlichen Mann, der das alte äthiopische
Kaiserthum wieder hergestellt, so oft er auch erwähnt wurde, bis auf die letzte
Zeit nur Unzusammenhängendes und sich Widersprechendes, so daß er mitten
in der Gegenwart und keineswegs sehr weit von den Grenzen der Civilisation
entfernt, eine halb mythische Gestalt war. Durch einige neue Berichte ist jetzt
mehr Licht über diesen interessanten schwarzen Potentaten verbreitet worden,
und da dieselben den Eindruck der Zuverlässigkeit machen, so glauben wir nicht
unwillkommen zu sein, wenn wir im Folgenden versuchen, ihn nach denselben
zu charakterisier,.

Wir folgen dabei vorzüglich der neuen oben angezeigten Schrift des Eng¬
länders F. A Apel. welcher von Ende December 1864 bis Mitte März 186S


Grenzboten III. 1866. 17
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[0145] Kaiser Theodor von Abysstnien. F. H. Apel: Drei Monate in Abyssinien. Zürich, E.Meyer. Eines der interessantesten Beispiele, wie Staaten, die gesunken sind, sich durch energische Fürsten fast plötzlich wieder erheben, ist das abvssinische Reich, in alter Zeit eines der mächtigsten in Ostafrika, im Mittelalter und in der Zeit der großen Seezüge der Portugiesen weithin im Norden berühmt als das Land des geheimnißvollen Priesters Johann, dann bis in die vierziger Jahre unsres Jahrhunderts hinein durch Bürgerkriege geschwächt und gespalten, tief verwildert und so gründlich herabgekommen, daß es in der Länder- und Völkerkunde nur noch beiläufig erwähnt zu werden Pflegte, endlich aber, in den letzten beiden Decennien, durch die rücksichtslose Energie, den Ehrgeiz und die kluge Politik eines merkwürdigen Mannes wieder zur Einheit und Macht gelangt, so daß es gegenwärtig sehr wohl der Mühe lohnt, einen Blick auf dasselbe zu werfen. Häusig gedenken Zeitungsnachrichten des neu aufblühenden Reiches, wiederholt versuchten England wie Frankreich mit dessen Beherrscher als dem stärksten Nachbar Aegyptens und folglich als einem nicht außer Berechnung zu lassenden Factor bei dem verwickelten Exempel der orientalischen Frage anzuknüpfen, zu¬ letzt machte es durch die Gefangenhaltung des Missionärs Stern und des bri¬ tischen Konsuls Cameron von sich reden, und nicht unmöglich ist, daß es dem¬ nächst durch einen Krieg mit den Türken in Aegvpten und am rothen Meer noch weiter in das Bereich der Tagesfragen hereintritt. Ueber das Volk von Habesch sind wir im Allgemeinen genügend unter¬ richtet. Es sind schwarze Kaukasier, der Sprache nach Semiten, hinsichtlich des Glaubens jakobitische Christen wie die Kopten, in Sitte und Wissen arg ver¬ kümmert, aber von einer gewissen ritterlichen Haltung, im Ganzen Halbbarbaren. Dagegen erfuhr man über den ungewöhnlichen Mann, der das alte äthiopische Kaiserthum wieder hergestellt, so oft er auch erwähnt wurde, bis auf die letzte Zeit nur Unzusammenhängendes und sich Widersprechendes, so daß er mitten in der Gegenwart und keineswegs sehr weit von den Grenzen der Civilisation entfernt, eine halb mythische Gestalt war. Durch einige neue Berichte ist jetzt mehr Licht über diesen interessanten schwarzen Potentaten verbreitet worden, und da dieselben den Eindruck der Zuverlässigkeit machen, so glauben wir nicht unwillkommen zu sein, wenn wir im Folgenden versuchen, ihn nach denselben zu charakterisier,. Wir folgen dabei vorzüglich der neuen oben angezeigten Schrift des Eng¬ länders F. A Apel. welcher von Ende December 1864 bis Mitte März 186S Grenzboten III. 1866. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/145>, abgerufen am 22.07.2024.