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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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setze meine Hoffnung auf Gott, der unsre Familie so sichtbar beschützt hat, daß
er jene Anschläge vereiteln wird. Darum wünsche ich auch.'daß die Königin
sich sobald als möglich mit Ihnen vereinige, damit sie Ihnen ehestens einen
Leibeserben und auch uns, so Gott will, Nachfolge schenke. Ist unser Haus
in mehren Zweigen befestigt, wird man unmöglich zu schlechten Mitteln greisen
können, um sie zu beseitigen; aber so lange nur ein einziger Sprosse da ist,
scheint die Sache leicht und verlockend. Man muß auch darauf Acht haben, ob
der junge Mann nicht schlechte Freunde hat, die ihn in Ausschweifungen zu
stürzen trachten, und ein scharfes Auge auf die Personen seiner Umgebung
richten.

Die östreichischen Umtriebe gegen die Erbfolge in Sardinien gehen aber noch
weiter bis zur Heirath des Herzogs von Modena im Jahre 1812 hinauf. Die
Bourbonen von Neapel und von Frankreich hatten schon vor dem wiener Kongreß
Wind davon bekommen. In den Jnstructionen Ludwigs des Achtzehnter an
Talleyrand befand sich folgende Stelle: Bezüglich der Erbfolgerechte im Haus
Savoyen könnten sich gar keine Zweifel erheben, wenn nicht Oestreich, welches
direct oder mittelst seiner Erzherzöge ganz Oberitalien zu besitzen strebt, ein
Interesse daran hätte solche Zweifel auszuwerfen, und wenn es zu diesem Zwecke
nicht bereits den Verwand der Heirath des Erzherzogs Franz mit der ältesten
Tochter Victor Emanuels in Bereitschaft hätte. Dem wiener Hof wird es ge¬
nügen, den Ansprüchen, welche Erzherzog Franz entweder aus eigenem oder aus
Oestreichs Antrieb erheben wird, die Eigenschaft von Rechten zuzuerkennen, um
sich dann das Recht anzumaßen, jene Ansprüche mit Waffengewalt zu unterstützen.
Dem allem ist dadurch zuvorzukommen, daß man das Erbrecht der Linie Carignan
durch eine Anerkennung, welche jeden Streit ausschließt, gegen alle Anfechtung
sicher stellt.

Talleyrand suchte in Wien sofort das Terrain zu sondiren. Oestreichs
Wunsch, bemerkte er bald, war, daß der Congreß sich gar nicht mit der Thron¬
folge in Sardinien beschäftige. Eines Tages sagte Talleyrand zu San Marzano:
Es wird gut sein, wenn ich Ihnen mittheile, daß der König, mein Herr, die
Thronfolge in Sardinien als eine Sache von europäischem Interesse betrachtet.
Wenn wirklich Victor Emanuel und sein erlauchter Bruder ohne männliche
Nachkommen sterben sollten, könnte Oestreich den Anspruch erheben, die Staaten
der Krone Sardinien mit denen eines Prinzen seines Hauses zu vereinigen;
dies würde unzweifelhaft einen europäischen Krieg hervorrufen. Es liegt des>
halb viel daran sich vorzusehen, um Europa vor einem neuen Sturm zu be¬
wahren. Andrerseits macht es für Frankreich, wenn es zur Vergrößerung der
Staaten des Hauses Savoyen mitwirkt, einen großen Unterschied, ob man dabei
gewiß ist, daß es dieselben auch in Zukunft besitzen wird, oder ob man die
Eventualität berücksichtigen muß, sie in den Besitz eines östreichischen Erzherzogs


setze meine Hoffnung auf Gott, der unsre Familie so sichtbar beschützt hat, daß
er jene Anschläge vereiteln wird. Darum wünsche ich auch.'daß die Königin
sich sobald als möglich mit Ihnen vereinige, damit sie Ihnen ehestens einen
Leibeserben und auch uns, so Gott will, Nachfolge schenke. Ist unser Haus
in mehren Zweigen befestigt, wird man unmöglich zu schlechten Mitteln greisen
können, um sie zu beseitigen; aber so lange nur ein einziger Sprosse da ist,
scheint die Sache leicht und verlockend. Man muß auch darauf Acht haben, ob
der junge Mann nicht schlechte Freunde hat, die ihn in Ausschweifungen zu
stürzen trachten, und ein scharfes Auge auf die Personen seiner Umgebung
richten.

Die östreichischen Umtriebe gegen die Erbfolge in Sardinien gehen aber noch
weiter bis zur Heirath des Herzogs von Modena im Jahre 1812 hinauf. Die
Bourbonen von Neapel und von Frankreich hatten schon vor dem wiener Kongreß
Wind davon bekommen. In den Jnstructionen Ludwigs des Achtzehnter an
Talleyrand befand sich folgende Stelle: Bezüglich der Erbfolgerechte im Haus
Savoyen könnten sich gar keine Zweifel erheben, wenn nicht Oestreich, welches
direct oder mittelst seiner Erzherzöge ganz Oberitalien zu besitzen strebt, ein
Interesse daran hätte solche Zweifel auszuwerfen, und wenn es zu diesem Zwecke
nicht bereits den Verwand der Heirath des Erzherzogs Franz mit der ältesten
Tochter Victor Emanuels in Bereitschaft hätte. Dem wiener Hof wird es ge¬
nügen, den Ansprüchen, welche Erzherzog Franz entweder aus eigenem oder aus
Oestreichs Antrieb erheben wird, die Eigenschaft von Rechten zuzuerkennen, um
sich dann das Recht anzumaßen, jene Ansprüche mit Waffengewalt zu unterstützen.
Dem allem ist dadurch zuvorzukommen, daß man das Erbrecht der Linie Carignan
durch eine Anerkennung, welche jeden Streit ausschließt, gegen alle Anfechtung
sicher stellt.

Talleyrand suchte in Wien sofort das Terrain zu sondiren. Oestreichs
Wunsch, bemerkte er bald, war, daß der Congreß sich gar nicht mit der Thron¬
folge in Sardinien beschäftige. Eines Tages sagte Talleyrand zu San Marzano:
Es wird gut sein, wenn ich Ihnen mittheile, daß der König, mein Herr, die
Thronfolge in Sardinien als eine Sache von europäischem Interesse betrachtet.
Wenn wirklich Victor Emanuel und sein erlauchter Bruder ohne männliche
Nachkommen sterben sollten, könnte Oestreich den Anspruch erheben, die Staaten
der Krone Sardinien mit denen eines Prinzen seines Hauses zu vereinigen;
dies würde unzweifelhaft einen europäischen Krieg hervorrufen. Es liegt des>
halb viel daran sich vorzusehen, um Europa vor einem neuen Sturm zu be¬
wahren. Andrerseits macht es für Frankreich, wenn es zur Vergrößerung der
Staaten des Hauses Savoyen mitwirkt, einen großen Unterschied, ob man dabei
gewiß ist, daß es dieselben auch in Zukunft besitzen wird, oder ob man die
Eventualität berücksichtigen muß, sie in den Besitz eines östreichischen Erzherzogs


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/114>, abgerufen am 22.07.2024.