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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Merkwürdigkeiten stand, so erstaunte er gewöhnlich, wie leicht er Zugang fand,
und wie freundlich er aufgenommen wurde.

Uebrigens war man im Ganzen in der ländlichen Abgeschiedenheit der
koburger Gegend von selbst vor allem eigentlichen Fremdenandrang geschützt.
Erst die Verbindung mit dem großen deutschen Eisenbahnnetz, die seit 1858
hergestellt wurde, brachte die Stadt und ihre Umgebung etwas mehr in Verkehr
mit der übrigen Welt. Da sich nun zugleich damit auch die Gunst' des rei-
senden Publikums der landschaftlichen Schönheit dieses bis dahin wenig be¬
kannten Nordwintels von Franken zuwandte und Koburg auf einmal zu dem
Renommee eines sogenannten Glanzpunktes gelangte, so strömten seit dieser
Zeit allerdings viel größere Schwärme von Touristen heran und flutheten auch
gelegentlich bis an die umbuschte Gartenpforte in Neuses. Aber vor dieser
machten sie gewöhnlich Halt, weil sie nach ihren in Koburg selbst eingezogenen Er-
kundigungen annahmen, daß eine weitere Annäherung doch nicht gut möglich
sei. Natürlich geschah nichts, um diesen, für das friedliche Dasein und das
Behagen des Dichters so förderlichen Irrthum zu zerstören, aber jetzt, wo die
Gründe, die ihn erhalten ließen, leider aufgehört haben, darf man wohl darauf
Anweisen, wie er entstanden ist. Das Bild Friedrich Rückerts verdient es auch.
v°n allen den kleinen ungehörigen Zuthaten befreit zu werden - Flecken kann
sie selbstverständlich nickt nennen - mit denen es einem großen Theile
derer. die überhaupt etwas von ihm wußten und Interesse an ihm nahmen,
entgegengetreten ist. Wenn ugcndjcmand das Gegentheil eines menschenscheuen
Misanthropen, oder eines einsiedlerischen Grillenfängers gewesen ist. so war er
°s. und trotzdem ist es nicht allen, die es begehrten, gelungen, ,hre Neug.erde
"der auch eine bessere Regung, die sie zu ihm führte, zu befriedigen. Zum
Ersatz für fo manche Gabe der Welt, auf die er in seiner ländlichen Zurück-
gezogenheit verzichten mußte, durste man es ihm wohl vergönnen, seine Zeit
und seine Stimmung nicht durch Andere verderben zu lassen, die doch nichts
">"ter für sich verlangten, als das Factum ihn gesehen und gesprochen zu haben.

Sobald es sich um irgendeine Art von Hilfe und Förderung handelte,
die jemand von ihm begehrte, verschwanden alle die unschuldigen Pallisaden
Von selbst, hinter denen er seine Ruhe verschanzt hielt. Jeder, der in wissen¬
schaftlichen Dingen oder überhaupt in Angelegenheiten aus dem Bereiche der
Listigen Interessen in allgemeinster Bedeutung des Wortes seines Rathes und
Beistandes begehrte, konnte sicher darauf rechnen ihn zu erhalten. Dann hörte
auch bei seiner Umgebung jede Furcht vor einer unwillkommenen Störung aus.
und selbst die Thür des Arbeitszimmers erschloß sich einem solchen Gaste eher als
dem zuversichtlichsten und selbstbewußtesten oder irgendwie sonst mit Ansprüchen
auf besondere Auszeichnung ausgestatteten Besucher. Womöglich noch zugäng-
licher war er für die gewöhnliche Bedürftigkeit des täglichen Lebens. Er hatte


Merkwürdigkeiten stand, so erstaunte er gewöhnlich, wie leicht er Zugang fand,
und wie freundlich er aufgenommen wurde.

Uebrigens war man im Ganzen in der ländlichen Abgeschiedenheit der
koburger Gegend von selbst vor allem eigentlichen Fremdenandrang geschützt.
Erst die Verbindung mit dem großen deutschen Eisenbahnnetz, die seit 1858
hergestellt wurde, brachte die Stadt und ihre Umgebung etwas mehr in Verkehr
mit der übrigen Welt. Da sich nun zugleich damit auch die Gunst' des rei-
senden Publikums der landschaftlichen Schönheit dieses bis dahin wenig be¬
kannten Nordwintels von Franken zuwandte und Koburg auf einmal zu dem
Renommee eines sogenannten Glanzpunktes gelangte, so strömten seit dieser
Zeit allerdings viel größere Schwärme von Touristen heran und flutheten auch
gelegentlich bis an die umbuschte Gartenpforte in Neuses. Aber vor dieser
machten sie gewöhnlich Halt, weil sie nach ihren in Koburg selbst eingezogenen Er-
kundigungen annahmen, daß eine weitere Annäherung doch nicht gut möglich
sei. Natürlich geschah nichts, um diesen, für das friedliche Dasein und das
Behagen des Dichters so förderlichen Irrthum zu zerstören, aber jetzt, wo die
Gründe, die ihn erhalten ließen, leider aufgehört haben, darf man wohl darauf
Anweisen, wie er entstanden ist. Das Bild Friedrich Rückerts verdient es auch.
v°n allen den kleinen ungehörigen Zuthaten befreit zu werden - Flecken kann
sie selbstverständlich nickt nennen - mit denen es einem großen Theile
derer. die überhaupt etwas von ihm wußten und Interesse an ihm nahmen,
entgegengetreten ist. Wenn ugcndjcmand das Gegentheil eines menschenscheuen
Misanthropen, oder eines einsiedlerischen Grillenfängers gewesen ist. so war er
°s. und trotzdem ist es nicht allen, die es begehrten, gelungen, ,hre Neug.erde
"der auch eine bessere Regung, die sie zu ihm führte, zu befriedigen. Zum
Ersatz für fo manche Gabe der Welt, auf die er in seiner ländlichen Zurück-
gezogenheit verzichten mußte, durste man es ihm wohl vergönnen, seine Zeit
und seine Stimmung nicht durch Andere verderben zu lassen, die doch nichts
">"ter für sich verlangten, als das Factum ihn gesehen und gesprochen zu haben.

Sobald es sich um irgendeine Art von Hilfe und Förderung handelte,
die jemand von ihm begehrte, verschwanden alle die unschuldigen Pallisaden
Von selbst, hinter denen er seine Ruhe verschanzt hielt. Jeder, der in wissen¬
schaftlichen Dingen oder überhaupt in Angelegenheiten aus dem Bereiche der
Listigen Interessen in allgemeinster Bedeutung des Wortes seines Rathes und
Beistandes begehrte, konnte sicher darauf rechnen ihn zu erhalten. Dann hörte
auch bei seiner Umgebung jede Furcht vor einer unwillkommenen Störung aus.
und selbst die Thür des Arbeitszimmers erschloß sich einem solchen Gaste eher als
dem zuversichtlichsten und selbstbewußtesten oder irgendwie sonst mit Ansprüchen
auf besondere Auszeichnung ausgestatteten Besucher. Womöglich noch zugäng-
licher war er für die gewöhnliche Bedürftigkeit des täglichen Lebens. Er hatte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/83>, abgerufen am 28.07.2024.