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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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lichkeiten. Er will Feuer in seinem Kamin haben. Der schwarze Zambo. der
ihn bedient, fährt nur mit einem Zündholz über die gußeisernen Reisigbündel,
die im Kamin angebracht sind, und eine Menge kleiner Gasflammen verbreiten
eine behagliche Wärme.

"Volk von Barbaren!" ruft Smith voll Zorn aus, während er sich wärmt,
"Volk von Barbaren! du hast weder Feuerhaken, noch Zange, noch Blasebalg,
noch Kohlen, noch Rauch! Volk von Barbaren! du kennst nicht einmal das
Vergnügen, Feuer zu schüren und in den Kohlen zu rühren! Nur einen Hahn
umdrehen zu müssen, um sein Feuer anzuzünden und es zu regeln -- das ist
die Erfindung einer Race ohne Poesie, welche eine Minute zu verlieren fürch¬
tet, weil Zeit Geld ist!"

Eine kleine Leitung versorgt sein Ankleidezimmer fortwährend mit kaltem
und warmem Wasser, und als es ihn gar verlangt, sich zu baden, findet er,
daß neben jedem Schlafzimmer ein bequemes Badezimmer eingerichtet ist.

Diese Entdeckung bringt ihn vollends aus der Fassung. " -- Gewiß wer¬
den noch zweihundert Jahre vergehen, bevor mein edles Frankreich zu der aus¬
gesuchten Weichlichkeit dieser weibischen Sauberkeit herabsinken wird!"

Er verflucht diese entsetzlichen amerikanischen Häuser, in welchen man
alles findet, was man nur verlangen kann, und die deshalb so ungesellig
sind und Gefängnissen gleichen. In Paris in Frankreich hat man doch das
Vergnügen, alles das außerhalb des Hauses suchen zu können. Es kostet das
freilich viel Geld dort, aber dafür ist es auch hübsch weit.

Nach dieser ersten bittern Erfahrung macht er sich auf, sein Haus genauer
zu untersuchen. Er darf ja nicht gestehen, daß er es nicht kennt, alle Leute
würden ihn ja für wahnsinnig halten, und man würde ihn einsperren.

Doch wie wird er seine Frau und seine Kinder finden? Werden sie auch
verändert sein, wie sein Haus? Das Herz klopft ihm beim Eintritt in das
Eßzimmer. Doch niemand ist da, und er hat Muße, die Porträts an der
Wand zu prüfen. Es sind die Bilder von Peru. Washington und Lincoln.

"Das also." ruft er aus. "sind die Schutzgeister meines neuen Herdes,
und ich bin doch ein Franzose, erzogen in dem Cultus der Macht und des
Erfolgs! Ein friedlicher Quäker -- ein General, welcher Kaiser einer neuen
Welt hätte werden können, und sich erniedrigte, der erste Beamte eines freien
Volks zu bleiben, -- und ein Arbeiter, der es durch seinen Fleiß bis zum Ad-
vocaten bringt und durch Zufall Präsident seines Landes wird! In diesem
halbwilden Lande haben die vornehmen Leute noch dieselbe Moral, wie die
Bürgerlichen! Was kann man von einer Nation erwarten, die noch solche
Vorurtheile hat. Wahrlich, nicht sie wird der Welt einen neuen Cäsar
schenken!"


Brenzboten II. 1866. 6ü

lichkeiten. Er will Feuer in seinem Kamin haben. Der schwarze Zambo. der
ihn bedient, fährt nur mit einem Zündholz über die gußeisernen Reisigbündel,
die im Kamin angebracht sind, und eine Menge kleiner Gasflammen verbreiten
eine behagliche Wärme.

„Volk von Barbaren!" ruft Smith voll Zorn aus, während er sich wärmt,
„Volk von Barbaren! du hast weder Feuerhaken, noch Zange, noch Blasebalg,
noch Kohlen, noch Rauch! Volk von Barbaren! du kennst nicht einmal das
Vergnügen, Feuer zu schüren und in den Kohlen zu rühren! Nur einen Hahn
umdrehen zu müssen, um sein Feuer anzuzünden und es zu regeln — das ist
die Erfindung einer Race ohne Poesie, welche eine Minute zu verlieren fürch¬
tet, weil Zeit Geld ist!"

Eine kleine Leitung versorgt sein Ankleidezimmer fortwährend mit kaltem
und warmem Wasser, und als es ihn gar verlangt, sich zu baden, findet er,
daß neben jedem Schlafzimmer ein bequemes Badezimmer eingerichtet ist.

Diese Entdeckung bringt ihn vollends aus der Fassung. „ — Gewiß wer¬
den noch zweihundert Jahre vergehen, bevor mein edles Frankreich zu der aus¬
gesuchten Weichlichkeit dieser weibischen Sauberkeit herabsinken wird!"

Er verflucht diese entsetzlichen amerikanischen Häuser, in welchen man
alles findet, was man nur verlangen kann, und die deshalb so ungesellig
sind und Gefängnissen gleichen. In Paris in Frankreich hat man doch das
Vergnügen, alles das außerhalb des Hauses suchen zu können. Es kostet das
freilich viel Geld dort, aber dafür ist es auch hübsch weit.

Nach dieser ersten bittern Erfahrung macht er sich auf, sein Haus genauer
zu untersuchen. Er darf ja nicht gestehen, daß er es nicht kennt, alle Leute
würden ihn ja für wahnsinnig halten, und man würde ihn einsperren.

Doch wie wird er seine Frau und seine Kinder finden? Werden sie auch
verändert sein, wie sein Haus? Das Herz klopft ihm beim Eintritt in das
Eßzimmer. Doch niemand ist da, und er hat Muße, die Porträts an der
Wand zu prüfen. Es sind die Bilder von Peru. Washington und Lincoln.

„Das also." ruft er aus. „sind die Schutzgeister meines neuen Herdes,
und ich bin doch ein Franzose, erzogen in dem Cultus der Macht und des
Erfolgs! Ein friedlicher Quäker — ein General, welcher Kaiser einer neuen
Welt hätte werden können, und sich erniedrigte, der erste Beamte eines freien
Volks zu bleiben, — und ein Arbeiter, der es durch seinen Fleiß bis zum Ad-
vocaten bringt und durch Zufall Präsident seines Landes wird! In diesem
halbwilden Lande haben die vornehmen Leute noch dieselbe Moral, wie die
Bürgerlichen! Was kann man von einer Nation erwarten, die noch solche
Vorurtheile hat. Wahrlich, nicht sie wird der Welt einen neuen Cäsar
schenken!"


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[0547] lichkeiten. Er will Feuer in seinem Kamin haben. Der schwarze Zambo. der ihn bedient, fährt nur mit einem Zündholz über die gußeisernen Reisigbündel, die im Kamin angebracht sind, und eine Menge kleiner Gasflammen verbreiten eine behagliche Wärme. „Volk von Barbaren!" ruft Smith voll Zorn aus, während er sich wärmt, „Volk von Barbaren! du hast weder Feuerhaken, noch Zange, noch Blasebalg, noch Kohlen, noch Rauch! Volk von Barbaren! du kennst nicht einmal das Vergnügen, Feuer zu schüren und in den Kohlen zu rühren! Nur einen Hahn umdrehen zu müssen, um sein Feuer anzuzünden und es zu regeln — das ist die Erfindung einer Race ohne Poesie, welche eine Minute zu verlieren fürch¬ tet, weil Zeit Geld ist!" Eine kleine Leitung versorgt sein Ankleidezimmer fortwährend mit kaltem und warmem Wasser, und als es ihn gar verlangt, sich zu baden, findet er, daß neben jedem Schlafzimmer ein bequemes Badezimmer eingerichtet ist. Diese Entdeckung bringt ihn vollends aus der Fassung. „ — Gewiß wer¬ den noch zweihundert Jahre vergehen, bevor mein edles Frankreich zu der aus¬ gesuchten Weichlichkeit dieser weibischen Sauberkeit herabsinken wird!" Er verflucht diese entsetzlichen amerikanischen Häuser, in welchen man alles findet, was man nur verlangen kann, und die deshalb so ungesellig sind und Gefängnissen gleichen. In Paris in Frankreich hat man doch das Vergnügen, alles das außerhalb des Hauses suchen zu können. Es kostet das freilich viel Geld dort, aber dafür ist es auch hübsch weit. Nach dieser ersten bittern Erfahrung macht er sich auf, sein Haus genauer zu untersuchen. Er darf ja nicht gestehen, daß er es nicht kennt, alle Leute würden ihn ja für wahnsinnig halten, und man würde ihn einsperren. Doch wie wird er seine Frau und seine Kinder finden? Werden sie auch verändert sein, wie sein Haus? Das Herz klopft ihm beim Eintritt in das Eßzimmer. Doch niemand ist da, und er hat Muße, die Porträts an der Wand zu prüfen. Es sind die Bilder von Peru. Washington und Lincoln. „Das also." ruft er aus. „sind die Schutzgeister meines neuen Herdes, und ich bin doch ein Franzose, erzogen in dem Cultus der Macht und des Erfolgs! Ein friedlicher Quäker — ein General, welcher Kaiser einer neuen Welt hätte werden können, und sich erniedrigte, der erste Beamte eines freien Volks zu bleiben, — und ein Arbeiter, der es durch seinen Fleiß bis zum Ad- vocaten bringt und durch Zufall Präsident seines Landes wird! In diesem halbwilden Lande haben die vornehmen Leute noch dieselbe Moral, wie die Bürgerlichen! Was kann man von einer Nation erwarten, die noch solche Vorurtheile hat. Wahrlich, nicht sie wird der Welt einen neuen Cäsar schenken!" Brenzboten II. 1866. 6ü

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/547>, abgerufen am 28.07.2024.