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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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daß wir mit einem im Ganzen consequenten, über die Ziele sicheren, über die
Mittel nicht wählerischen System zu rechnen haben. Wir glauben ferner, daß
der Schwerpunkt dieses Systems weit mehr in der Behandlung der deutschen
Frage (natürlich wie Graf Bismarck sie versteht), als in der Aufrichtung des
reactionären Regiments im Innern beruht. Nicht als ob letzteres ihm unsym¬
pathisch gewesen wäre, -- aber seit der hohen Schule in Frankfurt stand es
ihm doch nur in zweiter Linie; es war das Mittel für ihn, zur Macht zu ge¬
langen, um dann aus dieser Position heraus die Stellung Preußens nach
außen, deren schmachvolle Einflußlosigkeit er selbst bitter empfunden hatte, von
Grund aus umzugestalten. Uebrigens wie dem auch sei: mag die Permanenz-
erklärung der Verfassungsverletzung Endzweck oder nur Mittel gewesen sein. --
zuviel ist geschehen, was nicht in wenig Wochen vergessen werden kann, ein
Vergleich zwischen dem gegenwärtigen Ministerium Bismarck und der liberalen
Partei ist unmöglich; wohl aber dürfen wir der nicht gewöhnlichen Begabung des
Mannes Anerkennung, der Energie seines patriotischen Empfindens, wieweit es
auch in der Art von dem unsern abweiche, Achtung zollen.

Dieser unserer Auffassung entspricht es, wenn wir annehmen, daß Graf
Bismarck die Allianz mit Oestreich in der- festen Absicht geschlossen hat, Preußen
gekräftigt daraus hervorgehen zu lassen. Und zwar wird er schon damals die
Eventualitäten, unter denen dies zu ermöglichen wäre, in Betracht gezogen
haben; selbstverständlich nur mit dem Auge des Diplomaten, der kühl die
realen Machtverhältnisse berechnet und moralische Factoren zu gering anschlägt.
Von diesem Standpunkt aus erforderte eine Kräftigung Preußens in Deutsch¬
land vorerst eine Trennung der dem Staat bisher ungeneigter Kräfte, also
Oestreichs und des Bundes; und so weit war der Abschluß der preußisch-östreichi¬
schen Allianz, der diese Trennung einleitete, zumal kurz nach dem frankfurter
Fürstencongreß allerdings ein glänzender Schachzug. Und in gleicher Weise
wurde weiter operirt: am 1. Februar begann der Krieg, und schon im Februar
stöhnte Oestreich unter der eisernen Umarmung seines Bundesgenossen. Schlag
nach Schlag siel auf den Bund; man drohte, man imponirte mit seiner Gro߬
machtsstellung, man terrorisirte, man ignorirte; und das alles gemeinsam, zu
Ehren der Allianz; gemeinsam endlich drängte man die Bundestruppen aus
Holstein, -- der Bruch zwischen Oestreich und seinen früheren guten Freunden
war vollendet. Jetzt wandte sich Bismarck auch gegen Oestreich. Es folgten
Herausforderungen und Demüthigungen, eigenmächtig ward Polizei geübt,
eigenmächtig der fieler Hafen occupirt; Oestreich wollte die preußische Allianz
nicht aufgeben, und die Condominatsperiode schloß mit Gastein. Schon da¬
mals schien Bismarck zum Aeußersten entschlossen; über ihre Minister hinweg
fanden die beiden Herrscher noch einmal die versöhnende Formel.


Grenzboten II. 18S6. 60

daß wir mit einem im Ganzen consequenten, über die Ziele sicheren, über die
Mittel nicht wählerischen System zu rechnen haben. Wir glauben ferner, daß
der Schwerpunkt dieses Systems weit mehr in der Behandlung der deutschen
Frage (natürlich wie Graf Bismarck sie versteht), als in der Aufrichtung des
reactionären Regiments im Innern beruht. Nicht als ob letzteres ihm unsym¬
pathisch gewesen wäre, — aber seit der hohen Schule in Frankfurt stand es
ihm doch nur in zweiter Linie; es war das Mittel für ihn, zur Macht zu ge¬
langen, um dann aus dieser Position heraus die Stellung Preußens nach
außen, deren schmachvolle Einflußlosigkeit er selbst bitter empfunden hatte, von
Grund aus umzugestalten. Uebrigens wie dem auch sei: mag die Permanenz-
erklärung der Verfassungsverletzung Endzweck oder nur Mittel gewesen sein. —
zuviel ist geschehen, was nicht in wenig Wochen vergessen werden kann, ein
Vergleich zwischen dem gegenwärtigen Ministerium Bismarck und der liberalen
Partei ist unmöglich; wohl aber dürfen wir der nicht gewöhnlichen Begabung des
Mannes Anerkennung, der Energie seines patriotischen Empfindens, wieweit es
auch in der Art von dem unsern abweiche, Achtung zollen.

Dieser unserer Auffassung entspricht es, wenn wir annehmen, daß Graf
Bismarck die Allianz mit Oestreich in der- festen Absicht geschlossen hat, Preußen
gekräftigt daraus hervorgehen zu lassen. Und zwar wird er schon damals die
Eventualitäten, unter denen dies zu ermöglichen wäre, in Betracht gezogen
haben; selbstverständlich nur mit dem Auge des Diplomaten, der kühl die
realen Machtverhältnisse berechnet und moralische Factoren zu gering anschlägt.
Von diesem Standpunkt aus erforderte eine Kräftigung Preußens in Deutsch¬
land vorerst eine Trennung der dem Staat bisher ungeneigter Kräfte, also
Oestreichs und des Bundes; und so weit war der Abschluß der preußisch-östreichi¬
schen Allianz, der diese Trennung einleitete, zumal kurz nach dem frankfurter
Fürstencongreß allerdings ein glänzender Schachzug. Und in gleicher Weise
wurde weiter operirt: am 1. Februar begann der Krieg, und schon im Februar
stöhnte Oestreich unter der eisernen Umarmung seines Bundesgenossen. Schlag
nach Schlag siel auf den Bund; man drohte, man imponirte mit seiner Gro߬
machtsstellung, man terrorisirte, man ignorirte; und das alles gemeinsam, zu
Ehren der Allianz; gemeinsam endlich drängte man die Bundestruppen aus
Holstein, — der Bruch zwischen Oestreich und seinen früheren guten Freunden
war vollendet. Jetzt wandte sich Bismarck auch gegen Oestreich. Es folgten
Herausforderungen und Demüthigungen, eigenmächtig ward Polizei geübt,
eigenmächtig der fieler Hafen occupirt; Oestreich wollte die preußische Allianz
nicht aufgeben, und die Condominatsperiode schloß mit Gastein. Schon da¬
mals schien Bismarck zum Aeußersten entschlossen; über ihre Minister hinweg
fanden die beiden Herrscher noch einmal die versöhnende Formel.


Grenzboten II. 18S6. 60
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/505>, abgerufen am 27.07.2024.