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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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seit das Verfahren des Fürsten. Ein Complott, welches kurz nach dem Staats¬
streich entdeckt wurde, und welches den Sturz Johanns des Ersten, die Ernen¬
nung Fürst Soutzos zum Hospodar und die Wiedereinführung des organischen
Statuts bezweckte, stimmte die öffentliche Meinung dem damaligen Inhaber der
Gewalt noch günstiger. Das Ergebniß der allgemeinen Abstimmung über die
Verfügungen des Juni-Statuts war die Annahme derselben durch eine unge¬
heure Majorität. 713,285 Stimmen antworteten auf die ihnen vorgelegten
beiden Fragen mit Ja, und die nächsten Kammerwahlen lieferten eine dem ent¬
sprechende Landesvertretung. Es begann jetzt eine Wirthschaft in den Fürsten-
thümern, die als eine Art Karikatur des napoleonischen Regiments in Frank¬
reich bezeichnet werden muß, und deren Maßregeln fast allein von dem Ehrgeiz
des Fürsten dictirt waren. Die Garantiemächte schwiegen vorläufig dazu, Frank¬
reich zeigte sich noch als Gönner, die übrigen schienen die weitere Entwickelung
abzuwarten.

Die neugewählte Kammer bestand, wie der Senat, zum größten Theil aus
Elementen, die zu jeder Regierungsvorlage respectvoll Ja sagten. Als aber nach
Schluß der ersten Session Ende März 1865 die aus beiden Körperschaften ge¬
mischte Commission zusammentrat, welche nach dem Juni-Statut dem Fürsten
über den Zustand des Landes Bericht erstatten und etwa nothwendige Reformen
vorschlagen sollte, begab sichs, daß in dieselbe grade die wenigen Mitglieder
der Opposition gewählt wurden, und die Folge war ein Bericht', welcher das
damalige Elend in den Fürstenthümern in den lebhaftesten Farben schilderte, die
Zwecklosigkeit der das Mark des Landes aufzehrenden Armee, die auf 30,000 Mann
gebracht worden, die tiefe Verschuldung des Staates aufzeigte und sogar soweit
ging, daß sie als den besten Weg zur Abhilfe der Noth die Bitte an die Gro߬
mächte bezeichnete, den vereinigten Fürstenthümern in einem auswärtigen Prinzen
einen andern Herrscher zu geben. Auch einige Mitglieder des Cabinets, nament¬
lich der Premier Bosiano (es hatte inzwischen wieder einen Ministerwechsel ge¬
geben) und die Minister der Finanzen und der Justiz zeigten sich insofern nicht
mit dem Fürsten einverstanden, als sie die Nothwendigkeit betonten, Ordnung
in den Staatshaushalt zu bringen. Maßregeln der Sparsamkeit zu treffen und
mit den vielen untüchtigen und überflüssigen Beamten aufzuräumen, welche das
System in den letztverflossenen Jahren angestellt hatte.

Der Fürst war verdrießlich und ersetzte den unbequemen Bosiano durch
Cogalnitscheano, der aber schon nach wenigen Tagen, in der letzten Woche des
Juni 1865, seinem persönlichen Gegner Krezulesku weichen mußte, da der Fürst
sich jetzt das Wohlwollen Rußlands zu erwerben suchte, um von Petersburg in
seiner Absicht unterstützt zu werden, den Knaben Alexander, den ihm seine
Maitresse Marie Katardji geboren, und welchen er mit gefälliger Beihilfe des
Metropoliten von Jassy adoptirt und in einen "Prinzen" Alexander verwandelt.


seit das Verfahren des Fürsten. Ein Complott, welches kurz nach dem Staats¬
streich entdeckt wurde, und welches den Sturz Johanns des Ersten, die Ernen¬
nung Fürst Soutzos zum Hospodar und die Wiedereinführung des organischen
Statuts bezweckte, stimmte die öffentliche Meinung dem damaligen Inhaber der
Gewalt noch günstiger. Das Ergebniß der allgemeinen Abstimmung über die
Verfügungen des Juni-Statuts war die Annahme derselben durch eine unge¬
heure Majorität. 713,285 Stimmen antworteten auf die ihnen vorgelegten
beiden Fragen mit Ja, und die nächsten Kammerwahlen lieferten eine dem ent¬
sprechende Landesvertretung. Es begann jetzt eine Wirthschaft in den Fürsten-
thümern, die als eine Art Karikatur des napoleonischen Regiments in Frank¬
reich bezeichnet werden muß, und deren Maßregeln fast allein von dem Ehrgeiz
des Fürsten dictirt waren. Die Garantiemächte schwiegen vorläufig dazu, Frank¬
reich zeigte sich noch als Gönner, die übrigen schienen die weitere Entwickelung
abzuwarten.

Die neugewählte Kammer bestand, wie der Senat, zum größten Theil aus
Elementen, die zu jeder Regierungsvorlage respectvoll Ja sagten. Als aber nach
Schluß der ersten Session Ende März 1865 die aus beiden Körperschaften ge¬
mischte Commission zusammentrat, welche nach dem Juni-Statut dem Fürsten
über den Zustand des Landes Bericht erstatten und etwa nothwendige Reformen
vorschlagen sollte, begab sichs, daß in dieselbe grade die wenigen Mitglieder
der Opposition gewählt wurden, und die Folge war ein Bericht', welcher das
damalige Elend in den Fürstenthümern in den lebhaftesten Farben schilderte, die
Zwecklosigkeit der das Mark des Landes aufzehrenden Armee, die auf 30,000 Mann
gebracht worden, die tiefe Verschuldung des Staates aufzeigte und sogar soweit
ging, daß sie als den besten Weg zur Abhilfe der Noth die Bitte an die Gro߬
mächte bezeichnete, den vereinigten Fürstenthümern in einem auswärtigen Prinzen
einen andern Herrscher zu geben. Auch einige Mitglieder des Cabinets, nament¬
lich der Premier Bosiano (es hatte inzwischen wieder einen Ministerwechsel ge¬
geben) und die Minister der Finanzen und der Justiz zeigten sich insofern nicht
mit dem Fürsten einverstanden, als sie die Nothwendigkeit betonten, Ordnung
in den Staatshaushalt zu bringen. Maßregeln der Sparsamkeit zu treffen und
mit den vielen untüchtigen und überflüssigen Beamten aufzuräumen, welche das
System in den letztverflossenen Jahren angestellt hatte.

Der Fürst war verdrießlich und ersetzte den unbequemen Bosiano durch
Cogalnitscheano, der aber schon nach wenigen Tagen, in der letzten Woche des
Juni 1865, seinem persönlichen Gegner Krezulesku weichen mußte, da der Fürst
sich jetzt das Wohlwollen Rußlands zu erwerben suchte, um von Petersburg in
seiner Absicht unterstützt zu werden, den Knaben Alexander, den ihm seine
Maitresse Marie Katardji geboren, und welchen er mit gefälliger Beihilfe des
Metropoliten von Jassy adoptirt und in einen „Prinzen" Alexander verwandelt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/501>, abgerufen am 28.07.2024.