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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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werden müsse, wenn er ferner regieren solle. Die Opposition dagegen rüstete
sich, bei dem Wiederzusammentritt der gesehgebenden Versammlung die Absetzung
des Fürsten zu beschließen und seinen Stuhl einem auswärtigen Prinzen anzu¬
bieten. Noch einmal versuchte Johann der Erste ein liberales Ministerium unter
Kantakuzeno zu bilden, aber der Plan scheiterte, da letzterer die Bedingung
stellte, vorher den seiner Partei verhaßten General Floresco in Nichtactivität
zu versetzen. Zu diesen Verlegenheiten und Verwickelungen kam noch die An¬
wesenheit des bekannten ungarischen Generals Türr in den Donaufürstcnthümern,
der die Absicht haben sollte, in Ungarn einen Aufstand hervorzurufen, und un¬
gefähr gleichzeitig der Versuch polnischer Freischaaren, in Podolien einzubrechen.
Diese Absicht wurde von den rumänischen Truppen vereitelt, und auch das
Verhältniß der Landesvertretung zur Regierung schien sich, als abermals ein
neues Ministerium unter Cogalnitscheano gebildet worden, wieder einmal besser
gestalten zu wollen. Als die Deputirten Mitte November zusammentraten, kam
es wenigstens zu regelmäßigen Arbeiten, und eine Anzahl von Vorlagen der
Minister fand, wenn auch gewöhnlich erst nach heftigem Widerspruch, Annahme.
So namentlich der Antrag auf Säcularisirung der oben erwähnten Klostergüter
gegen eine Entschädigung, ein Beschluß, der aber nicht zur Ausführung gelangen
konnte, da die von ihm betroffenen griechischen Patriarchen bei den Garantie¬
mächten und der Pforte dagegen protestirten und die Imbibition der Maßregel
durchsetzten.

Der Ministerwechsel hatte nur die Personen, nicht das System geändert,
und so brach der Kampf zwischen Regierung und Kammer bald von Neuem
aus, und am 26. April 1864 erfolgte ein entschiedener Bruch. Der Entwurf
eines Nuralgesetzes, nach welchem die Bauern die von ihnen bisher bebauten
Ländereien der Grundbesitzer gegen eine Geldentschädigung zum Eigenthum er¬
halten sollten, wurde von der Mehrheit der Abgeordneten zurückgewiesen und
dem Cabinet mit 63 gegen 36 Stimmen ein Tadelsvotum ertheilt. Cogalnit¬
scheano verlangte hieraus mit seinen College" vom Fürsten seine Entlassung.
Dieselbe wurde aber verweigert und statt dessen die Kammer vertagt. Als sie
am 14. Mai mit einer Botschaft des Fürsten wieder eröffnet wurde, nach welcher
sie in dieser Session sich nur mit Feststellung des Budgets und Berathung
eines neuen sehr demokratischen Wahlgesetzes beschäftigen sollte, nahm sie nach
stürmischen Debatten einen Antrag Boereskos an, der Beilegung des Conflicts
zwischen ihr und der Regierung aus verfassungsmäßigen Wege verlangte und
bis dahin nur noch die Arbeiten in den Sectionen fortgesetzt wissen wollte.
Darauf übergab der Premierminister dem Präsidenten der Kammer eine bereit¬
gehaltene zweite Botschaft, welche die Auflösung der Versammlung aussprach,
und dieselbe war kaum verlesen, als Soldaten in den Sitzungssaal drangen
und die Deputirten auseinandertrieben.


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werden müsse, wenn er ferner regieren solle. Die Opposition dagegen rüstete
sich, bei dem Wiederzusammentritt der gesehgebenden Versammlung die Absetzung
des Fürsten zu beschließen und seinen Stuhl einem auswärtigen Prinzen anzu¬
bieten. Noch einmal versuchte Johann der Erste ein liberales Ministerium unter
Kantakuzeno zu bilden, aber der Plan scheiterte, da letzterer die Bedingung
stellte, vorher den seiner Partei verhaßten General Floresco in Nichtactivität
zu versetzen. Zu diesen Verlegenheiten und Verwickelungen kam noch die An¬
wesenheit des bekannten ungarischen Generals Türr in den Donaufürstcnthümern,
der die Absicht haben sollte, in Ungarn einen Aufstand hervorzurufen, und un¬
gefähr gleichzeitig der Versuch polnischer Freischaaren, in Podolien einzubrechen.
Diese Absicht wurde von den rumänischen Truppen vereitelt, und auch das
Verhältniß der Landesvertretung zur Regierung schien sich, als abermals ein
neues Ministerium unter Cogalnitscheano gebildet worden, wieder einmal besser
gestalten zu wollen. Als die Deputirten Mitte November zusammentraten, kam
es wenigstens zu regelmäßigen Arbeiten, und eine Anzahl von Vorlagen der
Minister fand, wenn auch gewöhnlich erst nach heftigem Widerspruch, Annahme.
So namentlich der Antrag auf Säcularisirung der oben erwähnten Klostergüter
gegen eine Entschädigung, ein Beschluß, der aber nicht zur Ausführung gelangen
konnte, da die von ihm betroffenen griechischen Patriarchen bei den Garantie¬
mächten und der Pforte dagegen protestirten und die Imbibition der Maßregel
durchsetzten.

Der Ministerwechsel hatte nur die Personen, nicht das System geändert,
und so brach der Kampf zwischen Regierung und Kammer bald von Neuem
aus, und am 26. April 1864 erfolgte ein entschiedener Bruch. Der Entwurf
eines Nuralgesetzes, nach welchem die Bauern die von ihnen bisher bebauten
Ländereien der Grundbesitzer gegen eine Geldentschädigung zum Eigenthum er¬
halten sollten, wurde von der Mehrheit der Abgeordneten zurückgewiesen und
dem Cabinet mit 63 gegen 36 Stimmen ein Tadelsvotum ertheilt. Cogalnit¬
scheano verlangte hieraus mit seinen College» vom Fürsten seine Entlassung.
Dieselbe wurde aber verweigert und statt dessen die Kammer vertagt. Als sie
am 14. Mai mit einer Botschaft des Fürsten wieder eröffnet wurde, nach welcher
sie in dieser Session sich nur mit Feststellung des Budgets und Berathung
eines neuen sehr demokratischen Wahlgesetzes beschäftigen sollte, nahm sie nach
stürmischen Debatten einen Antrag Boereskos an, der Beilegung des Conflicts
zwischen ihr und der Regierung aus verfassungsmäßigen Wege verlangte und
bis dahin nur noch die Arbeiten in den Sectionen fortgesetzt wissen wollte.
Darauf übergab der Premierminister dem Präsidenten der Kammer eine bereit¬
gehaltene zweite Botschaft, welche die Auflösung der Versammlung aussprach,
und dieselbe war kaum verlesen, als Soldaten in den Sitzungssaal drangen
und die Deputirten auseinandertrieben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/499>, abgerufen am 28.07.2024.